
Die Lage am Abend In Deutschland stirbt man früher – vor allem als Mann
Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
Früher sterben – warum ist die Lebenserwartung in Deutschland so niedrig?
Trauzeugenaffäre – hält Habeck an seinem Staatssekretär fest?
Ukrainekrieg – wankt Goliath Russland?
1. Deutsche sterben früher
Trotz hoher Gesundheitsausgaben sterben die Menschen in Deutschland im Durchschnitt deutlich früher als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Das zeigt eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Frauen haben demnach eine Lebenserwartung von 83,5 Jahren. Im Ranking von 16 westeuropäischen Ländern liegt Deutschland damit auf Platz 14. Männer kommen auf 78,8 Jahre – Platz 15.
Noch schlechter sieht es nur für die Männer in Portugal aus. Wohingegen die Männer in der Schweiz um gut drei Jahre länger leben als die Deutschen. Bei den Frauen liegt Spanien an der Spitze in Europa mit einer Lebenserwartung von 86,2 Jahren. Das sind gut zweieinhalb Jahre mehr als bei Frauen in Deutschland.
Laut Studie sind vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen für das frühere Sterben verantwortlich. Also Krankheiten, die sich in vielen Fällen vermeiden ließen, was das deutsche Gesundheitswesen noch einmal schlechter aussehen lässt. Die Mortalitätsforscher vermuten, dass es Defizite bei der Vorbeugung gebe. Allzu oft komme die Diagnose zu spät für eine erfolgreiche Behandlung.
Die Studie sagt auch: Bei Deutschlands Männern zeigten sich schon ab 50 Rückstände. Umso wichtiger sei, dass man sich gesundheitsbewusst verhalte, bewege, ernähre.
Ich überlasse Ihnen, was Sie mit dieser Information anfangen, liebe Männer meiner Alterskohorte.
Lesen Sie hier mehr: Menschen in Deutschland sterben früher als in anderen westeuropäischen Ländern
2. Die Opposition zählt Habeck an
Die Opposition im Bundestag hat heute die Entlassung des beamteten Staatssekretärs Patrick Graichen aus dem Wirtschaftsministerium gefordert – und den Minister Robert Habeck (Grüne) angezählt. Beide mussten am Mittag zur Befragung in eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaft sowie für Klimaschutz und Energie, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Den Antrag auf eine öffentliche Sitzung hatte die Ampel abgelehnt. Am Nachmittag stand eine Aktuelle Stunde im Parlament an.
Nachdem Graichen versucht hat, einen alten Freund, seinen Trauzeugen, zum Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur zu machen, ohne seine Befangenheit transparent zu machen (hier die Hintergründe ), sind sich Oppositionsvertreter von Friedrich Merz (CDU) über Dietmar Bartsch (Linke) bis Beatrix von Storch (AfD) auf seltene Weise einig: Graichen müsse gehen.
Kritik gibt es wegen weiterer privater Verflechtungen im Wirtschaftsministerium. Graichens Schwester, verheiratet mit dessen Staatssekretärskollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ihr Bruder beim Öko-Institut – einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. »Schafft Robert Habeck es nicht, sich von Graichen zu trennen, steht nicht länger der Staatssekretär zur Disposition, sondern der Minister selbst«, so Bartsch.
Doch Graichen hat sich offenbar auf seinem Stuhl festgeklebt. Auch Habeck vermittelt bislang den Eindruck, als könne er die Trauzeugenaffäre vielleicht doch aussitzen: »Ich habe entschieden, dass Graichen nicht gehen muss«, sagte er. Graichen sei ein Fehler unterlaufen, ja, aber dieser werde nun korrigiert. Inwieweit Beamtenrecht tangiert sei, werde noch geprüft.
Der Staatssekretär habe große Verdienste um Deutschlands Energieversorgung erworben, so Habeck bereits letzte Woche. Offenbar leitet er daraus eine Art Moralrabatt ab. Seine Parteifreunde verhalten sich bislang ruhig.
Tatsächlich hätte der Minister wohl Schwierigkeiten, Graichen zu ersetzen. Sein Masterplan für die Energie- und Wendewende stammt zum Gutteil aus dessen Feder. Vertreter von SPD und FDP sagen, man habe in Koalitionsrunden öfter das Gefühl gehabt, Graichen sage Habeck, wo es langgeht, und nicht etwa umgekehrt.
Aber glaubt Habeck wirklich, er könne mit einem derart angeschlagenen Staatssekretär weitermachen, seine Energiewende umsetzen, die Deutschen vom Heizungstausch überzeugen? In den Umfragen ist er abgerutscht; die Trauzeugenaffäre zieht auch seine Partei nach unten.
