Susanne Beyer

Die Lage am Morgen Der Präsident, der Pornostar und eine historische Anklage

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um die erste Anklage eines früheren US-Präsidenten überhaupt, um die Frage, was König Charles von seiner Mutter unterscheidet – und wir befassen uns mit den Tücken des aktuellen Sisi-Diana-Kults.

Zuspitzung im Trump-Krimi

Donald Trump wollte immer schon eine herausragende historische Figur werden. Das hat der ehemalige US-Präsident, im Schlechten, eigentlich ohnehin schon geschafft. Aber nun hat er sich noch mit einem amtlichen Alleinstellungsmerkmal einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert: Trump ist der erste Ex-Präsident in der über 200-jährigen Geschichte der USA, der wegen einer mutmaßlichen Straftat angeklagt wird.

Donald Trump (bei einer Wahlkampfveranstaltung in Waco, Texas)

Donald Trump (bei einer Wahlkampfveranstaltung in Waco, Texas)

Foto: SUZANNE CORDEIRO / AFP

Obwohl es in den letzten Tagen so aussah, als würde in dieser Woche nichts mehr passieren, war es gestern kurz vor Mitternacht deutscher Zeit so weit: In New York sprach sich die Grand Jury im Schweigegeld-Fall um Trump für die Erhebung der Anklage aus.

Trump soll mutmaßlich während seines Präsidentschaftswahlkampfs 2016 Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels gezahlt haben, außerdem soll indirekt Geld an das frühere Playmate Karen McDougal geflossen sein. Beide geben an, Sex mit Trump gehabt zu haben. Er bestreitet das. Die Zahlungen sind zwar nicht illegal, der Ex-Präsident könnte aber wegen Fälschung von Geschäftsdokumenten oder illegaler Wahlkampffinanzierung angeklagt werden. Noch wird die Anklageschrift von der zuständigen Staatsanwaltschaft unter Verschluss gehalten, die genauen Vorwürfe gegen Trump sind also noch nicht bekannt.

Der 76-Jährige behauptet aber schon jetzt, es seien Verschwörer gegen ihn angesetzt, die Anschuldigungen seien eine politisch motivierte »Hexenjagd«. Er rief bereits zu Protesten auf.

Die nächsten Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten werden am 5. November 2024 stattfinden. Ein Prozess gegen Trump könnte sich lange hinziehen. Seinen bisherigen Plan, wieder als Präsidentschaftskandidat anzutreten, kann Trump weiterverfolgen.

Obwohl seine Anhängerschaft auch im Sinne der Sexualmoral in weiten Teilen als konservativ gilt, erwies sie sich bisher als erstaunlich unbeeindruckt von derlei Vorwürfen gegen ihr Idol. Hinzu kommt, dass Trump einen Prozess sogar als Bühne für seine Verschwörungstheorien nutzen könnte. Doch er kann sich darin auch verkämpfen, es könnten weitere Peinlichkeiten ans Licht kommen.

Der Vorhang ist auf. Und alle Fragen sind offen.

Des Königs klare Worte

Ich habe wahnsinnig gute Laune, seit König Charles im Land ist. Natürlich gibt es dafür Gründe, die jetzt nicht ganz so politisch sind: Ich mag sein dunkles Timbre und wie er mit seiner Eleganz der Jogginghosen-Seligkeit heutiger Zeiten trotzt (gut, er hat dafür auch Beratung, Gelegenheit und Mittel).

König Charles gestern im Bundestag

König Charles gestern im Bundestag

Foto: Tobais Schwarz / AFP

Aber – doch, doch – meine Zuneigung hat auch politische Gründe. Gestern zeigte sich, wie schnell Charles in seine neue Rolle als König gefunden hat. Auch scheut er sich weniger als seine Mutter, Queen Elizabeth, seine Standpunkte klarzumachen.

Im Bundestag sprach er über den Klimaschutz und fand auch deutliche Worte dafür, dass er eine militärische Unterstützung der Ukraine gegen den Angriff Russlands für nötig hält. Beim Thema Brexit beließ er es bei Andeutungen, lobte aber die positiven Effekte des Handels zwischen Ländern. Dadurch wurde klar, dass hier eher ein Brexit-Gegner spricht.

Heute in Hamburg kommt ein Termin auf ihn zu, bei dem Worte kaum nötig sein werden: Wenn Charles das Denkmal »Kindertransport – Der letzte Abschied« am Südausgang des Bahnhofs Dammtor besuchen wird. Die Plastik erinnert an die Transporte deutscher Kinder in der NS-Zeit nach Großbritannien. Die Kinder waren jüdisch oder galten als jüdisch und wurden unter anderem von diesem Bahnhof aus wegtransportiert. Nur durch seine Anwesenheit wird der König dieses bittere Kapitel deutscher Geschichte ins Gedächtnis bringen, und auch, wie viel die Deutschen den Briten zu verdanken haben.

