Alexander Neubacher

Die Lage am Abend Wie gefährlich ist diese Bankenpleite für Ihr Geld?

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. Bankenpleite in Kalifornien: Droht eine Weltfinanzkrise wie 2008?

  2. Wahlrechtsreform: Wirkt die Bundestagsdiät?

  3. Filmpreise: Sind wir jetzt alle Oscar?

1. Ein kalifornisches Bankenbeben lässt die Welt erzittern

Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA hat auch in Deutschland Sorgen und teils Panik bei Anlegern ausgelöst. Der Börsenindex Dax sackte heute um mehrere Hundert Punkte ab. Vor allem die Kurse von Banken verloren, die Commerzbank, die Deutsche Bank.

Sind das Vorboten einer weltweiten Finanzkrise? Droht ein Absturz wie 2008? 

Dass viele Menschen in Deutschland noch nie von der Silicon Valley Bank gehört haben dürften, ist jedenfalls kein Grund zur Beruhigung. In den USA stand sie letzte Woche noch auf Platz 16 der größten Geldhäuser, war die Hausbank für viele Techkonzerne und Start-ups.

Unser Finanzexperte Tim Bartz mahnt einerseits zur Besonnenheit.  Anders als 2008 sei das System heute einigermaßen stabil. Die Kreditinstitute haben mehr Eigenkapital und flüssige Mittel als damals. Außerdem haben die US-Behörden, nach allem, was bislang bekannt ist, schnell und konsequent reagiert, als sie die SVB am Wochenende dichtmachten.

Andererseits, so Tim, hält die Krise mindestens drei Lehren bereit, die jede und jeder ernst nehmen sollte, auch in Deutschland:

Erstens: In Zeiten niedriger Zinsen stand zu viel billiges Geld zur Verfügung, weshalb auch schlechte Geschäftsmodelle mit Krediten zugeschüttet wurden. Nun stellt sich bei steigenden Zinsen heraus, dass vieles keine Zukunft hat.

Zweitens: Die Kontrolle des Bankensektors ist strenger geworden, aber noch lange nicht streng genug.

Drittens: Gewinne werden weiter privatisiert, Verluste sozialisiert, auch im Fall der SVB, wo die US-Einlagensicherung einspringt, damit die Kunden an ihr Geld kommen.

Tim schreibt : »Bislang haben die Banken den Krisen der vergangenen Jahre widerstanden. Weniger aus eigener Kraft, wie die Branche gern weismachen will, als vielmehr dank staatlicher Notprogramme und Garantien für die Volkswirtschaften. Das muss nicht ewig so bleiben, das Finanzsystem bleibt stets anfällig für Vertrauenskrisen.«

2. Die Bundestagsdiät kommt

Der Bundestag soll nach der nächsten Wahl tatsächlich kleiner werden. SPD, Grüne und FDP haben sich darauf geeinigt, die Zahl der Abgeordneten dauerhaft auf 630 festzuschreiben. Derzeit sind es 736 Abgeordnete, was den Bundestag nach Chinas Volkskongress zum zweitgrößten Parlament macht. Die Reform soll noch diese Woche im Bundestag verabschiedet werden.

Union und Linke lehnen in seltener Eintracht den Plan ab. Das ist kein Wunder, denn das neue Wahlrecht könnte sie zu Verlierern machen. Einmal die CSU: Sie profitierte bislang am meisten von den Überhangmandaten, die es künftig nicht mehr geben wird.

Und zum anderen die Linkenfraktion, die bei der jüngsten Wahl bekanntlich unter der Fünf-Prozent-Grenze lag. Sie verdankt ihre Existenz der sogenannten Grundmandatsklausel, wonach drei gewonnene Direktmandate ausreichten, um eine Fraktion mit 39 Abgeordneten zu bilden. Für die Zukunft soll die Grundmandatsklausel nun abgeschafft werden. Die Linke säße also bei einer Wiederholung ihres Wahlergebnisses nur noch mit drei Leuten im Parlament.

Weil der Bundestag schrumpfen soll, die Zahl der Wahlkreise aber gleich bleibt, wird es im Einzelfall vorkommen, dass der Erststimmensieger eines Wahlkreises nicht in den Bundestag einzieht. Die Union hält das für undemokratisch. Tatsächlich dürften sich die Menschen in den betroffenen Wahlkreisen wie Bürger zweiter Klasse fühlen, wenn sie nicht mit einem Direktmandat in der Hauptstadt vertreten sind. In Bayern, wo die CSU in der Regel mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr nach Zweitstimmenergebnis an Abgeordneten zustehen, wird das künftig der Fall sein.

Beide Reformschritte sind übrigens miteinander verbunden. Kein Mensch hätte Verständnis dafür, wenn künftig einige Wahlkreisgewinner zu Hause bleiben müssten, während andere Wahlkreisgewinner die Fünfprozenthürde aus den Angeln heben und ganze Fraktionen begründen könnten.