Sollte die Bürgerschaftswahl in Bremen am kommenden Sonntag zur Niederlage werden, könnte es mit der Ruhe bei den Grünen vorbei sein.
Lesen Sie hier mehr: Opposition fordert Graichens Entlassung – und zählt Habeck an
3. Wankt Goliath Russland?
Nach der kümmerlichen Militärparade gestern in Moskau sieht der führende Nato-Admiral Rob Bauer Russland in einer zunehmend schwierigen Lage. »Goliath wankt«, sagte Bauer, Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, in Brüssel in Anspielung an die Bibelgeschichte von David und Goliath. Die Ukrainer wären demnach der Hirtenjunge David, der den Riesen Goliath mit der Steinschleuder bezwingt.
Dazu passt, dass die USA heute den Abschuss einer russischen Hyperschallrakete bestätigten, von dem am Wochenende die Ukraine berichtet hatte. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Waffe als »unverwundbar« durch westliche Abwehrsysteme gelobt. Nun aber hätten sie die Ukrainer mithilfe des US-System Patriot abgefangen, so ein Pentagon-Sprecher.
Westliche Militärexperten rechnen damit, dass die Ukraine Gegenangriffe vorbereitet, um von den Russen besetzte Gebiete zurückzuerobern. Deutschlands Generalinspekteur Carsten Breuer sagte heute, »die Planungen für die ukrainische Offensive laufen«. Doch sei der Boden immer noch morastig, die Voraussetzungen daher nicht gegeben.
Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:
Drohnenangriff auf russische Militärbasis – offenbar mehrere Verletzte: Drohnen haben sich in der Nacht offenbar einem russischen Militärstützpunkt unweit der Ukraine genähert. Berichten zufolge gab es mehrere Verletzte. Ein Gouverneur spricht dagegen von einem erfolgreichen Abschuss.
London sieht in Siegesparade auf Rotem Platz Zeichen für russische Schwäche: Die spärlich bestückte Parade zum »Tag des Sieges« über Nazideutschland zeigt nach britischen Angaben, wie stark beansprucht die Kremltruppen sind. Dass nur ein einziger Panzer mitfuhr, habe aber andere Gründe.
Ukrainischer Außenminister dämpft Erwartungen an Offensive: Die Frühjahrsoffensive der Ukraine steht offenbar kurz bevor. Doch Minister Dmytro Kuleba warnt vor allzu großen Hoffnungen auf militärische Erfolge – und bittet erneut um Kampfjets.
»Je später die Offensive kommt, desto besser«: Kiews Truppen bereiten ihren lang erwarteten Großangriff mit westlichen Waffen vor. Militärexperte Franz-Stefan Gady beantwortet die brutale Frage, was dabei ein Erfolg wäre.
Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update
Was heute sonst noch wichtig ist
Was zahlt der Bund den Ländern zusätzlich, damit sie Geflüchtete unterbringen können? Nach SPIEGEL-Informationen gibt es noch keine Einigung. Die Fronten sind am Abend offenbar verhärtet. Alle aktuellen Entwicklungen im Newsblog.
Schröder feiert in russischer Botschaft – Krenz und Chrupalla auch dabei: Seine Treue zu Russlands Machthaber Putin hat seinen Ruf in Deutschland ruiniert, doch Gerhard Schröder ficht das nicht an: Das zeigt jetzt ein Termin des Altkanzlers in Berlin.
Arbeitgeberpräsident kritisiert Deutschlands Chinakurs: Ob Taiwan, Menschenrechte oder Ukrainekrieg: Die Bundesregierung streitet mit China über viele Themen. Damit, findet der Präsident der Arbeitgeberverbände, »sind wir völlig auf dem Holzweg«.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Gamerin – ein ehrbarer Beruf
Wer sich Sorgen macht, dass das eigene Kind ständig am Computer abhängt, sollte zur Beruhigung das Porträt der E-Sportlerin Mareike Burg lesen. Die 24-Jährige ist Expertin für das Spiel »League of Legends« und hat es als erste Frau in die höchste deutsche Liga geschafft. Schon als Kind habe sie viel am Gameboy gespielt, erzählte sie meinem Kollegen Pelle Kohrs. Heute verdient sie unter dem Namen »Sayna« ihr Geld bei den »Unicorns of Love«, einem Profiteam aus Hamburg. Gamerin – ein ehrbarer Beruf.
Bei »League of Legends« stehen sich zwei Teams mit jeweils fünf Personen auf einem virtuellen Schlachtfeld gegenüber. Ziel ist es, das gegnerische Hauptgebäude zu zerstören, dazu braucht es Taktik, Teamgeist und schnelle Reflexe. Der tägliche Trainingstag von Mareike Burg beginnt mit einer Mannschaftsbesprechung mittags um 12 Uhr und endet gegen 21 Uhr. Ligaspiele sind meist am Donnerstag oder Freitag und werden via Livestream von bis zu 60.000 Zuschauern verfolgt.
