
Die Lage am Morgen Die Führungsschwäche der AKK

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen!
Heute beschäftigen wir uns mit der angeschlagenen Annegret Kramp-Karrenbauer. Irland wählt ein neues Parlament. Und: Ursula von der Leyen wird von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Thüringen und die GroKo
Man kann sich die Frage stellen: Wie hätte es eigentlich die Kanzlerin gemacht? Wie wäre Angela Merkel als Parteivorsitzende mit einem Landesvorsitzenden umgegangen, dessen irrlichterndes Verhalten der Partei bundesweit Schaden zufügt?
Eine CDU-Vorsitzende Merkel hätte vermutlich den Thüringer CDU-Chef Mike Mohring zu sich nach Berlin zitiert und ihm klargemacht, welche Schritte sie nun von ihm erwartet. Das Gespräch hätte vermutlich nicht länger als 30 Minuten gedauert.
Annegret Kramp-Karrenbauer saß Donnerstagnacht mehr als fünf Stunden mit Vorstand und Fraktion der CDU-Thüringen in Erfurt zusammen und erreichte nicht das, was sie und das CDU-Präsidium wollten, nämlich Neuwahlen. Auch die Zukunft des umstrittenen Fraktions- und Parteichefs blieb zunächst im Vagen, als AKK um 1.15 Uhr nachts die Sitzung verließ.
AKKs Art, mit Konflikten umzugehen, hat etwas Grundsympathisches. Von Führungsstärke zeugt sie nicht. Weil sich dies im Thüringer Wahldesaster so offensichtlich zeigte, hat AKK nun einen schweren Stand: Wenn sie diese Krise nicht bewältigen kann, wie soll sie dann Krisen als Kanzlerin beherrschen können?
Heute wartet eine weitere Bewährungsprobe auf AKK: Der Koalitionsausschuss trifft sich, um über die Konsequenzen der Thüringer Tollhaus-Tage zu diskutieren. Es hätte ein gemütliches Treffen werden können, in großer Einigkeit. Hätte AKK nur gestern die SPD nicht provoziert.
Die CDU-Chefin hatte klargemacht, dass ihre Partei einer Wiederwahl Bodo Ramelows (Die Linke) zum Ministerpräsidenten nicht zustimmen werde. SPD und Grüne sollten deshalb einen Kandidaten benennen, der das Land nicht spalte, "sondern eint". SPD und Grüne wiesen diese Forderung postwendend und empört zurück. Es ist schwierig sich vorzustellen, wie AKK daraus noch eine Erfolgsgeschichte werden lassen will.
Wechselstimmung
Sinn Féin galt jahrzehntelang als der politische Arm der Terrororganisation IRA, die gewaltsam für ein vereinigtes Irland kämpfte. Heute könnte die Partei bei den irischen Parlamentswahlen mit zu einem Machtwechsel beitragen. Die Zustimmungswerte für Sinn Féin, die sich als linke Alternative anbietet und für eine bessere Gesundheitsversorgung und billigere Wohnungen eintritt, wachsen. Gleichzeitig verlieren Premierminister Leo Varadkar und seine Partei Fine Gael an Rückhalt.
Derzeit rangiert der Regierungschef in den Umfragen auf Platz 3. "Change" hörte man im irischen Wahlkampf oft. Ob es dazu wirklich kommt, weiß man erst nach 23 Uhr. So lange haben die Wahllokale offen.
Von der Leyens Vergangenheit
Ursula von der Leyen geht in ihrer neuen Rolle als EU-Kommissionspräsidentin voll auf. Sie legt einen Plan nach dem anderen vor. Einen, um das Klima zu retten, einen, um Krebs zu bekämpfen, eine "Gesamtstrategie" für die Digitalisierung, und dann ist da ja noch die leidige Migrations- und Flüchtlingsfrage, auch dafür soll es einen "neuen Pakt geben".
Am kommenden Donnerstag allerdings muss von der Leyen ihren Blick für ein paar Stunden von der Zukunft Europas abwenden, da holt sie die Bonner und Berliner Vergangenheit ein: Die CDU-Politikerin muss vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen, der die Berateraffäre im Verteidigungsministerium in ihrer Amtszeit untersucht.
Meine Kollegen Sven Becker, Rafael Buschmann, Matthias Gebauer und Marcel Rosenbach haben im aktuellen SPIEGEL detailliert nachgezeichnet, wie die Auftragsvergabe des Ministeriums an private Beraterfirmen aus dem Ruder lief. Es geht um Vetternwirtschaft, Steuerverschwendung und womöglich illegale Auftragsvergaben.
Die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses wollen sicher auch wissen, wie von der Leyen die Daten ihres damaligen Handys abhandengekommen sind - und ob sie einige davon schon wiedergefunden hat.
Kuriosität des Tages…
…ist der heutige Auftritt der FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg im hessischen Heppenheim zum Thema: "Die freiheitliche Gesellschaft und der Kampf gegen ihre Feinde."
Nur zur Erinnerung: Es war die FDP, die noch am Mittwoch ihren Thüringer Parteichef mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Auch die Stimme von Björn Höcke dürfte dabei gewesen sein. Von einem Mann also, dessen rechtsnationaler "Flügel" derzeit vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" beobachtet wird, weil die AfD-interne Gruppe mutmaßlich nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Martin Knobbe