Die Lage am Dienstag Liebe Leserin, lieber Leser,

Frage zum Wachwerden: Ist die SPD eigentlich verrückt geworden? In den Umfragen liegt sie bei 21 Prozent, in manchen Regionen Deutschlands ist sie zu einer Schrumpfpartei geworden, hinter CDU, Grünen und AfD. Vernünftigerweise gäbe es zwei Alternativen: Entweder sie stellt sich ohne Wenn und Aber hinter den angeschlagenen Parteichef Sigmar Gabriel und zieht mit ihm in den Bundestagswahlkampf. Oder sie macht Gabriel klar, dass es mit ihm nicht mehr geht. Aber die Partei wählt den dritten, fürchterlichen Weg: Sie nörgelt den Chef weiter mürbe. Olaf Scholz und Andrea Nahles, die für die Nachfolge in Frage kämen, sehen dabei zu, weil sie keine Lust haben, den eher aussichtslosen Bundestagswahlkampf 2017 selbst zu bestreiten. Dass Problem der SPD heißt nicht Gabriel. Das Problem ist die Feigheit seiner Gegner.

Foto: Yasin Bulbul/ AP

Erdogan belebt das Satire-Fach

Lange nichts gehört von Dieter Hallervorden - nun ist er wieder da, mit einem kleinen Schunkelsong auf den türkischen Präsidenten Erdogan ("Erdogan, Erdogan, zeig mich bitte auch mal an"). Es ist schon beeindruckend, wie viel Widerstandsgeist Erdogan in Deutschland weckt. Die deutschen Satiriker, die so lange unter dem öden Regime Merkels litten, haben nun endlich wieder einen Gegner gefunden. Und das Schöne ist, dass er sich sogar darüber aufregt, wenn man ihn mit Schmähungen bedenkt. Wenn das so weiter geht, schaltet Mario Barth von Blondinen- auf Erdoganwitze um.

Foto: Marijan Murat/ dpa

Überraschendes Comeback für Thomas Strobl

Auch in der Politik gibt es das Wunder der Auferstehung. Thomas Strobl war so etwas wie der Untote der baden-württembergischen CDU. Er war der Chef und doch traute ihm die Partei nicht zu, den populären Grünen Winfried Kretschmann zu besiegen, weswegen sie Guido Wolf zum Spitzenkandidaten machte. Was, im Nachhinein betrachtet, keine so gute Idee war. Nun ist Strobl plötzlich wieder die Zukunft, er wird die CDU nach Lage der Dinge als stellvertretender Ministerpräsident in eine grün-schwarze Koalition führen. Es ist eine ziemlich ungemütliche Position für die einstige Staatspartei, eingequetscht zwischen den konservativen Grünen und der eher moderaten Südwest-AfD. Für Strobl könnte gelten: Auf die Auferstehung folgt die Himmelfahrt.

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Gewinner des Tages

Sind die Berliner Flughäfen, deren Pressesprecher gerade gefeuert wurde. Daniel Abbou (Foto) hat nicht etwa die Öffentlichkeit belogen, nein, er war zu ehrlich und sprach: "Früher wurde meist gesagt: Nein, es ist alles gut. Das ist Bullshit. Bekenne dich dazu, dass etwas scheiße gelaufen ist." Danach war er seinen Job los. Ich finde, man sollte in der Krise auch eine Chance sehen. Das Desaster um den Neubau des Berliner Flughafens ist derart umfassend, dass es mit den Mitteln der PR ohnehin mit mehr in den Griff zu kriegen ist. Mein Vorschlag wäre, dass sich Berlin das Gehalt für einen Pressemann so lange spart, bis es wieder gute Nachrichten in Sachen Flughafen zu verkünden gibt. So wie ich Berlin kenne, wird dabei ein hübsches Sümmchen zusammen kommen.

Mit freundlichen Grüßen,

René Pfister, Leiter Hauptstadtbüro DER SPIEGEL

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