
Die Lage am Abend Die Krankenakte Potus

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
Als Trump wieder stand - Wie stabil sind die Abwehrkräfte des US-Präsidenten?
Nobelpreis für Auktionsforscher - Ein Hammer?
Verbote als Vorbote - Sind die Corona-Reisebeschränkungen unzulässig?
1. Widerstandskräfte
Über den früheren "New York Times"-Reporter Barry Bearak habe ich vor Jahren in einem "Geo"-Stück diese Anekdote gelesen: Als er 2008 über die Wahlen in Simbabwe berichtete und von Mugabes Leuten eingesperrt wurde, habe er sich wie befreit gefühlt. Alles sei besser, sagte Bearak demnach seiner Frau am Telefon, "als vier Geschichten am Tag für die Website schreiben zu müssen". Angeblich ein Scherz.
Manchmal scheint es, als würde auch der derzeitige US-Präsident den einen oder anderen Reporter am liebsten einsperren lassen. Ich hoffe nicht, dass meine Kolleginnen und Kollegen lieber im Knast säßen, als in dichter Folge über den US-amerikanischen Wahlkampf zu berichten und die Besetzung des Obersten Gerichtshofes und über den Gesundheitszustand des Präsidenten und den neuesten Trump-Tweet und, und, und... vielleicht frage ich aber besser auch nicht genauer nach. (Hier finden Sie Live-Daten zur Wahl.)
Meine Kollegin Julia Merlot jedenfalls hat sich jetzt mit der Frage beschäftigt, ob Trump wirklich schon immun sein kann gegen das Coronavirus, wie er behauptet. Ein Arzt, mit dem sie sprach, äußerte sich skeptisch - er bezweifelt, dass beim US-Präsidenten schon neutralisierende Antikörper nachgewiesen wurden. "Der Test ist aufwendig und dauert Tage, beschleunigen lässt sich das Verfahren auch für Trump kaum", sagt Julia. Twitter hat den Immunitätstweet des Präsidenten mit einem Warnhinweis versehen: wegen "Verbreitung irreführender und potenziell schädlicher Informationen im Zusammenhang mit Covid-19".
Lesen Sie hier mehr zu Trumps Corona-Infektion: Die Immunitätsfrage
Und hier die aktuelle SPIEGEL-Titelgeschichte: Lügen, bis der Arzt kommt
2. Versteigert und verstiegen
"Der Geist der Rose", so heißt kein verschollenes Buch von Umberto Eco und auch kein Werk, das irgendein Erbe aus Notizen des Autors posthum zusammengeschmiert hat, um es rechtzeitig zum Beginn der Frankfurter Buchmesse auf den Markt zu werfen, wo er dann in Video-Interviews (die Branchenveranstaltung ist wegen Corona fast komplett ins Netz gewandert ) darüber sinniert, was uns die Klosterarchitektur des Mittelalters über die Gewaltenteilung in Donald Trumps Amerika verrät.
Nein, der "Geist der Rose" ist der Titel eines Balletts. Und nach diesem Ballett wiederum wurde einer der größten je gefundenen Diamanten benannt: Der oval geschliffene Stein hat 14,83 Karat, Experten schätzen seinen Wert auf bis zu 32 Millionen Euro. Heute nun teilte das Auktionshaus Sotheby's mit, den Diamanten im November versteigern zu wollen.
Jeder weiß oder ahnt, wie so eine Versteigerung funktioniert. "Komplizierter wird es, wenn zahlreiche Interessenten um Güter wie CO2-Zertifikate oder Strommengen bieten", sagt mein Kollege David Böcking. Er berichtet über die Arbeit der beiden US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson, die heute von der schwedischen Reichsbank den Nobelpreis für Wirtschaft zugesprochen bekommen haben. "Wilson und Milgrom haben erforscht, wie Auktionen in solchen Fällen möglichst optimale Ergebnisse erzielen können", erklärt David. "Und sie haben auch ein neues Verfahren entwickelt, mit dem allein der amerikanische Staat über die Jahre rund 120 Milliarden Dollar für Mobilfunklizenzen eingenommen hat." Für diese Verbindung von Theorie und Praxis gibt es jetzt den Preis, einen feststehenden.
Mehr zu den Preisträgern und ihrer Auktionsforschung lesen Sie hier: Zwei Hammer-Forscher
3. Herbst ohne Ferien
Sie haben es mitbekommen: Große Hochzeitsfeiern und Privatpartys lassen die Corona-Infiziertenzahlen vielerorts in die Höhe schnellen, weshalb einige Landesregierungen de facto Urlaubssperren verhängen; mal gilt ein Beherbergungsverbot, mal braucht man einen negativen Test, mal zwei. Das Durcheinander gefährdet die Akzeptanz auch sinnvoller Regeln, wie meine Kollegen Kevin Hagen und Timo Lehmann berichten.
"Ich würde mich nicht wundern, wenn in den meisten Ländern bald nicht mehr viel vom jetzigen Beherbergungsverbot übrig bleibt", sagt Kevin. "Die Regel löst vermutlich keine Probleme, ist rechtlich fragwürdig und den Betroffenen kaum vermittelbar." Am Mittwoch beraten die Ministerpräsidenten wieder mit der Kanzlerin.
Mehr dazu lesen Sie hier: Das Risikoverbot
Was heute sonst noch wichtig ist
Ministerium droht mit Schusswaffengebrauch bei Protesten: Die Polizei in Belarus darf künftig "tödliche Waffen" gegen Demonstrantinnen und Demonstranten einsetzen. Als Grund nennt das Innenministerium eine angebliche Radikalisierung des Protests.
US-Behörden schalten gefährliches Bot-Netzwerk TrickBot ab: Über das TrickBot-Netz sollen Hacker weltweit Unternehmen und Haushalte angegriffen haben. Auch Attacken auf die US-Wahl waren befürchtet worden. Nun haben Microsoft und US-Behörden den Stecker gezogen.
Expertenkommission sieht Fehler bei Krisenmanagement in Ischgl: Tausende Urlauber sollen sich in Ischgl mit dem Coronavirus infiziert haben. Eine unabhängige Kommission hat untersucht, wie der Skiort zum Hotspot wurde, und dabei schwere Versäumnisse festgestellt.
Justizministerium verfasst Gesetzentwurf in weiblicher Form: Es geht um "Gläubigerinnen" und "Inhaberinnen": Das Justizministerium hat einen Gesetzentwurf im generischen Femininum verfasst. Das Innenministerium zeigt sich wenig begeistert.
Reformplan erschüttert englischen Fußball: Mehr Macht für die Großen, ein Rettungspaket für die Kleinen, und die Mittelklasse zahlt den Preis: Der englische Fußball soll sich radikal wandeln. Wer dafür ist - und wer dagegen.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Utopie in Flammen

