Oliver Trenkamp

Die Lage am Abend Braucht Trump einen Kinderarzt?

Oliver Trenkamp
Von Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. Läuft bei denen - Wann mit verschnupften Kindern zum Kinderarzt?

  2. Weiße Kittel, Weißes Haus - Wie geht es Donald Trump wirklich?

  3. Zum Tod des Modedesigners - Was macht das Werk Kenzo Takadas aus?

1. Schnupfen

Den Grad der Zivilisation einer Gesellschaft kann man, sehr frei nach Dostojewski, am Zustand ihrer Kinderarztpraxen ablesen. Selbst ohne Corona drängen sich im Herbst und Winter Zweifel am gesellschaftlichen Kitt auf - dann prallen in den Praxen aufeinander:

  • von Panik erfüllte Eltern,

  • von panischen Eltern gestresste Kinder,

  • von panischen Eltern und gestressten Kindern überforderte Sprechstundenhilfen, 

  • von panischen Eltern und gestressten Kindern und überforderten Sprechstundenhilfen genervte Ärztinnen und Ärzte.

Jetzt gesellt sich zur Erkältungssaison auch noch die Corona-Pandemie. Schon vor Wochen mahnte etwa der Hamburger Kinderarzt Klaus Rodens im Gespräch mit meiner Kollegin Heike Le Ker: "Unser System wird zusammenbrechen" . Und im September warnte der Berufsverband: Bis 2025 werde ein Viertel aller Kinderärzte in den Ruhestand gehen. "Zunehmend wird es schwerer, für Kinder- und Jugendarztpraxen Nachfolger zu finden." Zu wenig Studienplätze, zu viel Bürokratie, zu wenig Geld für Praxen und Kliniken, so die Klage.

Damit Eltern ein bisschen besser einschätzen können, wann sie ihre Kinder abhorchen lassen müssen, hat meine Kollegin Lea Wolz  mit einer Kinderärztin und einer Apothekerin über all diese Fragen gesprochen: Was hilft bei Kindern gegen Husten, Schnupfen, Heiserkeit? Wann sollte man Fieber mit Medikamenten senken? Und was ist bei der Dosierung zu beachten?

2. Widersprüche

Kinderärzte haben es oft mit bockigen Patienten und widersprüchlichen Angaben zu tun; mit Kindern, die in einem Moment über Bauchschmerzen klagen und im nächsten aufs Regal klettern. Mit Unfallschilderungen, die sich unterscheiden, je nachdem, ob sie vom Vater, der Mutter oder dem Kitaerzieher stammen.

Bei der Covid-Erkrankung des US-Präsidenten geht es uns allen gerade ein bisschen wie einem Kinderarzt: Aus den offiziellen, halboffiziellen und inoffiziellen Äußerungen versucht die Welt, sich ein Bild zu machen vom Gesundheitszustand Donald Trumps. Das Problem: Die Angaben widersprechen sich, weisen Lücken auf, manche scheinen schlicht unwahr. Trump, seine Ärzte und sein Presseteam haben "ihre Glaubwürdigkeit längst verspielt", berichtet mein Kollege Marc Pitzke . "Selbst im Weißen Haus wissen viele nicht, was sie glauben sollen." Mittlerwelle teilte auch Trump-Sprecherin Kayleigh McEnany mit, sie habe sich infiziert.

Nach wie vor ist unklar, wann genau sich Trump infiziert hat, wann der erste Test positiv ausfiel und wie schlecht es ihm wirklich geht. Was etwa lässt sich ableiten aus der Angabe, Trump sei mit Steroiden behandelt worden? "Auch das spricht dafür, dass der Krankheitsverlauf des US-Präsidenten ernster ist", analysiert meine Kollegin Julia Köppe. "Zudem bekam Trump das Medikament Remdesivir, das ebenfalls nur bei schwer erkrankten Patienten empfohlen wird." (Mehr dazu lesen Sie hier.) Sicher wissen wir es aber nicht, wir werden die Widersprüche wohl noch eine Weile aushalten müssen. Vielleicht sollte sich Trumps Leibarzt mal mit einem Kinderarzt beraten.

3. Schlussapplaus

Der Modedesigner Kenzo Takada wollte früh eigene Wege gehen. "Mit kaum mehr als seinem Talent zog er als junger Mann von Japan nach Paris – und schuf eine Modemarke von Weltruhm", wie mein Kollege Philipp Löwe es ausdrückt.

Am Sonntag nun ist Kenzo Takada in einem Krankenhaus in Neuilly-sur-Seine bei Paris an Covid-19 gestorben, er wurde 81 Jahre alt. Philipp wirft einen Blick auf beeindruckende Bilder aus der beeindruckenden Karriere des Designers.

Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

  • "Sie haben Millionen Leben gerettet": In Blutkonserven lauerte lange eine tödliche Gefahr, inzwischen ist sie gebannt - vor allem durch die Arbeit der drei neuen Nobelpreisträger für Medizin - die Forscher entdeckten das Hepatitis-C-Virus.

  • Angriff vor Synagoge - Ermittlungen wegen versuchten Mordes: Die Ermittler werten den Angriff auf einen jüdischen Studenten vor einer Hamburger Synagoge nach ersten Erkenntnissen als versuchten Mord. Der Zentralrat mahnt die deutsche Gesellschaft, sich dem Hass gegen Juden entgegenzustellen.

  • Geflüchtete Syrerin erhält Nationalen Integrationspreis: Sie berät Frauen auf Arabisch, Kurdisch, Englisch und Deutsch beim Einleben in Deutschland: Für ihr Projekt ist die Syrerin Bjeen Alhassan nun mit dem Integrationspreis ausgezeichnet worden.

  • Mehr als 300 Menschen bei Protesten festgenommen: Bei der 8. Sonntagsdemo gegen Machthaber Lukaschenko sind in Belarus wieder Zehntausende auf die Straße gegangen. Laut Innenministerium wurden dabei Hunderte Menschen festgenommen.

  • Rätselhaftes Tiersterben vor Kamtschatka: Nach einem mysteriösen Massensterben von Tieren an der Küste der Halbinsel Kamtschatka suchen Experten nach der Ursache. Auch Menschen erlitten Verätzungen.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • "Merkel unterstützt unseren Kampf für Freiheit": Swetlana Tichanowskaja kämpft aus ihrem Exil in Litauen für einen Machtwechsel in Belarus. Was sie sich von ihrem Treffen mit der Bundeskanzlerin erhofft, erzählt sie hier .

  • "Zentren müssen lebendige Orte werden, autoarm oder autofrei": Viele Innenstädte veröden, immer mehr Ladenbesitzer geben auf. Städtetagspräsident Burkhard Jung möchte diese Entwicklung stoppen. Hier stellt er seine Ideen vor .

  • Psychologin rät zum Filterverzicht bei Selfies: Google will auf seinen Pixel-Smartphones künftig keine automatischen Schönheitsfilter mehr über Selfies legen. Die Psychologin Fanny Dietel lobt die Entscheidung, zweifelt aber an einer Trendwende .

  • So verkaufen Sie Ihre Immobilie zum besten Preis: Wer überstürzt handelt, verliert Geld. Dies sind die entscheidenden Schritte für Eigentümer, wenn sie ihre Immobilie verkaufen wollen .

Was heute nicht so wichtig ist

Hosen nicht im Bild

Hosen nicht im Bild

Foto: Walter Bieri / picture alliance / dpa
  • Punkesworte: Der Sänger Campino, 58, dessen Band einmal ein Album unter dem Pseudonym "Die Roten Rosen" herausbrachte, hat jetzt der "Rheinischen Post" Details über seine Hochzeit verraten, die er heimlich bereits im vergangenen Jahr in New York gefeiert hatte. Die Identität seiner Braut gab er allerdings nicht preis, die stehe ihm zufolge nicht gern in der Öffentlichkeit. Er verriet aber, dass sie ihn "Philipp" nenne: "Weil ich manchmal hinter ihr herlaufe wie Prinz Philip der Queen."

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: Er sei "super, super happy", wenn das Transfenster endlich schließe, sagte Flick nach jeder Menge Fragen zu Personalien in den vergangenen Wochen.

Cartoon des Tages: Pandemiedepressionen

Foto: Thomas Plaßmann

Und heute Abend?

Könnten Sie hoffen, dass es an der Tür klingelt. Wenn Sie großes Glück haben, sind es zwei Ihnen fremde Menschen, die Sie höflich fragen, ob sie bei Ihnen mal gründlich sauber machen dürfen. Mit so einer Aktion startete das Wiener Künstlerduo Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter alias Honey & Bunny vor fünf Jahren seine Recherchen zur "Kulturtechnik des Putzens".

Jetzt haben die beiden dazu einen ziemlich amüsanten Bildband veröffentlicht. "Eine komische Anleitung zum Wischen und Saugen" nennt mein Kollege Wolfgang Höbel das Buch - zugleich sei es auch "eine Warnung vor den Tücken der Drecksarbeit".

Fegefreude

Fegefreude

Foto: Sonja Stummerer & Martin Hablesreiter / Foto: Daisuke Akita / Böhlau

In diesem Sinne: Bleiben Sie sauber!

Herzlich

Ihr Oliver Trenkamp

Hier können Sie die "Lage am Abend" per Mail bestellen.

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