Des Kanzlers unklare Worte

Vom beredten Schweigen über Andeutungen bis hin zu deutlichen Worten – selbst eine reine Repräsentationsfigur wie Charles hat also diverse Möglichkeiten, sich im politischen Raum auszudrücken. Insofern sind Vertreterinnen und Vertreter einer Regierung noch einmal viel freier.

Mit Blick auf die eigene Klientel ist es sicher richtig, dass Grünenpolitiker Robert Habeck zurzeit von dieser Freiheit Gebrauch macht. Neulich im Fernsehen äußerte er sehr deutlich seinen Ärger über die Rolle seiner Partei in der Ampelkoalition. Und nach der Verkündung der Ergebnisse des Koalitionsausschusses in dieser Woche ließ er durchblicken, davon nicht allzu begeistert zu sein.

Fridays-for-Future-Demonstration

Fridays-for-Future-Demonstration

Foto: Sebastian Gollnow/ dpa

Die Leute, die Politik beobachten, verstehen ohnehin, was los ist. Daher führt es selten zum Ziel, um die Probleme herumzureden. Und die Vorhaben der Koalition gibt es sowieso schriftlich, schwarz auf weiß.

Die Strategie von Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Woche jedenfalls, die Ergebnisse des Koalitionsausschusses als prachtvoll zu verkünden, obwohl er wissen musste, dass sie in vielerlei Augen eher mickrig erscheinen, ging nicht auf. Als er von »sehr, sehr, sehr guten Ergebnissen« sprach, war gleich klar, dass man genauer hinschauen muss, ob das sein kann.

Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future bewertet die Beschlüsse nun wohl eher als sehr, sehr, sehr schlecht. FFF-Aktivistin Luisa Neubauer hat jedenfalls angekündigt, dass die Bewegung heute in mehreren deutschen Städten dagegen protestieren werde.

Die Demonstration in München soll vom dortigen SPD-Büro zum FDP-Büro führen. In Berlin soll der Zug vom Bundesverkehrsministerium zum Kanzleramt mit Zwischenstopp vor der Parteizentrale der Grünen und der FDP gehen.

Ein Termin, ein Gedenktag – ohne Worte

Belarussischer Präsident Lukaschenko

Belarussischer Präsident Lukaschenko

Foto: Vasily Fedosenko/ REUTERS

Manchmal braucht es, wie gesagt, nicht viele Worte. Zwei Termine des heutigen Tages muss man nur nebeneinanderstellen, und alles ist gesagt.

  1. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko wird sich mit einer Ansprache an sein Land wenden. Es wird erwartet, dass er sich zustimmend zu den taktischen Atomwaffen äußert, die Russlands Machthaber Wladimir Putin in Belarus stationieren will.

  2. Heute erinnert die Ukraine an das Massaker in Butscha, dem Vorort von Kiew, der vor einem Jahr von russischen Soldaten überfallen wurde. Die Bilder von der Straße mit den Toten, deren Hände zum Teil auf dem Rücken gefesselt waren, gingen um die Welt.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

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Gewinnerin des Tages…

...ist Sisi, die längst verstorbene Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn. Es gibt den relativ neuen Film »Corsage« von Marie Kreutzer über Sisi. Es gibt den relativ neuen Roman »Sisi« von Karen Duve. Es gibt die relativ neue Netflix-Serie »Die Kaiserin«, die ebenfalls von Elisabeth handelt. Seit gestern ist auch der Film »Sisi&Ich« der Filmemacherin Frauke Finsterwalder in den Kinos zu sehen.

Sisi ist überall.

Szene aus »Die Kaiserin« (Netflix)

Szene aus »Die Kaiserin« (Netflix)

Foto: - / dpa

Doch der Kult um die Kaiserin hat Tücken. Es kommt ja hinzu, dass zurzeit auch Diana, die verstorbene Princess of Wales, mit mehreren Filmen bedacht wird. Beide Frauen waren seelisch verletzt, auch als Reaktion auf ein Leben in Unfreiheit, aber sie waren alles andere als reine Opfer. Das wird in den künstlerischen Werken über Sisi auch sichtbar.

In der Netflix-Serie »Die Kaiserin« aber ist von diesem Gedanken bisher gar nichts zu sehen. Auch Diana wird in »The Crown« (ebenfalls Netflix) eher geschont. In der Öffentlichkeit aber bestimmen leider vor allem die Netflix-Blockbuster die Sichtweisen.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Podcast Cover

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Susanne Beyer, Autorin der Chefredaktion

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, dass Trump nicht nur an Stormy Daniels mutmaßlich Schweigegeld gezahlt haben soll, sondern auch an das frühere Playmate Karen McDougal. Tatsächlich hat Trump der zweiten Frau, Karen McDougal, kein Schweigegeld gezahlt. Geld floss an sie vom »National Enquirer«, der ihre Story gekauft – dann aber nicht veröffentlicht hat. Nach bisheriger Kenntnis gibt es keine direkte finanzielle Verbindung zu Trump, der Fall ist aber Teil der Untersuchungen. Wir haben die Stelle im Text korrigiert.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.

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