
Die Lage am Morgen Reiserückkehrer - Geschichte eines politischen Versagens

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute beschäftigen wir uns mit dem Versagen der deutschen Politik im Umgang mit Rückkehrern aus dem Ausland. Mit dem Abschied von Lionel Messi nach 19 Jahren im Trikot des FC Barcelona. Und mit der verzweifelten Suche deutscher Parteien, jünger und hipper zu wirken.
Was passiert mit Reiserückkehrern?
Wie unvorbereitet und unbedacht die deutsche Politik in die zweite Corona-Welle stolperte, zeigt vor allem der Umgang mit Urlaubsreisenden ins Ausland. Als diese Reisen im Juni wieder zugelassen wurden, hätte man sich theoretisch ein paar Gedanken darüber machen können, welche Auswirkungen dies auf das Infektionsgeschehen haben könnte. Aber daran hatte damals niemand gedacht.
Erst als man die verblüffende Entdeckung machte, dass die Urlauber tatsächlich aus ihrem Urlaub zurückkommen und dass es unter diesen Rückkehrern sogar Infizierte gab, reagierte die Politik und erließ hektisch eine Testpflicht für Rückkehrer aus sogenannten Risikogebieten. In der Folge ließen sich Zigtausende Rückkehrer gleich nach der Landung an einem deutschen Flughafen kostenfrei testen. Das scheint zwar inzwischen die Kapazitäten mancher Labors zu überlasten, aber ein bis zwei Tage später hatten die Rückkehrer ihr Ergebnis und konnten wieder fröhlich durchs Land tigern.
Dann fiel der Politik doch tatsächlich auf, was Wissenschaftler schon lange wissen: dass es so etwas wie eine Inkubationszeit gibt. Konkret: dass Menschen im Schnitt erst fünf Tage, nachdem sie Kontakt mit dem Virus hatten, nachweislich infiziert sind. Das heißt: Eine mögliche Ansteckung in den letzten Urlaubstagen war durch jene Tests, die unmittelbar nach der Rückkehr erfolgen, gar nicht erfasst.
Nun muss die Politik ihre eigene Regelung erneut nachbessern. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will jetzt eine Verordnung vorlegen, wonach die Quarantäne frühestens fünf Tage nach der Einreise vorzeitig beendet werden kann, wenn dann ein negatives Testergebnis vorgelegt wird. Die Regelung wird wahrscheinlich Mitte September in Kraft treten. Dann sind die Sommerferien in allen Bundesländern beendet.
Die Parteien nach dem Rezo-Schock
Vor 15 Monaten veröffentlichte der YouTuber Rezo ein fast einstündiges Video, in dem er die Politik der Union auseinandernahm. "Die Zerstörung der CDU" erreichte binnen weniger Tage Millionen Menschen, bis heute wurde es 17 Millionen Mal aufgerufen.
Das Video war ein Schock für die Konservativen. Sie suchten ewig nach einer passenden Antwort. Erst ließen sie den scheinbar einzigen jüngeren Menschen in ihrer Partei sich an einem Gegenvideo versuchen. Doch Philipp Amthor performte offenbar nicht - das Video wurde nie veröffentlicht. Am Ende veröffentlichte die Partei ein elfseitiges PDF-Statement als Antwort auf den Generalangriff eines YouTubers. Die CDU wirkte wie ein Neandertaler, der sich in einen Berliner Nachtklub verirrt hatte.
Nach dieser peinlichen Erfahrung forderte CNetz, ein CDU-naher Verein für Netzpolitik, die Partei brauche eigene Influencer. "Das können und dürfen aber keine typischen Politiker sein", stand in einem Arbeitspapier, "stattdessen sollte man meinungsfreudige Menschen identifizieren, die der CDU inhaltlich nahestehen, und bitten, diese zu unterstützen."
Meine Kollegen Christian Volk und Rebekka Wiese beschreiben in einem lesenswerten Text die bisweilen rührenden Versuche aller Parteien, nach dem Rezo-Schock ein wenig jünger und hipper rüberzukommen. Die Anbiederung an mehr oder weniger wahllos kontaktierte Influencer im Netz etwa krankt allein daran, dass viele von denen - anders als Rezo - mit Politik nichts am Hut haben wollen. Martin Fuchs, Politikberater und Social-Media-Experte, glaubt allerdings zu beobachten, dass sich die Szene langsam politisiere: "Viele wollen jetzt etwas anderes machen, als immer nur Produkte in die Kamera zu halten."
Deshalb rät Fuchs den Parteien, sich deutlich intensiver mit dem Thema Influencer auseinanderzusetzen. Der Nachholbedarf sei groß. "Rezo wäre der perfekte Startschuss gewesen", sagt Fuchs. Doch seitdem sei wenig passiert.
Messi nach Mönchengladbach?
Lionel Messi will den FC Barcelona verlassen. Das ist in etwa so, als würde der Kölner Dom ankündigen, sich einen neuen Standort zu suchen. In einem Fax an seinen Verein teilte der Argentinier mit, eine Klausel ziehen zu wollen, mit der er den Klub am Ende jeder Spielzeit einseitig verlassen kann.
Der 33-Jährige ist seit seinem 14. Lebensjahr beim FC Barcelona aktiv. Seine Bilanz dieser Jahre ist gigantisch. In 729 Pflichtspielen erzielte er 633 Tore für Barcelona. Sieben Mal wurde er Rekordtorschütze der spanischen Liga, sechs Mal Torschützenkönig in der Champions League. Mit seinem Klub holte er vier Champions-League-Titel, zehn Mal die spanische Meisterschaft und sechs Mal den spanischen Pokal. Dass er seine Karriere nicht wie erwartet dort beendet, wo sie begonnen hat, dürfte auch an den jüngsten sportlichen Enttäuschungen liegen. Zuletzt ging Messi mit Barcelona im Viertelfinale der Champions League mit 2:8 gegen den FC Bayern unter.
Zu welchem Verein Messi nun wechselt, ist bislang nicht bekannt. Eine gute Adresse wäre Borussia Mönchengladbach, wo der Argentinier auf seine alten Tage noch mal Teil einer Erfolgsgeschichte werden könnte. Aber vermutlich wird auch ihn am Ende das große Geld locken.
Verlierer des Tages...
...sind die unschuldigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Skandal-Firma Wirecard. Das Amtsgericht München hat das Insolvenzverfahren über den Zahlungsabwickler eröffnet. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in Deutschland soll das Unternehmen verlassen. Wie der Insolvenzverwalter Michael Jaffé nun mitteilte, soll rund 730 von 1300 Mitarbeitern gekündigt werden. "Die wirtschaftliche Lage der Wirecard AG war und ist angesichts der fehlenden Liquidität und der bekannten skandalösen Begleitumstände äußerst schwierig", erklärte Jaffé.
Was zuletzt etwas in Vergessenheit geriet, ist die Frage, welchen Anteil das Kanzleramt und das Bundesfinanzministerium an diesen Entlassungen hat, weil dort viel zu versonnen auf das vermeintliche Erfolgsunternehmen geblickt wurde und eine effektive Aufsicht unterblieb. Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags ist nötiger denn je.
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Ihr Markus Feldenkirchen