Und so kämpfen nun CSU und Linke Seite an Seite fürs Direktmandat. Wer hätte eine solche Allianz für möglich gehalten?

3. Wir sind jetzt alle Oscar

Wie ist es möglich, dass ein vom deutschen Publikum eher verhalten aufgenommener deutscher Film dermaßen bei den Oscars abräumt wie noch kein deutscher Film zuvor? Ein Film, der von »Süddeutscher Zeitung« und »FAZ« verrissen wurde? Der kaum im Kino lief, sondern auf einer Streamingplattform?

Jetzt sind wir alle Oscar. Ganz Deutschland, und vielleicht am meisten die nach Hollywood mitgereiste Kulturstaatsministerin Claudia Roth freut sich über den Erfolg von »Im Westen nichts Neues«. Gleich vier Auszeichnungen hat der deutsche Film gestern Nacht in Los Angeles gewonnen: bester internationaler Film, beste Kamera, beste Filmmusik, bestes Szenenbild. Das hat es so noch nie gegeben.

Lag es an der bedrückenden Aktualität, die der Film durch die Kriegsbilder aus der Ukraine hat? Die Verfilmung des gleichnamigen Weltbestsellers von Erich Maria Remarque spielt während des Ersten Weltkriegs. Hauptfigur ist der Schüler Paul Bäumer, der sich mit seinen Freunden begeistert für den Militärdienst meldet, nachdem sein Lehrer eine aufpeitschende, mit nationalistischem Pathos getränkte Rede gehalten hat.

Mein Kollege Marc Pitzke hat die Oscarverleihung beobachtet ; er war auch dabei, als Regisseur Edward Berger nach der Show fassungslos hinter der Bühne stand. »Als deutsche Filmemacher haben wir immer einen kleinen Minderheitskomplex«, sagte er. »Ich hoffe, das hier gibt mir und ein paar anderen ein bisschen Selbstvertrauen.« Kameramann David Friend, der seine Karriere als Elektriker begonnen hat, war so überwältigt, dass er kaum ein Wort herausbekam, die Tränen zurückhielt und sich schließlich entschuldigte: »Sorry, dass ich so rumstammele.«

Ich habe den Film vor einigen Tagen gesehen. Am meisten beeindruckt hat mich die Musik. Sie besteht im Wesentlichen aus zwei Tönen, die zu einem düsteren, dröhnenden Erkennungssignal werden, zu einer Fanfare des Todes, wenn die Soldaten in ihre vollkommen sinnlose Schlacht ziehen. Der Film ist sehr gut, Felix Kammerer spielt die Hauptrolle ausgezeichnet. Aber etwas Ähnliches wie diesen Sound habe ich noch nie gehört.

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Ukraine meldet schwere Verluste auf beiden Seiten in Bachmut: Die Frontlinie in Bachmut ist hart umkämpft. Schwere Verluste gibt es laut Kiew bei Verteidigern und Angreifern. Das britische Verteidigungsministerium sieht die Söldnergruppe Wagner zusätzlich geschwächt.

  • Klitschko zog Evakuierung Kiews in Betracht: Russische Luftangriffe haben dafür gesorgt, dass Bewohner in Kiew über Stunden ohne Strom, Wasser und Heizung auskommen mussten. Wie dramatisch die Lage im Januar war, schildert nun Bürgermeister Klitschko.

  • Selenskyj umreißt russische Verluste in Bachmut – und ehrt getöteten Scharfschützen seiner Armee: Mehr als 1100 russische Angreifer sind laut Ukraine zuletzt in Bachmut gestorben. Klitschko erwog Evakuierung Kiews. Und: posthume Ehrung für mutmaßlich hingerichteten Soldaten.

Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Bildungsökonom warnt vor Entwertung der Abiturnoten: Bildungsforscher Ludger Wößmann fordert: Die Leistungsanforderungen fürs Abitur dürfen nicht aufgeweicht werden. Unterdessen planen 14 Bundesländer Erleichterungen für Abiturienten – wegen der Coronapandemie.

  • Zwölfjährige wurde Opfer eines Verbrechens: In Freudenberg werden nach dem Tod einer Zwölfjährigen die Flaggen auf halbmast gesetzt. Laut Polizei wurde das Mädchen getötet. Eine Obduktion der Leiche ist geplant.

  • Henriette Reker lehnt Einigung mit »Letzter Generation« ab: Die Klimaaktivisten bieten Städten an, sich nicht mehr auf der Straße festzukleben, wenn diese dafür ihre Forderungen unterstützen. Für Henriette Reker ist das keine Option.

