Oliver Trenkamp

Die Lage am Abend Wie Merkel das Duell Biden vs. Trump gewann

Oliver Trenkamp
Von Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. Lieber Merkel hören als Trump sehen - Was ist normal?

  2. Virus in Zahlen - Was kommt in der Coronakrise noch auf uns zu?

  3. Schnöder wohnen - Welche Städte sind besonders teuer?

1. Voll normal?

Puh, das Beste, was sich sagen lässt über die erste Fernsehdebatte von Joe Biden und Donald Trump: Sie ist vorbei. Haben Sie die "Shitshow", wie manche amerikanischen Kollegen das Spektakel nannten, in voller Länge gesehen? Oder haben Sie nur die Tiefpunkte als Zusammenschnitt über sich ergehen lassen? Mein Kollege Wolfgang Höbel analysiert die Auftritte aus der Sicht des Bühnenkritikers: "Die Hauptdarsteller dieser Inszenierung spielten nicht mal im selben Stück." 

Mir ging es nach der Debatte wie unserer früheren Geschäftsführerin Katharina Borchert, die mittlerweile im Silicon Valley arbeitet. Sie twitterte in der Nacht : "Ich schaue mir jetzt Reden von Angela Merkel an, um wenigstens wieder ein Gefühl von Normalität zu bekommen. Mein Therapeut tut dasselbe - und der versteht noch nicht mal Deutsch." 

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Während die Trumps, Johnsons, Bolsonaros dieser Welt irrlichtern, wird die Kanzlerin schon für ihre Fähigkeit gefeiert, das exponentielle Wachstum eines Virus so zu erklären, dass es auch die Sekundarstufe 1 nach einer illegalen Corona-Party kapieren müsste (hier im Video ).

Nun wollten es der Weltgeist und der Ältestenrat des Bundestages, dass Merkel am Tag nach dem Schreikampf in den USA einen ihrer stärkeren Auftritte hinlegte (hier im Video). Mein Kollege Philipp Wittrock aus unserem Hauptstadtbüro hat die Generaldebatte des Parlaments verfolgt: "Was zunächst wie eine typische Merkel-Routinerede daherkam, entwickelte sich zu einem sehr eindringlichen Appell an die Menschen im Land, die Pandemie und die Regeln im Kampf dagegen wieder ernst zu nehmen", sagt er. "Dass die Kanzlerin dabei für ihre Verhältnisse ungewöhnlich emotional wurde, zeigt, wie groß ihre Sorge ist, dass sich die Corona-Lage wieder dramatisch zuspitzen könnte." (Philipps Analyse lesen Sie hier.)

Die Angst der Kanzlerin: Die Nachlässigkeit der Leute wächst, während die Infektionszahlen steigen. Ihre wichtigsten Zitate: 

  • "Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben."

  • "Wir brauchen immer noch Abstand als Ausdruck von Fürsorge."

  • "Ich bin sicher: Das Leben, wie wir es kannten, wird zurückkehren. Die Familien werden wieder feiern, die Klubs und Theater und Fußballstadien wieder voll sein. Was für eine Freude wird das sein! Aber jetzt müssen wir zeigen, dass wir weiter geduldig und vernünftig handeln und so Leben retten können." 

Die Sehnsucht nach Normalität bestimmt die Debatten in den USA und in Deutschland. Allerdings scheint mir der deutsche Weg im Vergleich zum amerikanischen gut ausgeschildert zu sein.

2. Das Virus in Zahlen

Mit der Zahl der Corona-Toten haben wir uns gestern bereits beschäftigt, als sie die Millionenmarke übersprang. Mein Kollege Marco Evers ordnet die Zahl nun ausführlich ein : "Covid-19 tötet in diesem Jahr mehr Menschen als jede andere Infektionskrankheit. Wenn die Statistiker mit ihrer Projektion für das Gesamtjahr recht behalten, dann wird Covid-19 sogar mehr als dreimal so viele Menschen umbringen wie HIV/Aids und fünfmal mehr als Malaria im vergangenen Jahr."

Die Zahlen sind eindeutig:

  • Das 100 Millionstel Millimeter kleine Coronavirus dringt immer weiter vor: An jedem Tag verursacht es derzeit weltweit mehr als 300.000 Neuinfektionen.

  • Selbst der gesamte weltweite Straßenverkehr dürfte sich mit jährlich 1,3 Millionen Toten nicht annähernd als so tödlich erweisen wie Sars-CoV-2. 

  • An die 60 Millionen Menschen werden voraussichtlich in diesem Jahr sterben, an Herzschwäche, Krebs, Unfällen, Viren und Bakterien; schon in jedem 25. Fall davon könnte das Coronavirus die Ursache sein. 

Die ganze Analyse finden Sie hier: Was der Welt noch bevorsteht 

3. Wo Platz ist, platzt nichts

Über ein "akutes Blasenrisiko" berichtet mein Kollege Alexander Preker: Er ist zwar gerade aus dem Urlaub zurück (Wandern im Riesengebirge), hat aber keine Schuhe für unser Reiseressort getestet, sondern eine aktuelle Studie zum Wohnungsmarkt ausgewertet. Demnach sind, vielleicht nicht die überraschendste Erkenntnis, die Preise für Häuser und Wohnungen in vielen Metropolen so stark gestiegen, dass sich immer weniger Leute dort eine Immobilie leisten können. "Wer wie in Frankfurt oder München 6000, 10.000 oder gar 14.000 Euro pro Quadratmeter Wohnraum ausgibt, sollte sich fragen, ob diese hohen Preise wirklich nachhaltig sind", sagt Alex.

Laut der Schweizer Bank UBS sind die beiden Städte so überbewertet wie keine andere Stadt der Welt, rein finanziell gesehen versteht sich. Das bereits erwähnte Blasenrisiko sei größer als in New York, Tokio oder Tel Aviv. Eine Blase entsteht, wenn die Immobilienpreise sich stark und dauerhaft entkoppeln von Einkommen, Wirtschaftswachstum und Bevölkerungswanderung.

"Ob in Frankfurt eine Blase entsteht und ob sie platzt, dürfte auch von Boris Johnson abhängen - schließlich wollen mehr als ein Dutzend Banken wegen des Brexits ihren Sitz an den Main verlegen", sagt Alex. "Doch in Homeoffice-Zeiten könnte der Markt sich auch wieder entspannen." Aktuell rechne die UBS aber noch damit, dass "die Stadt für ihre Bürger zunehmend unbezahlbar" wird. 

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Was heute sonst noch wichtig ist

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Foto: Thomas Plaßmann

Und heute Abend?

Könnten Sie sich davon überzeugen, dass Politik auch amüsant sein kann, zumindest die europäische. Die Serie "Parlament", die mein Kollege Nils Minkmar empfiehlt,  spielt in Brüssel und handelt von EU-Abgeordneten und ihrer Entourage. Nein, nicht gähnen jetzt - Nils schreibt von dieser Serie, die in der ARD-Mediathek  abzurufen ist, als "einer komischen Sensation" und lobt das Drehbuch als "geistreich". Jedes Land werde hier "mit der ganzen Wucht vorrätiger Klischees veralbert". Für Deutschland geht Christiane Paul ins Rennen. Sie spielt die Politikberaterin Ingeborg, eine Frau, die immer bekommt, was sie will. Für Nils ist das, na klar, "eine Hommage an die Bundeskanzlerin".

In diesem Sinne: erst Abendessen, dann Sterne gucken.

Bis morgen. Herzlich

Ihr Oliver Trenkamp

Hier können Sie die "Lage am Abend" per Mail bestellen.

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