

Die Lage am Abend Von den Verlockungen des Friseursalon-Kalauers

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
Sarkozy verurteilt – War es ein Freundschaftsdienst oder Korruption?
Friseure geöffnet – Ein neuer Abschnitt in der Pandemie?
Vorwürfe wegen Amtsmissbrauch – Was sagt Fifa-Boss Infantino?
1. Die Verurteilten
Eher siegessicher betraten Nicolas Sarkozy und die beiden Mitangeklagten heute den Gerichtssaal in Paris, als Verurteilte verließen sie ihn. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass Sarkozy einem Generalanwalt einen hohen Posten im Fürstentum Monaco zuschanzen wollte, um von ihm Informationen über ein Ermittlungsverfahren zu bekommen, das gegen ihn lief. »Der Prozess zeigte, wie Frankreichs alte politische Eliten ihre Deals machten – und gar nichts dabei fanden«, berichtet meine Kollegin Britta Sandberg, unsere Frankreich-Korrespondentin. Der Ex-Präsident muss wohl ein Jahr in Hausarrest, kündigte aber bereits Berufung an.
Das Urteil ist eine Premiere. Nur ein einziger ehemaliger Präsident, der inzwischen verstorbene Jacques Chirac, war bislang verurteilt worden, allerdings nicht zu einer Gefängnisstrafe, sondern zu zwei Jahren auf Bewährung. Damals, 2011 war das, ging es um schwarze Kassen und den Missbrauch öffentlicher Gelder.
Auch etwas Grundsätzliches wurde verhandelt, schreibt Britta: »Es ging um die Relikte einer bestimmten Ära der französischen Politik und um ein Demokratieverständnis, das seit Langem überholt scheint.« Minister der Regierung von Emmanuel Macron zumindest mussten in der Vergangenheit für weitaus weniger schwere Vergehen zurücktreten als jene, die nun Sarkozy in gleich mehreren Gerichtsverfahren vorgeworfen werden. »Wenige in Paris haben vergessen, dass sich die Frau des Umweltministers mit Steuergeldern einen Föhn für über 300 Euro kaufte und damit den Rausschmiss ihres Mannes beförderte.« Sarkozy bestreitet alle Vorwürfe, er habe dem Generalanwalt nur eine Freude machen wollen. Im Übrigen habe er sein Leben lang anderen Freundschaftsdienste erwiesen: »40 Jahre lang habe ich das getan.«
Lesen Sie hier die ganze Analyse: »Du kannst ihm ausrichten, dass ich da etwas unternehme«
2. Corona-Lockerungen, schnittweise
»Scheitelkeiten«, »Haarmonie«, »pony & clyde«: Der Hang zum Kalauer scheint bei Friseurinnen und Friseuren zum Berufsbild zu gehören. Die Alltagsevidenz unterfütterten meine Kollegen Holger Dambeck und Patrick Stotz mit einer Datenanalyse, vor gut zwei Jahren schon. Damals werteten sie die Namen von 21.818 Salons aus, eine gute Stichprobe bei etwa 80.000 insgesamt. Ergebnis: »Knapp acht Prozent der Geschäfte tragen einen Namen, der entweder in die Kategorie Wortspiel fällt oder zumindest als mehr oder weniger kreativer Sprachgebrauch gelten darf.«Alles dabei – von »Atmosphair« über »Chaarisma« bis »Barberossa«, von »Elementhaar« über »Haar zwei O« bis zu »Haar-a-kiri« und »Well-Kamm«. (Hier die ganze Auswertung.)
Heute, am Tag der deutschen Friseur-Wiedereröffnung (Eindrücke im Video hier), scheinen sich viele Kolleginnen und Kollegen in verschiedensten Redaktionen vor der Friseurbranche verneigen zu wollen, wie ein Blick auf diese, gnihi, Headlines zeigt:
»Frohes neues Haar« (B.Z.)
»Berlin freut sich auf neue Haareszeit« (»Berliner Morgenpost«)
»Freudensträhnen« (»Berliner Zeitung«)
In einem Hamburger Friseursalon hat sich meine Kollegin Nike Laurenz das, höhö, Vorhair und Nachhair des Corona-Shutdowns angeschaut. »Ich hatte erst Sorge, ob man sich wirklich sicher vor einer Ansteckung mit dem Virus fühlt«, sagt sie. »Zumindest dort, wo ich war, geht für die Sicherheitsvorkehrungen fast so viel Zeit drauf wie fürs Haarewaschen.« Jeder Kunde muss sich via QR-Code oder Papierformular registrieren, die Hände waschen oder desinfizieren, er wird darüber belehrt, dass er nur in den Spiegel sprechen darf (und nicht direkt zur Friseurin gewandt), und dass er seine Jacke selbst aufhängen muss.
Die ganze Geschichte lesen Sie hier: Waschen, legen, stöhnen
Hier der Überblick: Welche Geschäfte jetzt öffnen dürfen und welche nicht
3. Spielmacher
Einen Neuanfang, nicht weniger als das versprach Gianni Infantino, als er vor fünf Jahren zum Präsidenten des Fußball-Weltverbands Fifa gewählt wurde. Er kündigte an, ein System zu reformieren, das durch Vetternwirtschaft und Korruption in Verruf geraten war. Aber auch er wird dafür kritisiert, Geld allzu großzügig auszugeben. Mein Kollege Marc Hujer traf Infantino im Herbst 2019 in dessen Büro in Zürich, er begleitete ihn nach Bangkok und Afrika.
Dann stoppte die Pandemie Infantinos Reiselust. Als Marc ihn im vergangenen Dezember erneut in Zürich besuchte, klagte Infantino, wie schwer seine Arbeit ohne die Abstecher in alle Welt geworden sei. »Er fühlt sich wie ein Weihnachtsmann ohne sein goldenes Buch«, sagt Hujer.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Immer Mittelstürmer – Unterwegs mit Fifa-Boss Infantino
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Was heute sonst noch wichtig ist
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Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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Was heute weniger wichtig ist

Alleinschalten
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Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Wir mussten erkennen, dass Geld und Personalmangel beim Landeskriminalamt die Aufklärung behindert haben.«
Cartoon des Tages: Endlich wieder Trump

Klaus Stuttmann
Und heute Abend?
Könnten Sie – lachen ist gesund, Kichererbsen sicher auch – das Frühlingsfalafel-Rezept unserer Köchin und Kolumnistin Verena Lugert nachkochen (oder den Einkauf der Zutaten planen, um es morgen nachzuholen). Der besondere Geschmack ihrer Falafelbällchen gehe auf die Mischung aus Stangensellerie, Koriandergrün und Petersilie zurück, schreibt sie. Was ich nebenbei erfahren habe: Petersilie enthält mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte. (Hier das ganze Rezept.)
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp
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