Oliver Trenkamp

Die Lage am Abend Omikron-Angst in Europa, roter Alarm im Internet

Oliver Trenkamp
Von Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. Omikron kommt – Sind wir vorbereitet?

  2. Das Internet brennt – Wie löscht man es?

  3. Die Uefa lost – Warum geht das schief?

1. Impfung, die Dritte

Großbritannien meldet den ersten Omikron-Toten, China den ersten Omikron-Fall auf dem Festland, Norwegen neue Höchststände bei Neuinfektionen und Krankenhauseinlieferungen – zum Teil auch wegen Omikron. In Deutschland ruft Brandenburg die epidemische Notlage aus und will Discos schließen sowie Großveranstaltungen beschränken. Ministerpräsident Dietmar Woidke spricht von »dunklen Zeiten«. (Alle aktuellen Entwicklungen zur Pandemie im Newsupdate.)

Immerhin scheint die Impfkampagne zu laufen:

  • Rund 19,8 Millionen Menschen in Deutschland haben bereits eine Boosterimpfung erhalten.

  • Laut Robert Koch-Institut sind 43,3 Prozent der Menschen ab 60 Jahren drittgeimpft.

  • In der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen sind es 20,2 Prozent.

  • Und sogar 2,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben schon eine Boosterimpfung erhalten.

»Beim aktuellen Tempo wäre es problemlos möglich, dass alle bis Jahresende eine Auffrischimpfung erhalten, deren zweite Dosis dann mindestens sechs Monate her ist«, berichten meine Kolleginnen Irene Berres und Nina Weber aus unserem Gesundheitsteam. »Wenn aber alle schon im Abstand von fünf Monaten impfen wollen, würde das nur mit mehr Kapazitäten klappen.«

Die Sehnsucht nach weniger trüben Aussichten ist groß. Das zeigen auch Ihre Einsendungen auf meine Bitte hin, mir Vorschläge für das Wort 2022 zu schicken (hier mehr dazu). Eine Auswahl Ihrer Ideen: Herdensolidarität, Gruppenschlemmen, Glühweinexzesse, Tanzlustbarkeiten, Wohlfühlzone, Genußmitteldistanz. Mein Lieblingsvorschlag ist ganz einfach: Miteinander. Danke für alle Vorschläge.

2. Halt die Klappe, Siri

Zu den größten Plagen des digitalen Zeitalters zählt die Geschwätzigkeit der Geräte (neben der Geschwätzigkeit der Menschen, die sich in Sprachnachrichten Bahn bricht – aber darüber habe ich mich schon häufiger echauffiert). Die angeblich smarte Armbanduhr unterbricht das Gespräch mit der Beifahrerin: »Entschuldigung, das habe ich nicht verstanden.« Der angeblich smarte Lautsprecher nervt, obwohl niemand mit ihm gesprochen hat: »Kannst du das wiederholen?« Vielleicht muss man sich Maschinen als einfältige Narzissten vorstellen: Sie können sich gar nicht vorstellen, dass es nicht um sie geht.

Ungefähr so erkläre ich mir auch die gefährliche Sicherheitslücke mit dem Namen Log4j, die in IT-Abteilungen am Wochenende den Alarm auslöste: Die Schwachstelle könnten kriminelle Hacker als Einfallstor in Computersysteme in aller Welt nutzen, wie mein Kollege Patrick Beuth aus unserem Netzwelt-Ressort berichtet. Die Lücke geht darauf zurück, dass eine Maschine etwas falsch versteht. »Vereinfacht gesagt ist Log4j ein Werkzeug, mit dem IT-Administratoren protokollieren können, was auf ihrem Server passiert«, erklärt Patrick. »Aber wie sich nun herausgestellt hat, werden bestimmte Nachrichten, die am Server ankommen, von Log4j nicht als das erkannt, was sie sind: versteckte Befehle nämlich.« Das ermögliche dem Angreifer, einen Server aus der Ferne zu übernehmen. »Im Extremfall genügte es, eine bestimmte Zeichenfolge in ein Chatfenster im Spiel ›Minecraft‹ einzugeben, um sich in den jeweiligen Server zu hacken«, sagt Patrick. Das Ganze ist so einfach, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Warnstufe Rot ausgerufen hat, für eine »extrem kritische IT-Sicherheitslage« – was äußerst selten passiert. Zu den potenziellen Zielen gehören Unternehmen wie Apple, Google, Tesla und Amazon, aber auch mehrere deutsche Bundesbehörden.

Die gute Nachricht: Sie müssen nichts tun – vorausgesetzt, Sie benutzen Ihren Rechner und Ihr Telefon nicht, um einen Server zu betreiben. »Die Arbeit haben vielmehr die IT-Abteilungen in Unternehmen und Behörden«, sagt Patrick. Die schlechte Nachricht: Ich fürchte, gegen die Geschwätzigkeit der Geräte können auch sie nichts ausrichten.

