

Die Lage am Abend Das Astra-Durcheinander

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
AstraZeneca – Warum empfehlen die Briten etwas anderes als die Europäer?
Grüne Kanzlerkandidatur – Er oder sie?
Facebook-Leck – Warum so kleinlaut?
1. Per aspera ad AstraZeneca
Trotz der sehr selten auftretenden Blutgerinnsel im Gehirn: Die europäische Arzneimittelbehörde Ema empfiehlt den Coronaimpfstoff von AstraZeneca weiter für alle Erwachsenen, wie sie heute mitteilte. Der Nutzen von Vaxzevria, so der Name des Impfstoffs, wiege schwerer als die Risiken.
»Zwar wurden der Ema nur etwa ein bis zwei Fälle von Sinusvenenthrombosen pro 100.000 Geimpfte gemeldet«, erklärt meine Kollegin Heike Le Ker aus unserem Gesundheitsteam. »Möglicherweise liegt diese Zahl aber höher, denn sie ist abhängig davon, wie aufmerksam Ärzte und Geimpfte beobachten, dokumentieren – und melden.« Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wo sich die Zahlen einpendeln. Und ob es bei den Impfstoffen aus Russland (Sputnik) und den USA (Johnson & Johnson), die ebenso wie Vaxzevria auf der Basis von Adenoviren funktionieren, zu ähnlichen Vorfällen kommt.
Obwohl die Thrombosen den jetzt vorliegenden Zahlen zufolge vor allem bei jüngeren Frauen auftreten, empfiehlt die Ema – anders als Deutschland – Vaxzevria weiterhin für Frauen auch unter 60. »Gäbe es keine Alternativen, fände ich diese Entscheidung nachvollziehbar«, sagt Heike. »Mit den verfügbaren Impfstoffen von Biontech und Moderna aber, bei denen solche Nebenwirkungen bislang nicht beobachtet wurden, hätte ich eine Einschränkung der Nutzung von Vaxzevria für besser gehalten.«
Fast zeitgleich verkündeten die Briten, die AstraZeneca-Vakzine nicht mehr an Frauen unter 30 Jahren zu vergeben. »So haben wir ein ziemlich buntes Bild in Europa«, sagt Heike. »Das trägt nicht gerade zu einem Gefühl der Sicherheit bei.«
Lesen Sie hier mehr: Ema empfiehlt AstraZeneca weiterhin uneingeschränkt
2. Grüne Zeitplanung
Er oder sie? In der Daily Soap zur Grünen-Kandidatenkür lief heute die Folge »Der Termin« – und dabei ging es nicht um Friseure oder ums Impfen. Was bisher geschah: Annalena und Robert dürfen/sollen die Grünen gemeinsam als Spitzenduo in die Bundestagswahl führen. Was jetzt neu ist: Bis zum 19. April wollen/müssen sie sich einigen, wer aus diesem Spitzenduo als Kanzlerkandidatin oder Kanzlerkandidat herausragt. Endgültig soll dann der Parteitag im Juni entscheiden.
»Die Grünen treten auch deshalb so selbstbewusst auf, weil sie zumindest nach außen hin so geschlossen sind«, sagt mein Kollege Kevin Hagen aus unserem Hauptstadtbüro. »Sie inszenieren sich als vernünftiger Gegenentwurf zur Union: Während die K-Frage bei CDU und CSU für Chaos sorgt, schaffen die Grünen vermeintlich tiefenentspannt klare Verhältnisse.«
Ganz gleich, wer es wird – die Kampagnenstrategie ihres Parteifreundes Winfried Kretschmann werden sie nicht kopieren können. Der grüne Ministerpräsident hatte in Baden-Württemberg das Merkel-Motto »Sie kennen mich« plakatieren lassen. Über Baerbock und Habeck sagte noch Ende letzten Jahres in einer SPIEGEL-Umfrage gut jeder dritte Befragte: »Dieser Politiker ist mir unbekannt.«
Lesen Sie hier mehr: Grünenvorstand will am 19. April Vorschlag für Kanzlerkandidatur machen
3. Gesichtswahrungsversuche bei Facebook
Die Daten von 533 Millionen Facebook-Nutzern wurden veröffentlicht, darunter Telefonnummern, vollständigen Namen, Mailadressen. Die persönlichen Infos standen ungeschützt im Netz – die Nachricht ist vom Wochenende. Vier Tage hat der Konzern gebraucht, um eine erste ausführliche Reaktion zu formulieren.
