Susanne Beyer

Die Lage am Morgen Trumps neuer Trotz

Susanne Beyer
Von Susanne Beyer, Autorin im SPIEGEL-Hauptstadtbüro

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute beschäftigen wir uns mit Trumps neuer Wendung beim US-Konjunkturprogramm, mit Weihnachten als Flüchtlingsgeschichte und mit der Frage, warum die Brexit-Verhandlungen wenigstens für den Fisch ein Erfolg sind.

Trump bezeichnet das Corona-Hilfspaket als lächerlich

Mit Müh und Not haben sich Republikaner und Demokraten am Montagabend Ortszeit im US-Kongress auf das zweite große Corona-Hilfspaket geeinigt. Um es überhaupt zustande zu bringen, wurden viele strittige Fragen ausgeklammert. Nun droht aber, Meldungen aus der Nacht zufolge, US-Präsident Donald Trump mit einem Veto gegen das Konjunkturpaket. Er verbreitete eine Videobotschaft über Twitter – hinter ihm üppige Weihnachtsdekoration – und rechnete vor, welche Ausgaben in seinen Augen alle unsinnig seien. Die Summe von 600 Dollar, die an alle Bürger unterhalb einer jährlichen Einkommensgrenze ausgezahlt werden soll, bezeichnete er als »lächerlich«. Stattdessen sollten es mindestens 2000 Dollar sein.

Mit dieser Wendung war nicht zu rechnen, der Präsident soll vorher signalisiert haben, er unterstütze das Paket. Die Videobotschaft endet mit Trumps Hoffnung, doch noch Präsident zu bleiben.

Ökonomen hatten schon direkt nach der Verabschiedung im Kongress beklagt, das 900-Milliarden-Dollar-Paket komme Monate zu spät. Weitere Verzögerungen kann sich das von der Pandemie schwer getroffene Land nicht leisten.

Sanktion verhängt, Ziel erreicht

Aufklärung ist immer die beste Form der Verteidigung, Aufklärungswille aber entsteht nur, wenn man etwas verteidigen möchte. Nach Recherchen des SPIEGEL zusammen mit den Investigativplattformen Bellingcat und The Insider sowie dem US-Nachrichtensender CNN erhärtet sich der Verdacht gegen Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, dass sie es waren, die den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny im August beinahe tödlich vergiftet haben. Nawalny selbst lieferte jetzt noch weitere Indizien: Er veröffentlichte Videomitschnitte, auf denen zu sehen und zu hören ist, wie er die mutmaßlichen Attentäter selbst anruft und einen der Männer dazu bringt, von der Tat zu erzählen.

Doch der Kreml setzt im Gegenzug zu den peinlichen Enthüllungen eben nicht auf Aufklärung des Falls, obwohl das angebracht wäre. Er nutzt stattdessen das altbekannte Mittel der Schuldumkehr: Als Reaktion auf die EU, die in der Sache Nawalny Fragen hatte, keine Antworten bekam und daraufhin im Oktober Sanktionen verhängte, erließ das russische Außenministerium gestern nun seinerseits Einreiseverbote für Vertreter aus Deutschland und anderer EU-Staaten.

Doch wie auch immer es jetzt zwischen Moskau und zum Beispiel Deutschland weitergeht – der Fall Nawalny wird eine abschreckende Wirkung auf Kremlwidersacher haben. Und das ist für die Opposition im Land das Hauptproblem und dürfte für die Drahtzieher des Anschlags das Hauptziel gewesen sein.

Wer hat Angst vor der Opposition?

