DIE LAGE am 3.3.2016 Liebe Leserin, lieber Leser,

vor zwei Tagen schrieb ich an dieser Stelle über den Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck und dessen Neigung, bei Verfehlungen der politischen Gegner immer gleich die Höchststrafe zu fordern: den Rücktritt. Am Dienstagabend geriet Beck in eine Polizeikontrolle, bei der 0,6 Gramm Drogen gefunden wurden, laut "Bild" handelt es sich um Crystal Meth. Beck legte daraufhin seine Fraktionsämter nieder, nicht aber sein Bundestagsmandat. Bis zum frühen Morgen forderte das auch niemand, nicht einmal seine schlimmsten Feinde. Beck profitiert von einer Milde, die er selbst nie walten ließ.

Streit um Kohl-Tapes
Heute beginnt vor dem Landgericht Köln der Schadensersatzprozess gegen die Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens. Altkanzler Helmut Kohl verlangt fünf Millionen Euro, weil er sich von Schwan hintergangen fühlt. Der hatte mit Kohl 600 Stunden Gespräche aufgenommen, die die Grundlage für Kohls Memoiren bilden sollten. Dann aber zerstritten sich der Altkanzler und sein Ghostwriter, und Schwan entschloss sich, auf eigene Faust ein Buch mit den schönsten Zitaten von den Kohl-Tapes zu veröffentlichen. Kohls Zorn war groß, allerdings ermöglichte die Indiskretion auch einen unverstellten Blick auf die Gedankenwelt des Kanzlers der Einheit. Generationen von Historikern werden Schwan dankbar sein.

Flüchtlingslager Griechenland
An diesem Donnerstag fliegt EU-Ratspräsident Donald Tusk nach Griechenland. Das Land ist zu einem Auffanglager für Flüchtlinge geworden, seit Mazedonien seine Grenze abgeriegelt hat. Nun stehen die Europäer vor der Wahl: Entweder sie machen Ernst mit jenem Mechanismus, den sie schon im vergangenen Herbst beschlossen haben und der vorsieht, 160.000 Flüchtlinge auf Europa zu verteilen. Oder sie lassen Griechenland, das ohnehin schon einem "failed state" gleicht, mit den Verzweifelten aus Syrien und dem Irak alleine. Das Wort Rettungspaket sollte man nicht so schnell aus seinem Wortschatz streichen.
Auch beachtenswert
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Gewinnerin des Morgens
ist Melania Trump. In den vergangenen Tagen genoss die Gattin des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten auch in Deutschland eine steile Medienkarriere. Nun hat man von Melania Trump noch keine programmatischen Aussagen gehört, "The silent partner" titelte etwa die "New York Times". Es spricht also nicht viel dafür, dass sie im Weißen Haus zu einer Art Nebenpräsidentin wird. Andererseits wäre es unfair, sie auf Äußerlichkeiten zu reduzieren. Sie hat immerhin an der Universität in Ljubljana studiert. Vielleicht schafft die Frau aus Slowenien ja das, woran bisher alle scheiterten: Ihren Gatten zur Vernunft zu bringen. Denn Einwanderer wie sie sollen ja, folgt man Trump, künftig lieber draußen bleiben.
Geburtstage
Heiner Geißler, ehemaliger CDU-Generalsekretär, 86.
Wolfgang Kubicki, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender, 64.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr
René Pfister, Leiter Hauptstadtbüro DER SPIEGEL