Susanne Beyer

Die Lage am Morgen Genossin, Genosse oder General – wer folgt auf Christine Lambrecht?

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um Christine Lambrechts Nachfolge an der Spitze des Verteidigungsministeriums, um die Krise des Weltwirtschaftsforums in Davos und um die bei Parlamentariern umstrittene Wahlrechtsreform.

Berliner Lücke

Heute wird Olaf Scholz endlich verkünden, wer nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht an die Spitze des Verteidigungsministeriums rückt.

Das Wort »endlich« klingt nach Ungeduld und Drängelei, doch ein Team aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro hat den Fall Lambrecht rekonstruiert  und dabei herausgefunden, dass die Politikerin dem Kanzler früh schon signalisiert hat, aufgeben zu wollen. Am 3. Januar, dem Dienstag nach Silvester, soll die Ministerin bei ihm gewesen sein, um ihm den Entschluss zum Rücktritt mitzuteilen, inklusive des Rückzugsdatums: 16. Januar. Genauso kam es dann ja auch.

Demzufolge hätte Scholz ausreichend Zeit gehabt, die Nachfolge zu regeln.

Kanzler Scholz beim Besuch einer Rüstungsfirma

Kanzler Scholz beim Besuch einer Rüstungsfirma

Foto: LEONHARD SIMON / REUTERS

Und doch herrschte gestern in Berlin Chaos, am Tag, an dem Lambrecht ihren Schritt offiziell machte, und drei Tage, nachdem ihre Pläne auch an die Öffentlichkeit durchgesickert waren. Wer jetzt gerade die Geschäfte im Wehrressort führe? Auf diese Frage etwa bekamen meine Kollegen keine klare Antwort.

Wer wird es nun werden? Bei den bisher häufig genannten Personen (die SPD-Leute Hubertus Heil, Eva Högl, Lars Klingbeil und Wolfgang Schmidt) gehen die Spekulationen hin und her, ein anderes Gerücht hält sich hartnäckig: Auch ein General könnte das Amt übernehmen, die Rede ist von Carsten Breuer, der schon den Corona-Krisenstab der Bundesregierung im Kanzleramt geleitet hat. Das allerdings wäre ein großes Experiment – für Scholz.

Der Kanzler hat die »Zeitenwende« für die Bundeswehr ausgerufen, er muss sicherstellen, dass sie – beizeiten – gelingt.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Die jüngsten Entwicklungen: Laut Kiew verstärkt Russland seine Truppen im Donbass. Das Foto einer Küche in Dnipro geht um die Welt. Und: Russische und belarussische Flaggen vom Turniergelände der Australian Open verbannt. Der Überblick.

  • 950 Kilo Sprengstoff auf einen Plattenbau: Mindestens 40 Menschen wurden getötet, fast genauso viele werden noch vermisst – der Raketenangriff auf einen Wohnblock in Dnipro ist Teil der russischen Terrorstrategie gegen ukrainische Zivilisten. 

  • So wertvoll sind die Challenger-2-Panzer für die Ukraine: Die Briten wollen Challenger-2-Kampfpanzer an die Ukraine liefern. Die Tanks gelten als altmodisch, langsam und nicht besonders durchschlagsstark. Trotzdem könnten sie für die ukrainische Armee wichtig werden. 

  • Wie der Ölpreisdeckel und fallende Gaspreise Russland treffen: Die Ölsanktionen des Westens wirken: Russland wird seine wichtigste Rohölsorte nur noch mit gewaltigen Rabatten los. Und auch die Preise für Gasexporte nach Europa sinken. Verliert Wladimir Putin den Energiekrieg? 

Das große Schwänzen in Davos

Die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos gehörte vor gar nicht langer Zeit noch zu den glanzvollen internationalen Gipfeltreffen für die Elite aus Wirtschaft und Politik. Gestern Abend hat das diesjährige Forum begonnen. Themen, über die dort zu reden wäre, gibt es genug, die Entglobalisierung seit der Coronapandemie etwa, vor allem aber die Folgen des Krieges in der Ukraine: die Inflation und die Energiekrise.

Bewachung des Weltwirtschaftsforums im Jahr 2017

Bewachung des Weltwirtschaftsforums im Jahr 2017

Foto: RUBEN SPRICH/ REUTERS

Doch die Bereitschaft, zu dem Treffen anzureisen, scheint in diesem Jahr zumindest auf höchster Ebene nicht sehr ausgeprägt zu sein. Aus den G7-Staaten wird lediglich ein Regierungschef hinfahren: Olaf Scholz.

Eine der großen Reden an diesem Dienstag wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen halten. »Egal, was sie sagen wird: Die größte Frage wird sein, wer ihr dabei zuhört«, sagt mein Kollege Stefan Kaiser aus dem Wirtschaftsressort, der gemeinsam mit unserer Kollegin Isabell Hülsen und unseren Kollegen Tim Bartz und David Böcking von heute an aus Davos berichten wird.

Es ist bedauerlich: Präsidenten, Ministerinnen und Ökonomen haben sich wegen der Pandemie lange Zeit zu selten persönlich treffen können. Gerade die großen Runden der Politik aber – das G20-Treffen auf Bali zum Beispiel – haben zuletzt gezeigt, wie viel bei direkten Begegnungen in Bewegung gesetzt werden kann.

