

Die Lage am Abend Friedrich Merz, der Terminator der deutschen Politik

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
Corona-Gipfel – Wie locker wird die Lockdown-Verlängerung?
Politischer Terminator – Provoziert Friedrich Merz den nächsten Machtkampf in der CDU?
Kampfmaschinen – Lässt das Pentagon autonome Waffensysteme bauen?
1. Gelockerter Lockdown
Bis zum 28. März soll dieser Lockdown also weitergehen, aber gelockert. Darauf deutet eine Beschlussvorlage für das morgige Videotreffen von Kanzlerin und Ministerpräsidenten hin. Vielleicht darf man dann offiziell mehr als eine Person als Besuch empfangen. Vielleicht geht es auch bei den Kitas und Schulen voran, allerdings fehlt es wohl an ausreichend Schnelltests. Angela Merkel jedenfalls beharrt auf einer »Notbremse, wenn die Zahlen wieder hochgehen«, wie zu hören ist. Genau wissen werden wir es wohl erst morgen.
Es kursieren zig Vorschläge, Zitate, Vorwürfe. »Spitzenpolitiker und -politikerinnen überbieten sich gerade mit neuen Corona-Strategien«, sagt meine Kollegin Julia Köppe aus unserem Wissenschaftsressort. Einige der Ideen sind aus Forschungssicht riskant. »Die Infektionszahlen steigen – kein besonders guter Zeitpunkt für Lockerungen«, sagt sie. Wie gut Deutschland durch die sich anbahnende dritte Welle kommen wird, hänge vor allem davon ab, wie schnell Impfungen vorangehen und ob Schnelltests klug eingesetzt werden.
Die ganze Analyse lesen Sie hier: Stufenplan, Impfen, Schnelltests – das sind die Chancen und Gefahren
Alle aktuellen Corona-Nachrichten finden Sie hier: Das News-Update zur Pandemie
2. Kampfmaschine aus dem Sauerland
Der T1000 der deutschen Politik heißt Friedrich Merz. Die nahezu unzerstörbare Kampfmaschine aus dem besten Terminator-Film (»Tag der Abrechnung«) übersteht fast jedes Gefecht, der CDU-Politiker taucht nach jeder Abstimmungsniederlage wieder auf. An die CDU-Spitze hat er es zweimal nicht geschafft. Sein Angebot, als Wirtschaftsminister ins Kabinett einzutreten, hat die Kanzlerin überhört. Jetzt will er wenigstens wieder in den Bundestag und in seinem alten Wahlkreis als Direktkandidat antreten, wie meine Kollegen Florian Gathmann, Kevin Hagen und Veit Medick berichten. Am Abend bestätigte Merz entsprechende Andeutungen und Gerüchte: »Ich hätte große Freude daran, die Menschen und unsere Region im Bundestag zu vertreten.«
Das Problem: Im Hochsauerlandkreis gibt es schon einen CDU-Abgeordneten. Seit 2009 vertritt der Innenexperte Patrick Sensburg den Wahlkreis im Bundestag – und würde das gern auch weiterhin tun. Bei ihm ist die Freude entsprechend gedämpft. »Ich bleibe dabei: Ich trete wieder an«, sagt er. »Wenn es sein muss, scheue ich auch keine Kampfkandidatur.«
Warum provoziert Merz den nächsten Machtkampf? »Ich glaube, er hat das Gefühl, den Kampf um die Parteispitze zu knapp verloren zu haben, um ganz auszusteigen aus der Politik«, sagt Veit. »Was immer sich aus einem Bundestagsmandat auch entwickeln würde – er nähme es gern.« Das Risiko: »Er droht, als jemand dazustehen, der nicht loslassen kann. Der auf Teufel komm raus mitmischen will.« Vielleicht ist es so: Der T1000 kann seine Gestalt wechseln, Merz nicht aus seiner Haut. Fragt sich, wer die Rolle Arnold Schwarzeneggers übernimmt.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Angriff aus dem Sauerland
3. Kampfmaschinen auf dem Schlachtfeld
In den Terminator-Filmen wendet sich die Künstliche Intelligenz gegen ihre Erschaffer, also uns Menschen. Ich habe das lange für Science-Fiction gehalten – in den Worten meines Kollegen Christoph Seidler aus unserem Wissenschaftsressort: »Wer einmal einen Computer bedient hat, wer sich mit Abstürzen und vergrützten Updates herumgeschlagen hat, der kann die Vorstellung nur grotesk finden, dass Maschinen über Leben und Tod entscheiden.«
Aber offenbar sind wir näher dran am Cyberdyne-Skynet-Moment, als ich dachte: »Die enormen technologischen Fortschritte, die in den letzten Jahren in den Bereichen der Robotik und der künstlichen Intelligenz erzielt wurden, haben diese Vorstellung autonom agierender Waffen an die Schwelle zur konkreten Umsetzung gerückt«, heißt es etwa in bestem Roboterdeutsch in einem Gutachten des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag. In den USA empfehlen Pentagon-Berater dem neuen Präsidenten Joe Biden jetzt, Amerika müsse ganz, ganz vorn dabei sein, wenn es um die Entwicklung solcher Waffensysteme geht. Sonst übernehme China diesen Platz.
»In der Militärtechnik vollzieht sich aber gerade eine Revolution, die dritte grundlegende nach der Erfindung des Schwarzpulvers und der Atomwaffen«, berichtet Christoph, der das Pentagon-Papier analysiert hat. »Auch für uns in Deutschland ist das keine rein akademische Debatte. Die Bundesrepublik verhandelt mit Frankreich und Spanien gerade über den Bau eines ›Future Combat Air System‹. Das würde neben einem Kampfflugzeug, das den ›Eurofighter‹ ablösen soll, auch sogenannte Remote Carrier umfassen. Und diese unbemannten Flugkörper hätten dann wohl zumindest einige autonome Funktionen.«
Einziger Trost: Atomwaffen wollen auch die Pentagon-Berater nicht maschinell steuern lassen. Sarah Connor sagt am Ende von »Terminator 2«: »Die unbekannte Zukunft rollt auf uns zu, und zum ersten Mal sehe ich ihr mit einem Gefühl der Hoffnung entgegen.« So weit würde ich nicht gehen.
Hier die ganze Analyse: Wettlauf der Kampfroboter
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Was heute sonst noch wichtig ist
USA verhängen im Fall Nawalny Sanktionen gegen Russland: Nach der EU verhängen auch die USA im Fall Nawalny Strafmaßnahmen gegen russische Unternehmen und Funktionäre. Moskau gibt sich von den EU-Sanktionen indes unbeeindruckt.
Ungarn muss geflüchteter Familie Entschädigung zahlen: Immer wieder wurde Ungarn für die katastrophalen Bedingungen im Flüchtlingslager Röszke kritisiert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nun in einem besonders krassen Fall ein Urteil gesprochen.
Britische Studie belegt hohe Wirksamkeit nach erster Dosis: Zahlen aus Großbritannien zeigen, dass Krankenhausaufenthalte von Hochbetagten nach der ersten Corona-Impfung um rund 80 Prozent zurückgegangen sind. Auch die Sterblichkeit sank.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
Die 47 Angeklagten: Acht Monate nach Verhängung des drakonischen Sicherheitsgesetzes steht die Führung von Hongkongs Opposition vor Gericht. Ihr Vergehen? Sie wollten die Regierung abwählen.
Wer einen Laden eröffnet, bleibt mietfrei: Erst der Onlinehandel, dann die Pandemie: Die Fußgängerzonen drohen auszusterben. In der niedersächsischen Stadt Hameln geht der Oberbürgermeister nun mit ungewöhnlichen Mitteln dagegen vor.
Papageien in Plastikflaschen: Tausende Dollar bringen seltene Vögel auf dem Schwarzmarkt. Um sie zu verschiffen, greifen Tierhändler zu brutalen Methoden.
Was heute nicht so wichtig ist