Ein einziger Tag pro Woche ist frei. Soviel zum Thema Abhängen.
Sie finden das Porträt in der neuen Ausgabe von »Dein SPIEGEL«, unserem Nachrichtenmagazin für Kinder. Das Heft gibt es am Kiosk oder auch bei meine-zeitschrift.de und Amazon .
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wie es eine E-Sportlerin in die oberste deutsche Liga schaffte
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
»Das sind die Kinder der Täter aus den Baseballschlägerjahren«: Brandenburger Jugendliche sollen Berliner Schüler in einer Jugendherberge rassistisch bedroht haben. Die Opferberaterin Anne Brügmann überrascht das nicht. Selbst die Gerichte in der Region nähmen das Problem nicht ernst.
Fällt auch diese rote Bastion? Die Bremer Linken gehören zu den letzten Hoffnungsträgern einer dahinsiechenden Partei. Doch statt Rückenwind gibt es aus dem Bund nur Zoff um Putin-Fans und Wagenknecht. Können sich die Nord-Genossen davon befreien?
Das könnte der Grund für Ihre Rückenschmerzen sein: Quälende Schulterprobleme, Schwierigkeiten beim Sprechen: Symptome wie diese sind häufig Folge von Stress – aber auch von Verspannungen. Hier erklärt Körpertherapeutin Helga Pohl, was man dagegen tun kann.
Ein Bild, so alt wie das Patriarchat: Heidi Klum posiert mit Leni für eine Dessousmarke – das lässt schaudern. Eine Mutter, die sich mit ihrer Tochter auf diese Weise verkauft, erinnert an archaische Zeiten. Ein Gastbeitrag von Stevie Schmiedel.
Was heute weniger wichtig ist
Krawall-Vater: Alf-Inge Haaland, 50, norwegischer Ex-Nationalspieler und Vater von Superstar Erling Haaland, hat beim Spiel Real Madrid gegen Manchester City für eine Eklat gesorgt. Sicherheitskräfte warfen ihn in der zweiten Halbzeit aus seiner Loge, nachdem er sich mit Madrid-Fans angelegt hatte. Er habe diese auch mit Erdnüssen beworfen, berichten heute spanische Medien. Haaland twitterte, das Publikum sei »nicht glücklich« darüber gewesen, wie seine Begleiter und er den Ausgleichstreffer für City in 67. Minute gefeiert hätten. Deshalb hätten sie die Tribüne verlassen müssen.
Mini-Hohlspiegel

Aufsteller in einem Rewe-Markt in Berlin
Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.
Cartoon des Tages

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Illustration: Klaus Stuttmann
Und heute Abend?
Wissen Sie schon, wie Sie die Sommerferien verbringen werden? Ich habe vor einigen Tagen nach familienfreundlichen Unterkünften im Mittelmeerraum gesucht und war verblüfft über die Preisvorstellungen. Inflation ist nicht nur in Deutschland ein Thema. Flüge, Fähre, Mietwagen – alles ist deutlich teurer als letztes Jahr.
Tipps für halbwegs bezahlbare Reiseziele finden Sie in unserem Reiseressort. Mit dem neuen 49-Euro-Ticket lassen sich viele Ecken Deutschlands sogar günstiger erreichen als bisher.
Bei Flügen ins Ausland kann es sich lohnen, unter der Woche zu buchen und nicht am Wochenende. Das sagt jedenfalls eine Studie des Europäischen Verbraucherzentrums in Kehl. Außerdem ist es bei den Airlines selbst oft billiger als bei sogenannten Vergleichsportalen, die mit Niedrigtarifen locken, dann aber bei den Zusatzleistungen aufschlagen.
Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Reiseressort wollen gerne wissen: Wohin reisen Sie in diesem Sommer mit Ihrer Familie? Welches Budget haben Sie dafür? Über welchen Posten regen Sie sich besonders auf? Machen Sie Abstriche, um sich den Urlaub leisten zu können – wenn ja, wo? Oder ist ein Urlaub in diesem Jahr einfach nicht drin?
Schreiben Sie uns von Ihren Urlaubsplänen und Ihrem Reisebudget an reise.leserpost@spiegel.de – und sagen Sie bitte auch, wie wir mit Ihnen am besten kurzfristig Kontakt aufnehmen können. Einige Ihrer Antworten würden wir nach Rücksprache mit Ihnen gerne veröffentlichen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend,
herzlich
Ihr Alexander Neubacher, Leiter Meinung und Debatte