
Die Lage am Abend Good buy, Viessmann

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
Wärmepumpen – Was bedeutet der Viessmann-Verkauf für deutsche Hausbesitzer?
Verfassungsschutz – Wie rechtsextremistisch ist der AfD-Nachwuchs?
Alkohol – Warum ist Biertrinken in Bayern erlaubt, Cannabiskonsum aber nicht?
1. Viel warme Luft um nichts
Wenn man die Signale der Ampelregierung richtig deutet, gehört der Wärmepumpe in Deutschland die Zukunft. Dass der Heizungsbauer Viessmann seine Klimasparte samt der lukrativen Wärmepumpen für zwölf Milliarden Euro an einen US-Konkurrenten verkaufen will, sorgt daher für Aufregung.
Viessmann ist ein Mittelständler wie aus dem Bilderbuch: In der nordhessischen Provinz gegründet, seit mehr als hundert Jahren in Familienhand, international erfolgreich und eine Marke, die die meisten Menschen kennen. Klar kommt hierzulande Alarmstimmung auf, wenn deren Kerngeschäft ins Ausland wandert.
Gewerkschafter und Politik warnen vor einem Verlust von Schlüsseltechnologie. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Verkauf der Viessmann-Wärmepumpensparte genau unter die Lupe nehmen. »Wir werden uns das Vorhaben im Rahmen der vorgesehenen Prüfschritte anschauen und sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient«, sagte der Grünenpolitiker.
Die Experten aus dem SPIEGEL-Wirtschaftsressort sind hingegen weniger alarmiert. Stefan Kaiser glaubt, dass der Viessmann-Verkauf ein gutes Zeichen für deutsche Hausbesitzer sei. »Wenn sich nun ausländische Anbieter mit riesigen Produktionskapazitäten auf den deutschen Wärmepumpenmarkt stürzen, bedeutet das nach den Regeln der Marktwirtschaft, dass auch die Preise in Zukunft deutlich sinken werden.«
Für alle, deren alte Heizung noch läuft und die deshalb noch nicht tauschen müssen, dürfte es sich deshalb lohnen, noch etwas abzuwarten. »Ein Problem wird allerdings auch mit günstigeren Geräten wohl noch eine Weile bestehen bleiben«, schreibt Stefan: »Sie müssen immer noch einen Handwerker finden, der Ihnen das Ding einbaut.«
Mehr zum Thema: Warum der Viessmann-Verkauf ein gutes Zeichen für deutsche Hausbesitzer ist
2. Radikal setzt sich durch
Der Inlandsnachrichtendienst hat keine Zweifel mehr: Für ihn sind die AfD-Nachwuchsorganisation »Junge Alternative« sowie zwei Gruppierungen aus dem Umfeld des neurechten Verlegers Götz Kubitschek verfassungsfeindlich. Konkret geht es um das »Institut für Staatspolitik« (IfS) und um den Verein »Ein Prozent«, die nun als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft werden. Das berichtet meine Kollegin Ann-Katrin Müller aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro.
Die Positionen der drei Gruppierungen »sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar«, sagt BfV-Präsident Thomas Haldenwang. Es bestünden keine Zweifel mehr, dass die drei Gruppierungen verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Alle drei würden »auf die Ausgrenzung vermeintlich ›Fremder‹ zielen und versuchen, diese Position gesellschaftlich anschlussfähig zu machen«. Ihr Schüren von Ressentiments sei zudem geeignet, für einen Anstieg von Gewalt gegen Menschen zu sorgen, bei denen Migrationshintergrund vermutet wird.
»Die Höherstufung bedeutet nicht, dass andere oder mehr nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden können«, berichtet Müller, allerdings sei der Einsatz künftig eher möglich.
Bei der Jugendorganisation der AfD haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder die Radikalsten durchgesetzt. Die, die etwas weniger extrem auftreten wollten, haben verloren. Im Oktober wurde Hannes Gnauck zum alleinigen Vorsitzenden gewählt, schreibt Müller, »ein Soldat, der vom Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr schon länger als Rechtsextremist eingestuft ist und keine Uniform mehr tragen darf«.
Lesen Sie hier mehr: Verfassungsschutz stuft AfD-Nachwuchs als »gesichert rechtsextremistisch« ein
3. Weniger ist mehr
Zehn Jahre länger leben! Klingt nach einem Versprechen, auf das man sich gerne einlassen möchte. Würde es nicht eine Gegenleistung erfordern: Alkoholverzicht. »Selbst geringe Mengen Alkohol können krank machen«, sagt der Alkoholforscher Ulrich John vom Uniklinikum Greifswald. Alkoholverzicht könne Frauen ein Plus an Lebenszeit von mindestens 16 Jahren einbringen, bei Männern seien es mindestens zehn Jahre.
John ist einer der Autoren des heute veröffentlichten »Jahrbuch Sucht 2023«. Rund acht Millionen Deutsche konsumieren laut Suchtbericht Alkohol »in gesundheitlich riskanter Weise«. Das entspricht einer täglichen Menge von zwölf Gramm reinem Alkohol bei Frauen und 24 Gramm bei Männern, also einem bis zwei kleinen Gläsern Bier.
»Obwohl der Alkoholkonsum im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesunken ist, wird in Deutschland immer noch deutlich mehr Alkohol getrunken als im weltweiten Durchschnitt«, sagte der DHS-Vorstandsvorsitzende Norbert Scherbaum. Alkohol als vermeintliches Kulturgut sei gesellschaftlich breit akzeptiert.
Gestern Abend zum Beispiel traf sich im Münchner Hofbräuhaus die Politikprominenz Bayerns zum »Maibockanstich«, der Bayerische Rundfunk übertrug das Spektakel zur Primetime. CSU-Finanzminister Albert Füracker zapfte mit drei Schlägen ein Fass besonders hochprozentigen Bockbiers an, hielt eine launige Rede, die vom Vortrag des Comedian Django Asül humorprozentig allerdings noch übertroffen wurde.
Der wies unter anderem auf die widersprüchliche Haltung der bayerischen Staatsregierung in Sachen Cannabislegalisierung hin: Die »unkontrollierte Abgabe von Bier« soll erlaubt sein, die »kontrollierte Abgabe von Cannabis« aber nicht? Die Logik kapiert keiner.
Ich wäre gestern auch gerne zum Maibockanstich gegangen – konnte aber keinen Babysitter finden (dieser verdammte Fachkräftemangel!). Mindestens einen halben Liter Bockbier habe ich also nicht getrunken. Wie viel Lebenszeit mehr mir das statistisch wohl verschafft hat?
Lesen Sie hier mehr: So viele Deutsche rauchen, trinken, zocken
Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:
Selenskyj warnt vor russischer Erpressung mit nuklearen Katastrophen: Am Jahrestag des Tschernobyl-Unfalls droht der Kreml erneut mit Nuklearwaffen, diesmal im Nachbarland Belarus. Kiew fordert derweil die Weltgemeinschaft auf, sich nicht von Russland einschüchtern zu lassen.
Chinas Staatschef Xi hat mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj telefoniert: China will zwischen Russland und der Ukraine vermitteln, fiel bislang aber vor allem durch große Nähe zu Moskau auf. Nun gab es ein Telefonat mit Kiew. Präsident Selenskyj spricht von einem »bedeutsamen« Gespräch.
Ukrainer kämpfen offenbar um Kontrolle über Versorgungsroute für Bachmut: Bachmut ist seit Monaten schwer umkämpft. Kiew will die Kleinstadt im Osten halten, um einen Durchbruch russischer Truppen zu verhindern. Laut britischen Erkenntnissen steht dabei eine Straße besonders im Fokus.
Bundeswehr fängt drei russische Militärflugzeuge ab: Drei russische Militärmaschinen flogen ohne Positionssignale über die Ostsee, dann stiegen deutsche und britische Jets auf. Die Luftwaffe veröffentlichte auch Fotos des Abfangmanövers.
Was heute sonst noch wichtig ist
Klimaaktivistin zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt: Sie hatte sich an einem Gemälderahmen festgeklebt. Eine 24-Jährige ist zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Frau habe sich uneinsichtig gezeigt, so das Gericht.
Mieterin muss nackten Vermieter im Hof dulden: Ein Frankfurter Gericht sieht darin keinen Mietmangel. Im vorliegenden Fall werde die »Gebrauchstauglichkeit« der Räume nicht beeinträchtigt.
Was genau ist so abscheulich an Jan Böhmermann, Herr Thadeusz? Juan Moreno spricht im Podcast mit Moderator Jörg Thadeusz über die Träume eines Arbeiterkinds aus dem Pott und sein schwieriges Verhältnis zum ZDF-Kollegen.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Göttin des Gemetzels
Wie groß ist das Marktpotenzial des deutschen Feminismus? Diese Frage stellt der heitere Text meines Kollegen Tobias Becker . Er hat die Aktivistin Stevie Schmiedel getroffen, die seit Jahren für Gleichberechtigung kämpft und nun ein Buch geschrieben hat, in dem sie unter anderem versucht, die Kluft zwischen jungen Feministinnen und der Alice-Schwarzer-Generation zu überbrücken.