  • Pistorius tauscht Generalinspekteur aus: Verteidigungsminister Boris Pistorius hat seine erste wichtige Personalentscheidung getroffen. Nach SPIEGEL-Informationen muss Generalinspekteur Zorn seinen Posten räumen. Nachfolger soll der »Corona-General« Carsten Breuer werden.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Der giftige Mann

Meinem Kollegen Jochen Gutsch ist aufgefallen , dass neuerdings alles »toxisch« ist, was früher »falsch«, »gefährlich« oder »einfach doof« genannt wurde; er schreibt: »Es gibt toxische Geschwister, toxische Dates, toxische Nostalgie, toxische Positivität, das toxische Arbeitsumfeld, die »Brigitte« weiß: So erkennst Du, ob Du eine toxische Mutter hast.«

Vor allem aber gebe es die »toxische Männlichkeit«. Tatsächlich habe ich allein hier auf SPIEGEL.de mehrere Dutzend Texte gefunden, die genau davon handeln. Zuletzt war es der CDU-Politiker Jens Spahn, der glaubte, Integration scheitere an »kulturell vermittelter toxischer Männlichkeit«.

Jochen schreibt, er fühle sich an die Literatur-Interpretationen seiner Ost-Berliner Schulzeit erinnert, die im Kern meist darauf hinausliefen, dass nur der Kommunismus die Ausbeutung des Menschen beenden wird. Man habe diese Botschaft selbst in den Werken von Fontane, Goethe, Storm oder Heine gelesen: »Wo einst der Kommunismus war, versteckt sich heute womöglich die toxische Männlichkeit.« 

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Juristinnen halten Forderung der FDP für verfassungswidrig: FDP-Politiker wollen die jährlichen Einsparziele für Emissionen streichen. In einer Analyse, die dem SPIEGEL exklusiv vorliegt, erklären Juristinnen den Plan für rechtswidrig, wenn keine neuen Vorgaben geschaffen werden. 

  • Wo der Staat das meiste Geld zuschießt: Die Preisdeckel für Strom und Gas sollen die Bürger entlasten. Womöglich nutzen Anbieter sie aber auch gezielt zum Abkassieren .

  • Erleben wir die Entstehung einer neuen Seuche? Passt sich der nächste Erreger an den Menschen an? Das Vogelgrippevirus H5N1 infiziert immer häufiger auch Säugetiere. Mediziner sind besorgt. 

  • »Andromeda« steht aufgebockt auf ehemaligem Militärgelände: Das Schiff, mit dem ein mutmaßliches Sprengkommando zu den Nord-Stream-Pipelines gesegelt sein soll, steht nach SPIEGEL-Recherchen auf der Rügener Landzunge Bug. Eine für die Anmietung verwendete E-Mail-Adresse könnte zudem in die Ukraine weisen .

  • Auf dem rechten Weg: Die zwischenzeitliche Suspendierung von Gary Lineker offenbart: Die dauernden Attacken Konservativer auf die BBC zeigen immer mehr Wirkung. Mitarbeiter des Senders befürchten eine schleichende Übernahme von rechts .

Was heute weniger wichtig ist

»The Rock« in rosa: Dwayne Johnson, 50, erzielte gestern Abend einige Aufmerksamkeit mit seinem Oscaroutfit. Der Schauspieler trug zur Filmpreisverleihung einen pastellfarbenen Satin-Anzug von Dolce & Gabbana. Er setzte sich damit deutlich von den vielen schwarz gekleideten Männern ab. Johnson selbst beschrieb die Farbe seines Oberteils als »ballett-rosa«.

Ob er den schönsten Look des Abends präsentierte – oder wer sonst einen Mode-Oscar verdient gehabt hätte, können Sie hier übrigens entscheiden: Meine Favoritin ist Janelle Monae, aber das dürfen Sie selbstverständlich auch völlig anders sehen.

Mini-Hohlspiegel

Hinweis in einem Aldi-Markt in Ladenburg (Baden-Württemberg)

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Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Illustration: Thomas Plaßmann

Und heute Abend?

Die Sleaford Mods waren die erste Band, die ich nach der Pandemie live gesehen habe; es war im April letzten Jahres, das Veranstaltungsverbot in Berlin war erst drei Tage zuvor gefallen, und es wurde ein wilder, von Kontakt- und sonstigen Beschränkungen befreiter Abend.

Umso mehr freue ich mich, dass die Band nun endlich auch ein neues Album veröffentlicht hat. Es heißt »U.K. Grim«, mein Kollege Andreas Borcholte hält es für sehr gelungen, er schreibt: »Die Sleaford Mods sind die unerbittlichsten und unbestechlichsten Postpunk-Kommentatoren ihrer Generation.« Sie könnten sich inzwischen teuerste Studiomätzchen leisten, brauchten für ihre Songs aber noch immer nicht viel mehr als Stakkato-Beats und das Geschimpfe von Sänger Jason Williamson: »You’re all fucked, lads«. Das Video zu ersten Single-Auskopplung können Sie hier sehen .

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Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.

Herzlich,

Ihr Alexander Neubacher, Leiter Meinung und Debatte

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