Kalifornien stand immer für das bessere Amerika; es war ein Sehnsuchtsort, an den es viele zog. Die verheerenden Brände der vergangenen Wochen, die deprimierende Aussicht, dass es in den kommenden Jahren eher schlimmer werden dürfte, treibt nun aber Menschen fort, andere kämpfen um ihre Heimat.
Meine Kollegen Guido Mingels, Marc Pitzke und Daniel C. Schmidt sind durch den Bundesstaat gereist, haben mit Klimaflüchtlingen, Opfern und Brandbekämpfern gesprochen. Guido ließ sich von Umweltwissenschaftler Ed Smith erklären, wie man den Wald mit absichtlich gelegten Bränden schützen kann. "Mein wichtigstes Werkzeug ist der Flammenwerfer", sagt Smith.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
Nirgendwo wird der Brexit härter zuschlagen als hier: In Frankreichs größtem Fischereihafen wächst die Furcht vor dem endgültigen Brexit. Ohne die Gewässer vor der britischen Küste können die Fischer hier nicht überleben .
Der Unterschied zwischen einer hässlichen und einer ganz hässlichen Scheidung: Am Jahresende verlässt Großbritannien den EU-Binnenmarkt. Beiden Seiten droht ein Desaster: Verkehrschaos, Jobverluste, steigende Preise .
Mit Luft im Po zwei Prozent schneller: Am Bundesinstitut für Sportwissenschaft wurden Erektionen vermessen, Anabolika verabreicht und der Darm gebläht. Den Sport hat das nicht immer vorangebracht, trotzdem wird jetzt Jubiläum gefeiert .
"Am besten hat ein Modell abgeschnitten, das nur 100 Euro kostet": Sarah Vasconi von der Stiftung Warentest erklärt, was gute Matratzen auszeichnet und wie Sie das richtige Modell für ihre Schlafbedürfnisse finden .
Was heute nicht so wichtig ist
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: "Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate haben im vergangenen Monat die Aufnahme diplomatischer Beziehungen versiegelt."
Cartoon des Tages: Sperrstunde

Und heute Abend?
Könnten Sie sich aufs Sofa fallen lassen, sorry, in die Homelounge begeben, und der Lesung von Bestsellerautor Marc-Uwe Kling folgen. Der Mann, der mit einer Känguru-Satire berühmt wurde, hat den zweiten Teil seiner düsteren Zukunftsvision "Qualityland" geschrieben: Das Buch trägt den - nicht bahnbrechend überraschenden - Titel "Qualityland 2.0". Statt eine Lesereise zu unternehmen, trägt Kling einige Passagen im Exklusiv-Video auf SPIEGEL.de vor; dazu gibt's live eingespielte Jingles, so lustig kann Dystopie sein. (Hier geht es zum Video.)

Onkel von der Arbeitsgruppe Zukunft springt nicht über Kling, sondern begleitet ihn musikalisch
Ihnen einen schönen Abend, herzlich
Ihr Oliver Trenkamp
Hier können Sie die "Lage am Abend" per Mail bestellen.