Autorin Schmiedel
Foto:Melina Mörsdorf / DER SPIEGEL
»Der heutige Feminismus ist ein einziges Gemetzel«, sagt Stevie Schmiedel. Womöglich ist das ein klein wenig übertrieben. Aber die 51-Jährige weiß, wovon sie spricht. 2012 hat Schmiedel »Pinkstinks« gegründet, eine feministische Organisation, die gegen starre Geschlechterrollen in Medien und Werbung kämpft, aber selbst wie eine hippe Agentur auftritt, das Motto ein augenzwinkernder Claim: »Die Zeiten gendern sich.«
Schmiedel hat Probleme vor allem mit einigen Vertreterinnen des sogenannten intersektionalen Feminismus, der darauf aufmerksam macht, dass sich Diskriminierungen überlappen und gegenseitig verstärken. Schwarze Frauen sind demnach stärker von Sexismus betroffen als weiße. Schmiedel versteht die Anliegen, und sie unterstützt sie auch, aber manchmal würde sie lieber den ersten vor dem zweiten Schritt gehen. »Egal wie woke eine Werbeagentur auch ist, sie wird selten eine Frau mit Kleidergröße 54, eine schwarze Frau und eine Rollifahrerin abbilden.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wie groß ist das Marktpotenzial des deutschen Feminismus?
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
Chefvisite beim FC Bayern: Thomas Tuchel ist der Bayern-Trainer mit der schlechtesten Startbilanz seit 30 Jahren. Nun schaute Uli Hoeneß beim Training vorbei. Ein schlechtes Zeichen?
Als sich Gladiatorenfans ein Gemetzel lieferten: Verfeindete Zuschauer gingen im Jahr 59 n. Chr. bei einem Gladiatorenkampf in Pompeji aufeinander los. Gehörten Hooligans zur Kultur rund um die antiken Wettkämpfe?
Heiter bis putzig: Die Windsors wissen um die Macht der gestellten Fotos und lächeln darauf alle Krisen in Palast und Land weg: Ein neuer Bildband führt durch das Leben von Charles III., der es schon als Baby mit untertänigen Fotografen zu tun hatte .
Mit dem Camper Irlands Westküste erkunden – in einer Woche: Der Wild Atlantic Way liefert Reisenden viele gute Gründe, weniger Strecke zu machen als geplant. Unser Autor hat dort sein Herz für die grüne Insel entdeckt .
Was heute weniger wichtig ist
Regisseur Steven Spielberg, 76, hat die Entscheidung, eine Szene in seinem Film »E.T.« nachträglich zu verändern, als »Fehler« bezeichnet. Die Tatsache, dass Polizisten mit Waffen Kinder gejagt haben, gefiel dem Starproduzenten Jahre später nicht mehr. In einer Neufassung zum 20-jährigen Jubiläum des Films 2002 ersetzte er die Waffen durch Walkie-Talkies. Auf der Bühne des »TIME100 Summit« bedauerte er am Dienstag sein Einmischen: »Ich hätte das nie tun sollen. ›E.T.‹ ist ein Produkt seiner Zeit. Kein Film sollte durch die Brille überarbeitet werden, durch die wir heute schauen, egal ob freiwillig oder gezwungenermaßen.«
Mini-Hohlspiegel