Buckingham Palace / AP
Standbildäußerung in Bewegtbildkonferenz: Queen Elizabeth II., 94, Trägerin des etwas länglichen Titels »Von Gottes Gnaden Königin des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland und ihrer anderen Königreiche und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidigerin des Glaubens«, hat sich vergnügt über eine Statue geäußert, die ihr zu Ehren im australischen Adelaide errichtet wurde. In einem Videotelefonat mit führenden Politikern des Bundesstaates South Australia sagte sie: »Man könnte denken ›Grundgütiger, ist sie unerwartet angereist?‹«
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Stattdessen haben sie sich die wohlhabenden Länder des Nortdens ein Vielfaches der Impfstoffmengen gesichert, die sie für die Versorgung ihrer eigenen Bevölkerung benötigen.«
Cartoon des Tages: Öffnungsdiskussionsorgie

Und heute Abend?
Könnten Sie anfangen, den neuen Roman von Christian Kracht zu lesen, »Eurotrash«. Wenn Sie Glück haben, hat der Buchhändler in Ihrem Viertel oder ihrem Ort noch seinen Fensterverkauf offen und hat es vorrätig, notfalls müssten Sie aufs E-Book ausweichen. Kracht jedenfalls ist berühmt geworden mit seinem Roman »Faserland«, »der Geschichte einer Reise von Nord nach Süd, auf der sich ein ästhetisch hochempfindlicher Einzelgänger an der westdeutschen Gesellschaft der Neunzigerjahre abarbeitete«, so beschreibt es mein Kollege Sebastian Hammelehle, Leiter des Kulturressorts. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist seit »Faserland« vergangen, Kracht hat weitere tolle Romane geschrieben und zwischendurch auch mal eine Zeit lang für den SPIEGEL gearbeitet.
Sein neues Buch wird als Fortsetzung des Debüts angepriesen, und Sebastian schreibt auch: »›Eurotrash‹ ist wie ›Faserland‹ eine Reiseerzählung.« Allerdings gehe es diesmal »nicht um Erlebnisse am Gate des Flughafens oder im Bordtreff des ICE, sondern um eine Reise ins Ich. Das Buch liest sich wie der Bericht einer Psychoanalyse. Die eigentliche Hauptfigur, wie könnte es in einer Psychoanalyse anders sein, ist dabei nicht der Erzähler. Es ist seine Mutter.« Sebastian ist von der erschütternden Familiengeschichte, wie Kracht sie aufgeschrieben hat, ziemlich beeindruckt. (Hier die ganze Rezension.)
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp
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