3. Lose und Loser

Technische Probleme schafft sich der Mensch aber auch selbst, ohne dass der Computer die Schuld trägt. Die Uefa hat das heute bewiesen bei der Auslosung für das Achtelfinale der Champions League: Offenbar warf der Leiter der Vereinswettbewerbe, Michael Heselschwerdt, die Kugeln für die Klubs teilweise in die falschen Lostöpfe. So hätten die Gruppengegner Villarreal und Manchester United im Achtelfinale erneut aufeinandertreffen sollen.

Bei der Auslosung des Gegners von Atlético warf Heselschwerdt die Kugel des FC Liverpool ebenfalls mit in den Lostopf, obwohl auch diese beiden Mannschaften bereits in der Gruppenphase gegeneinander gespielt hatten. Andrej Arschawin, der die Ziehung durchführte, zog Bayern München – allerdings war die fälschlicherweise gezogene Kugel von United nicht mehr mit im Topf. Ein großes Durcheinander. Oder wie mein Kollege Peter Ahrens aus unserem Sportressort findet: »Die Uefa versteht es, ein echtes Event aus dem Ereignis zu machen.«

Was raten IT-Fachleute bei technischen Problemen? Richtig, den Neustart. Die Uefa wiederholte die Ziehung dann am Nachmittag. Zu den Profiteuren gehört Bayern München: Die Mannschaft trifft im Achtelfinale nun auf Salzburg statt auf Madrid.

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Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

Eine Bitte in eigener Sache: Der SPIEGEL wird bald 75

SPIEGEL 1/1947: Auf dem Cover der allerersten SPIEGEL-Ausgabe vom 4. Januar 1947 grüßte ein auch damals nicht sehr bekannter Herr die Leserinnen und Leser. Die Zeile lautete: »MIT DEM HUT IN DER HAND – wird man ein befreites Land. Österreichs Gesandter Dr. Kleinwächter vor dem Weißen Haus«

SPIEGEL 1/1947: Auf dem Cover der allerersten SPIEGEL-Ausgabe vom 4. Januar 1947 grüßte ein auch damals nicht sehr bekannter Herr die Leserinnen und Leser. Die Zeile lautete: »MIT DEM HUT IN DER HAND – wird man ein befreites Land. Österreichs Gesandter Dr. Kleinwächter vor dem Weißen Haus«

Sie haben es hier und da schon gelesen, im Schwesternewsletter »Lage am Morgen« vielleicht: DER SPIEGEL feiert am 4. Januar Geburtstag. Seit 75 Jahren steht unser Haus für unabhängige, investigative Berichterstattung. Wir wollen dieses Jubiläum feiern, aber auch zum Nachdenken nutzen: Gemeinsam mit Ihnen wollen wir darüber diskutieren, wie gesellschaftliche und politische Debatten und wie Journalismus in der Zukunft aussehen sollten.

Dazu gehört auch, dass wir unsere Arbeit besser erklären. Deshalb die Bitte: Schreiben Sie uns und stellen Sie uns all die Fragen, die Sie interessieren. Wer arbeitet beim SPIEGEL? Wer schreibt die Artikel, produziert die Podcasts und dreht die Videos, die Sie jeden Tag auf unserer Website und auf Social Media und jede Woche im Heft finden? Nach welchen Kriterien wählen wir unsere Themen aus? Wie sichern wir unsere Unabhängigkeit? Und wie hat sich unsere Arbeit verändert, seit am 4. Januar 1947 der erste SPIEGEL erschien?

Schreiben Sie meinen Kolleginnen und Kollegen bitte an 75@spiegel.de . Für unser Jubiläumsheft, das am 8. Januar 2022 erscheint, und für unsere Website wählen wir die häufigsten Fragen aus und beantworten sie.

Danke!

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

Was heute weniger wichtig ist

Alle Wege führen nach Strom: Elon Musk, 50, Chef des Elektroautobauers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX, findet sich als »Person des Jahres« auf dem Cover des US-Magazins »Time«. Chefredakteur Edward Felsenthal sagte zur Begründung über den angeblich 265-fachen Milliardär: »Wenige Menschen haben mehr Einfluss auf das Leben auf der Erde und potenziell außerhalb der Erde als Elon Musk.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Gegen Hetze, Gewalt und Hasse im Netz müssen wir entschlossener vorgehen«, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Cartoon des Tages: Erdogans Wirtschaft

Foto:

Klaus Stuttmann

Und heute Abend?

Könnten Sie Ihre Geografiekenntnisse auffrischen und unser Satellitenbilder-Quiz durchspielen. Meine Kollegen Jörg Römer und Christoph Seidler haben es zusammengestellt. Das Spiel basiert auf ihrem Buch »Von oben«, das faszinierende Fotos aus dem All zeigt. »Es nimmt die Leserinnen und Leser mit zu qualmenden Vulkanen, einsamen Wüsten oder winzigen Atollen im tiefblauen Meer«, versprechen Jörg und Christoph. Wenn Sie die Orte im Quiz erkennen, können Sie ein Exemplar des Buches gewinnen. (Hier mehr dazu.)

Einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Oliver Trenkamp

Hier können Sie die »Lage am Abend« per Mail bestellen.

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