Aus der »Leonberger Kreiszeitung«
Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.
Cartoon des Tages

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Illustration: Thomas Plaßmann
Und heute Abend?
Könnten Sie eine ARD-Arthaus-Comedy-Produktion mit Frederick Lau in der Hauptrolle ansehen, die den Titel »Der weiße Kobold« trägt. Der Film ist satt an Bildern, Zitaten und szenischen Preziosen, urteilt SPIEGEL-TV-Kritiker Christian Buß. Es handle sich um einen »Fiebertraum mit praller Optik«.

Szene mit Frederick Lau und Lenny Winkler
Foto: Christian Anwander / BR / ORFOder Sie schauen sich »E.T.« an. Ich warne allerdings vor der deutschen Übersetzung. Polizisten, die Kinder mit Pistolen jagen, sind nichts gegen Teenager, die in der eingedeutschten Fassung Sätze sagen wie »Was soll die Scheiße?«. In der dazugehörigen Szene hatte Schauspielerin Drew Barrymore, die damals ein kleines Mädchen verkörperte, den Außerirdischen wie eine Puppe verkleidet – mit blonder Perücke und Sonnenhut. Was ihr älterer Bruder mit recht drastischen Worten kommentierte.
Mein achtjähriger Sohn, der den Spielberg-Klassiker neulich gemeinsam mit mir ansehen durfte, hat den Satz natürlich sofort in seinen Sprachschatz übernommen. Eine Zeit lang habe ich versucht, erzieherisch dagegen anzukämpfen. Inzwischen akzeptiere ich das mit Kinderstimme vorgetragene »Was soll die Scheiße?« als hin und wieder ganz willkommenen Kommentar zum Weltgeschehen.
Einen schönen Abend wünscht
Ihre Anna Clauß, Leiterin Meinung und Debatte