

Die Lage am Abend Das Büro, eine lebensfeindliche Umgebung

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
Office-Offenbarung – Warum bleiben so wenig Büroarbeiter zu Hause?
White House Down – Wie ist die Stimmung bei Trumps Mitarbeitern?
20 Jahre Wikipedia – Wer hat das Nachsehen?
1. Die Heimbürokratie
»Warum gibt es keine Pflicht zum Homeoffice überall dort, wo es auch nur entfernt geht? Wieso ist buchstäblich jeder Kinderspaziergang härter reguliert als die Arbeitsplätze?«, fragte unser Kolumnist Sascha Lobo vor wenigen Tagen. Wirkt ja auch absurd: Schulen und Kitas schließen, viele Firmen bestehen auf der Anwesenheit ihrer Mitarbeiter.
Wer bei Büroarbeitern nachfragt, hört immer wieder ähnliche Geschichten: Da zwingen maskenlose Führungskräfte ihre Leute in Konferenzräume, da führt die Abteilungsleiterin ihre Personalgespräche nur persönlich, da lassen sich Akten nur vor Ort bearbeiten, da verabreden Kollegen gleichzeitige Präsenztage, um sich endlich mal wiederzusehen, so richtig, nicht nur auf dem Bildschirm.
Offenbar ist eine weitgehende Homeoffice-Pflicht tatsächlich rechtlich nicht so einfach zu machen, wie sich viele das wünschten (mehr dazu lesen Sie hier). Aber jetzt nimmt die Debatte noch einmal Fahrt auf. Die Politik scheint es nicht bei vorsichtig-dringenden Appellen belassen zu wollen.
Vor allem die Grünen machen Druck, heute meldete sich aber auch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil zu Wort: »Willkürlich Homeoffice zu verweigern, wäre jetzt unverantwortlich«, sagte er dem Sender »NDR Info«. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will einen bayerischen »Homeoffice-Gipfel« mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern einberufen, voraussichtlich diesen Mittwoch. Das Thema bleibt auf Wiedervorlage.
Mehr dazu lesen Sie hier: Heil und Söder fordern von Arbeitgebern mehr Homeoffice ein
2. White House Down
»Ich glaube, im Moment besteht der Alltag schlicht daraus, dass das Personal versucht, jeden einzelnen Tag ohne weitere größere Schäden zu überstehen.« Das sagt kein gestresster Betriebsrat über das Homeoffice, das sagt Mick Mulvaney, der ehemalige Stabschef von Donald Trump, über die Situation im Weißen Haus. Er trat von seinem Amt als Nordirland-Beauftragter zurück, um deutlich zu machen, dass es bei den Republikanern Leute gibt, die den Angriff auf das Kapitol für »eine Schande und eine Farce« halten, wie er meinem Kollegen Alex Sarovic erzählte. Mulvaney: »Wir wollen damit nicht in Verbindung gebracht werden.«
Alex interessierte sich vor allem dafür, wie Mulvaney und andere Trump-Mitarbeiter ihre eigene Rolle sehen: Weshalb schlossen sie sich der Regierung ursprünglich an? Bereuen sie es heute? Alex sagt: »Ohne diejenigen, die ihm zuarbeiteten, sich ihm unterwarfen und ihn trugen, hätte Trump das Land nämlich nicht in die Krise treiben können, die es nun durchlebt.«
Bei Mulvaney mischten sich Ideologie und Karrierismus. »Den Angriff auf das Kapitol scheint er wirklich für schändlich zu halten«, sagt Alex. »Was sein übriges Wirken in der Trump-Regierung angeht, ist von Reue aber keine Spur.« Die US-Demokraten wiederum haben heute ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Nochpräsident Trump eingeleitet.
Das ganze Gespräch lesen Sie hier: »Das Personal im Weißen Haus versucht, jeden einzelnen Tag zu überstehen«
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3. Wer hat das Nachsehen?
Das Home Office, getrennt geschrieben, »(früher auch Home Department) ist die Bezeichnung des britischen Innenministeriums«, wieder was gelernt, dank Wikipedia. Die Online-Enzyklopädie wird in wenigen Tagen 20 Jahre alt, sie ging am 15. Januar 2001 ans Netz. Meine Kollegin Judith Horchert und mein Kollege Patrick Beuth haben zu diesem Anlass mit dem Mitgründer Jimmy Wales und dem ehemaligen Geschäftsführer von Wikimedia Deutschland, Pavel Richter, gesprochen.
In dem Interview geht es um Verschwörungstheoretiker, nervige Spendenbanner, die ungeschriebenen Gesetze der Wikipedia-Community und den »last best place on the internet«, wie »Wired« die Enzyklopädie mal nannte. Wales sagt: »Wikipedia entstand in einer Ära, als viele, ich eingeschlossen, das Gefühl hatten, die meisten Menschen seien grundsätzlich gut.« Er teilt auch ordentlich gegen soziale Netzwerke aus, die er »sehr ungesunde Räume im Netz« nennt, und verteidigt, was die Wikimedia Foundation, die Stiftung hinter der Online-Enzyklopädie, einsteckt – nämlich Millionenspenden von Google und Amazon: »Wir würden nie eine Spende akzeptieren, die unsere redaktionelle Unabhängigkeit kompromittiert.«
Richter wiederum erklärt in einem Satz das ganze Prinzip des Gemeinschaftsprojekts: »Zu Galileos Zeiten hätte in der Wikipedia gestanden, die Sonne dreht sich um die Erde, denn das war damals der Konsens, auch wenn es falsch war.« Kurz nachschauen, der Eintrag über Galilei bei Wikipedia ist sehr umfangreich. Wussten Sie, dass der 1592 das Thermoskop erfunden hat, das erste nachweisbare Temperaturmessgerät? Wieder was gelernt.
Lesen Sie hier das ganze Gespräch: »Wir würden nie eine Spende akzeptieren, die unsere redaktionelle Unabhängigkeit kompromittiert«
Was heute sonst noch wichtig ist
Biden will William Burns als CIA-Chef nominieren: Der künftige US-Präsident Joe Biden hat sich für den künftigen CIA-Chef entschieden. Der erfahrene Diplomat William Burns soll den Geheimdienst übernehmen.
Biontech will zwei Milliarden Impfdosen liefern: Die Impfstoffhersteller Biontech und Pfizer wollen ihre Lieferung 2021 um bis zu 700 Millionen Dosen aufstocken. Das neue Ziel ist vor allem durch effizientere Nutzung der Ampullen möglich.
Bundesregierung will Mutationen des Coronavirus schneller aufspüren: 200 Millionen Euro will der Bund im Kampf gegen neue Varianten des Coronavirus bereitstellen. Damit sollen Labors künftig besser nach Virusmutationen suchen können. Die Bundesregierung reagiert damit auf massive Kritik.
Saudi-Arabien plant Millionenstadt ohne Autos: Saudi-Arabien ist einer der größten Erdölproduzenten der Welt. Nun will das Königreich eine Ökostadt der Superlative bauen – 170 Kilometer lang, autofrei, ohne Straßen.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
Was die Generation Merkel mit der CDU plant: Sechs junge Frauen, die in der CDU unter Angela Merkel Karriere gemacht haben, erzählen, wen sie sich als Parteivorsitzenden wünschen – und wie sich die Union verändern muss.
»Wir als Eltern dürfen in diesem Hilfslehrer-Job nicht ausbrennen«: Homeschooling strengt an – Kinder, Eltern und die Lehrkräfte. Wie es gelingen kann? Ein Mathe-YouTuber, eine Pädagogin und eine Journalistin vom Kinderfernsehen teilen ihre Erfahrungen.
Die AfD macht Stimmung gegen den deutschen Oscarbeitrag: Die Rechtspopulisten wollen nicht, dass ein Film gefördert wird, der die Antifa positiv darstellt. Die Branche fürchtet, politische Stoffe könnten es künftig schwerer haben.
Was heute nicht so wichtig ist