Unter »Opposition« stellen sich Kremlchef Wladimir Putin und seine Leute offenbar etwas wirklich Schlimmes vor. Jedenfalls wurde jetzt mit einem neuen Immunitätsgesetz dafür gesorgt, dass Putin über seine Amtszeit hinaus vor Strafverfolgung geschützt ist. Ein Duma-Abgeordneter von der Kommunistischen Partei nannte als Begründung für das neue Gesetz: »In Zukunft muss verhindert werden, dass ein Ex-Präsident vor Gericht gestellt wird. Was ist, wenn die Opposition an die Macht kommt?«

Weihnachten im Matsch

Bevor es nun morgen endlich so weit ist, war jetzt wirklich viel von Heiligabend und von Weihnachten die Rede: in die Kirche gehen oder zu Hause zu bleiben? Verwandte besuchen oder nicht? Für viele Menschen sind das echte Sorgen, und es nützt nichts und wäre auch wohlfeil zu sagen, dass es größere Sorgen gibt. Für die Entwicklung von Kindern sind Rituale wichtig und alte Leute sollten nicht einsam sein – jüngere übrigens auch nicht.

Doch wenn Weihnachten wirklich so wichtig ist, sollte bei den vielen Sorgen noch eine weitere ihren Platz haben. Nämlich um die Menschen, die kein Zuhause haben.

Das »Unicef-Foto des Jahres 2020«, das gestern prämiert wurde, zeigt Kinder, die aus dem brennenden Flüchtlingslager Moria fliehen. Seitdem es Moria nicht mehr gibt, leben auf der griechischen Insel Lesbos mehr als 7500 Flüchtlinge und Migranten in einem provisorischen Zeltlager. Die Menschen, viele Kinder sind darunter, hausen im Matsch, sie teilen sich 400 Dixie-Klos, 200 Duschen, nur ein paar wenige mit warmem Wasser. Durch die Zeltwände kommt Regen.

Weihnachten ist eine Fluchtgeschichte, eine Geschichte der Unbehausten. Es ist auch eine Geschichte mit Happy End. Im wirklichen Leben gibt es meist kein Happy End, aber irgendeine Lösung muss dringend her.

Sender mit Aussicht auf Erfolg gescheitert

Zuletzt hat die Erhöhung des Rundfunkbeitrags einen politischen Skandal ausgelöst, nun sind die Gerichte dran, also das Bundesverfassungsgericht. Dadurch wird die Sache noch einmal kompliziert, aber das muss kein Nachteil sein.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte Anfang Dezember eine Abstimmung über den Rundfunkstaatsvertrag verhindert, um eine Koalitionskrise abzuwenden. Teile seiner eigenen Partei hätte beinahe mit der AfD zusammen gegen die Erhöhung des Beitrags um 86 Cent gestimmt.

Daraufhin versuchten ARD, ZDF und Deutschlandradio mit Eilanträgen, die Beitragserhöhung zum 1. Januar gerichtlich durchzusetzen. Diese Eilanträge hat das Bundesverfassungsgericht nun abgelehnt. Die Länder hätten nicht plausibel genug dargelegt, warum sie nicht bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren warten könnten.

Warten müssen die Sender nun, aber es ist gut möglich, dass sie im Hauptsacheverfahren doch noch recht bekommen. Denn der Politik bei der Frage der Beitragshöhe das letzte Wort zu lassen, wäre unlogisch. Die Sender haben nicht nur die Freiheit, sondern auch den Auftrag, kritisch zu berichten und sollten nicht in die Gefahr geraten, sich aus Existenzsorgen der Politik anzudienen.

Dass das Gericht es sich nicht zu einfach macht und die Sache im Hauptsacheverfahren ordentlich prüfen will, ist ein richtiges Signal an all die, die von der Erhöhung nichts halten. Gegen eine sorgfältige Prüfung haben es Ressentiments schwer.

Gewinner/Verlierer des Tages...

...ist der Fisch. Er wird nämlich dauernd nicht ernst genommen. Jedenfalls ist von einer bestimmten Sorte Vegetariern regelmäßig der Satz zu hören: »Ich esse kein Fleisch, aber Fisch«. Vom Fisch aus betrachtet, fallen solcherlei Äußerungen eindeutig in die Kategorie Mobbing. Wenn sich nun aber die Europäische Union und Großbritannien beim Brexit nicht einig werden sollten, würde das sehr wahrscheinlich an den Fischereirechten liegen. Das ist doch immerhin etwas und der Bedeutung des Fisches mal einmal würdig.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

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