»Das Ergebnis ist eine einzige Nebelkerzenparade«, findet mein Kollege Patrick Beuth aus unserem Netzwelt-Ressort. Seine Lieblingsstelle in dem Facebook-Statement: »Es seien zumindest ›keine Finanzinformationen, Gesundheitsinformationen oder Passwörter‹ betroffen. Will das Unternehmen dafür jetzt gelobt werden, oder was?«
Lesen Sie hier Patricks ganzen Kommentar: Facebook versucht, ein riesiges Datenleak kleinzureden
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Was heute sonst noch wichtig ist
Bundesregierung fordert Freilassung von Nawalny: Das Auswärtige Amt hat die Berichte über den Gesundheitszustand des inhaftierten Alexej Nawalny als »beunruhigend« bezeichnet. Der russische Oppositionelle werde widerrechtlich in einem Straflager festgehalten.
Chinas Staatschef beklagt sich über »Störungen«: Die EU hat Sanktionen gegen China wegen Verletzung von Menschenrechten verhängt. Staatschef Xi fordert in einem Telefonat mit Kanzlerin Merkel jetzt mehr Kooperation statt Einmischung.
Kundschafter ins Unbekannte: Seit 50 Jahren ersehnen Forscher Einblicke in die Welt jenseits der bekannten Naturgesetze. Mit den Erkenntnissen aus dem Myon-g-2-Experiment könnte sich das Tor zu einer neuen Physik öffnen.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
»Alle Werkzeuge zur Pandemiebekämpfung sind da. Man muss sie nun auch nutzen«: Einen »Brücken-Lockdown«, wie ihn CDU-Chef Laschet vorschlägt, hält Bayerns Gesundheitsminister Holetschek für wenig sinnvoll. Stattdessen will er auf Erstimpfungen setzen.
Wie Apple das Auto revolutionieren will: Seit Jahren arbeitet Apple am iCar, jetzt wird es ernst: Die globalen Autobauer zittern, schließlich zertrümmert der Techriese Konkurrenten in Serie. Aber was genau planen die Silicon-Valley-Ingenieure?
»Meine Gesundheit zählt nicht«: Millionen Beschäftigte in Deutschland haben Angst, sich mit Corona zu infizieren – weil ihr Betrieb den Arbeitsschutz missachtet. Fünf Betroffene erzählen von ihrem Berufsalltag ohne Homeoffice und Hygienemaßnahmen.
Was steht heute auf Ihrem Einkaufszettel? – »Zigaretten, Benzin, Erdnussflips«: Mit seiner Band Scooter hatte er den Hit zur Coronakrise: »FCK 2020«. In unserem Fragebogen gibt Hans Peter Geerdes alias H.P. Baxxter Antwort auf die großen – und die kleinen – Fragen des Lebens.
Was heute nicht so wichtig ist

Hairschaft des Geldes?
Foto: Carlo Allegri / REUTERSWerteverfall: Donald Trump, 74, ehemaliger US-Präsident, ist auf der Reichenliste des US-Wirtschaftsmagazins »Forbes« um fast 300 Plätze zurückgefallen. Demnach schrumpfte sein Vermögen um fast ein Drittel von 3,5 auf 2,4 Milliarden Dollar, damit liegt er noch auf Platz 1299 von 2755 – so viele Menschen verfügen laut der Zählung über mindestens eine Milliarde Dollar.
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Inwiefern das Virus direkt das Gehirn angreift, ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen weitweit.«
Cartoon des Tages: Endlich! Mehr Lebenswirklichkeitsbezug im Unterricht

Und heute Abend?
Könnten Sie sich die Zeit damit vertreiben zu erraten, welches prominente Elternpaar sein Kind Rosenrot nennt und welches X Æ A-XII. Meine Kollegin Maren Keller hat gewissermaßen die Patenschaft bei dem Thema übernommen und ein Quiz über ungewöhnliche Vornamen zusammengestellt – Sie finden es hier.
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp
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