»Einige fühlen sich womöglich auf den elitären Gipfeln tief im Westen der Alpen nicht mehr wohl, weil das beim Publikum daheim allzu abgehoben wirken könnte«, schreibt SPIEGEL-Kolumnist Henrik Müller .

Demzufolge wäre die Adresse das Hauptproblem: Davos klingt nach Glamour und Chichi, und es ist auch alles so teuer dort, dass sich Nichtregierungsorganisationen etwa kaum leisten können, jemanden dorthin zu schicken.

Doch auch ein inhaltliches Argument wird die Lust auf Davos gedämpft haben: Das Weltwirtschaftsforum steht für ein veraltetes ökonomisches Denken, für einen blindwütigen Glauben an die Globalisierung. Neues aber kann nur entstehen, wenn man sich darum bemüht. Für diejenigen also, die sich doch nach Davos begeben (drei Bundesminister sind darunter: Robert Habeck, Hubertus Heil und Christian Lindner), gilt die alte Regel: Der Erfolg einer Veranstaltung ist immer abhängig davon, was die Gäste daraus machen.

Gemaule in SPD-Fraktion über Wahlrechtsreform

Die SPD trifft sich heute am Nachmittag zu einer Fraktionssitzung, gut möglich, dass es besonders wegen eines Themas rundgehen wird: dem Vorhaben der Ampelkoalition, das Wahlrecht zu verändern und den Bundestag zu verkleinern.

Plenarsaal im Bundestag

Plenarsaal im Bundestag

Foto: Michael Kappeler/ dpa

In der Kanzlerpartei kursiert eine Liste mit allen SPD-Abgeordneten, die nicht im Bundestag sitzen würden, wenn die Wahl 2021 schon unter den nun geplanten Regeln stattgefunden hätte. Elf direkt gewählte Sozialdemokraten wären demnach nicht im Parlament, dazu 27 weitere, die über Landeslisten eingezogen sind. Darunter sind dem Papier zufolge etwa der Hamburger Niels Annen und Anna Kassautzki, die den Wahlkreis von Altkanzlerin Angela Merkel gewonnen hat .

Bereits im Sommer 2022 hatte es in einer Sitzung der SPD-Fraktion Unmut über die Reform gegeben, am Ende stimmten 30 Abgeordnete dagegen. Mein Kollege Christian Teevs sagt: »Manch ein Sozialdemokrat rechnet damit, dass es in der Sitzung heute mehr um das Wahlrecht gehen dürfte als um die Nachfolge von Christine Lambrecht«.

China verfehlt Wachstumsziele

Das Statistikamt in China hat die Wachstumszahlen für das vergangene Jahr veröffentlicht. Das von Premier Li Keqiang im März 2022 ausgegebene Wachstumsziel von 5,5 Prozent hat das Land weit verfehlt. Tatsächlich legte die zweitgrößte Volkswirtschaft nach offiziellen Angaben im zurückliegende Jahr nur um 3 Prozent zu – der globale Durchschnitt lag 2022 bei 2,9 Prozent Wachstum. 2021 war das BIP in China noch um 8,4 Prozent gewachsen.

Lockdown in Shanghai 2022

Lockdown in Shanghai 2022

Foto: HECTOR RETAMAL / AFP

Die Gründe für die Konjunkturdelle sind auf die Krise des chinesischen Immobilienmarkts zurückzuführen – und auf Pekings rabiate Null-Covid-Politik mit ihren Lockdowns, die etwa die Wirtschaftsmetropole Shanghai monatelang stillstehen ließen. Die abrupte Abkehr von dieser Strategie Ende letzten Jahres und die Omikron-Welle, die momentan durch China rollt, verschärfen die Lage. »Für 2023 sieht es wirtschaftlich besser aus«, sagt Georg Fahrion, SPIEGEL-Korrespondent in Peking. Wegen der rasend schnellen Durchseuchung rechne man in China mit einer entsprechend raschen Erholung.

Es ist ein makaberes Kalkül der chinesischen Regierung: Die rapide Durchseuchung kostet viele Tote.

Schwesig zu Gast beim SPIEGEL

Vor Russlands Angriff auf die Ukraine war sie einer der großen Stars der SPD: Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Nähe zu Russland war bekannt, und auch, dass sie eine der wichtigsten Befürworterinnen der Gaspipeline Nord Stream 2 gewesen ist.

Ministerpräsidentin Schwesig

Ministerpräsidentin Schwesig

Foto:

Jens Büttner / DPA

Doch mit dem Krieg in der Ukraine hat sich die Sicht auf Schwesig verändert, sie muss sich nun viel Kritik anhören. Die Kritik ist so berechtigt wie wohlfeil: Darauf hätte man auch früher kommen können.

Bei unserer nächsten Ausgabe von DER SPIEGEL im Gespräch mit … wird meine Kollegin Melanie Amann mit Manuela Schwesig diskutieren – auch darüber, wie sie mit den Vorwürfen gegen sich und ihre Russlandpolitik umgeht und wie sie sich das künftige Verhältnis zu Russland vorstellt.

Die Veranstaltung ist exklusiv für Abonnentinnen und Abonnenten, aber wir verlosen zehn freie Zugänge. Interessenten schreiben an: info@events.spiegel.de, Betreff: Verlosung SPIEGEL im Gespräch. Einsendeschluss: Dienstag, 17. Januar um 12 Uhr.

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Ihre Susanne Beyer, Autorin der Chefredaktion

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