Vier von der Schwankstelle
Foto: © Kieran Doherty / Reuters/ REUTERSHöhepunkt für Serienfans: Die Schauspielerin Sarah Jessica Parker, 55, kehrt zurück in die Rolle der Kolumnistin Carrie Bradshaw aus der Serie »Sex and the City«, wie der Streamingdienst HBO Max mitteilte. Demnach wird die neue Serie »And Just Like That« heißen und auf dem Original aufbauen. Auch Cynthia Nixon, 54, und Kristin Davis, 55, spielen wieder Charlotte York und Miranda Hobbes. Es fehlt Kim Cattrall, 64, in der Rolle der Samantha Jones. Auf Instagram erschien ein kleiner Videoteaser mit Szenen aus Manhattan, Davis kommentiert: »Alles ist möglich. Wir treffen uns dort!«
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Die Richter wiesen am Montag eine Beschwerde der AfD-Fraktion zurück, die die Rechtsmäßigkeit der Sitzverteilung anzweifelte.«
Cartoon des Tages: Versuch einer Annäherung

Und heute Abend?

Autorin Jachmann
Foto: Marlen Mueller / Knesebeck VerlagKönnten Sie darüber nachdenken, was Ihnen wirklich wichtig ist – und dann ausmisten (für noch einen Neujahrsvorsatz ist es ja noch nicht zu spät). In unserem »Smarter leben«-Podcast erklärt die Minimalistin Lina Jachmann, wie es funktioniert, nur Dinge zu besitzen, die ihr wirklich etwas bedeuten. (Hier können Sie ihr zuhören.)
In diesem Sinne: Weniger ist weniger.
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp
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