
Die Lage am Morgen Ziemlich gute Freunde

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um den Besuch des US-Präsidenten in Polen, um die düstere Stimmungslage im Land und ein resignierendes Parlament.
Wichtiges Symbol
Es ist nicht so, dass die Beziehung zwischen US-Präsident Joe Biden und Polen immer ungetrübt gewesen wäre, was man auch an Kleinigkeiten bemerkte. So nahm die US-Regierung durchaus wahr, dass Polens Staatspräsident Andrzej Duda dem damals neu gewählten US-Präsidenten ungewöhnlich spät zum Wahlsieg gratuliert hatte.

US-Präsident Biden bei der Ankunft in Warschau
Foto: BRENDAN SMIALOWSKI / AFPEs lag womöglich daran, dass Duda jahrelang ein enges Verhältnis zu Bidens Vorgänger Donald Trump gepflegt hatte, Gewohnheiten sind schwer abzulegen.
Auch als die USA im Juli 2021 mit Deutschland eine Vereinbarung über die Gaspipeline Nord Stream 2 schlossen, waren die Polen, stets Gegner des Projekts, verschnupft. Im selben Jahr verabschiedete Polen ein umstrittenes Mediengesetz, das sich auch gegen einen Fernsehsender mit amerikanischer Beteiligung richtete.
Die kleinen und großen Scharmützel sind vergessen. Es ist Krieg, weshalb Polen für die USA extrem wichtig ist. Das Land teilt eine 500 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine. Zugleich ist es Ziel für einen großen Teil der 2,2 Millionen Geflüchteten.
Joe Biden hält sich seit gestern in Polen auf. Er besuchte Soldaten der 82. Airborne Division, heute trifft er Duda und hält eine Rede am Warschauer Königsschloss.
Für Polen ist dieser Besuch vor allem ein wichtiges Symbol und Zeichen – auch gegen Russland. Der große Bruder, so kann man das lesen, reicht die schützende Hand – und lässt sie auch erst mal nicht mehr los.
Wie geht's Deutschland?
Nicht gut, zumindest den Zahlen nach. Nur 19 Prozent der Menschen blicken nach einer Allensbach Umfrage optimistisch in die nahe Zukunft, das ist der niedrigste Wert seit 1949.
41 Prozent fühlen sich nach einer Civey-Umfrage psychisch beeinträchtigt durch den Krieg, 62 Prozent fürchten, der Ukrainekrieg könne zum dritten Weltkrieg eskalieren, 78 Prozent rechnen mit einer Weltwirtschaftskrise. Ich kann die schlechte Stimmung nachvollziehen.

Geflüchtete, Helfer am Berliner Hauptbahnhof: Riesige Solidarität
Foto: IMAGO/Marius SchwarzZugleich gibt es auch gute Nachrichten in diesem Krieg: Das Land und ganz Europa erleben eine bislang unbekannte Solidarität. Es herrscht plötzliche Offenheit, alle Themen anzusprechen, auch bisherige Tabus. Der Kanzler hat für diese Phase den richtigen Namen gefunden: Zeitenwende.
Ein schöner Begriff, jetzt muss er nur noch mit Inhalt gefüllt werden.
Es stelle sich nun die dringende Aufgabe, schreibt der slowenische Philosoph Slavoj Žižek in einem Gastbeitrag für den SPIEGEL, »die Zivilisationen selbst zu zivilisieren und Solidarität und Zusammenarbeit zwischen allen menschlichen Gemeinschaften zu erzwingen«.
Wie die Menschen in Deutschland mit dieser Zeitenwende umgehen, wie ihre Stimmungslage ist, welche Hoffnungen es gibt, welche Ängste – das können Sie in einem großen Report im neuen SPIEGEL lesen.
Völlig unterschätzt
Die CDU glaubt offenbar nicht an einen Sieg bei der Landtagswahl im Saarland am kommenden Sonntag. Friedrich Merz, der neue Vorsitzende, sagte jedenfalls einen Wahlkampftermin mit Amtsinhaber Tobias Hans ab, er werde noch in Berlin gebraucht, hieß es.

Wahlplakate im Saarland
Foto: IMAGO/BeckerBredelSPD-Kandidatin Anke Rehlinger dagegen bekam reichlich Besuch aus Berlin: Die Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil etwa, selbst der Kanzler gab sich die Ehre.
Hat die Union das Bundesland längst aufgegeben?
Eine solch frühe Kapitulation wäre fatal und auch nicht fair. Man mag sich über die Größe des Landes lustig machen, über seine schrecklichen Dialekte, eines aber ist unbestritten: Das Saarland hat erstaunlich viele bekannte Persönlichkeiten hervorgebracht, im Durchschnitt vermutlich mehr als die meisten anderen Länder.
Damit diese besondere Leistung nicht in Vergessenheit gerät, hier eine kleine Auswahl echter Saarländer:
Nicole, Frank Farian, Philipp Jakob Siebenpfeiffer, Dieter Thomas Heck, Peter Hartz, Peter Altmaier, Heiko Maas, Erich Honecker, Max Ophüls, Willi Graf, Patrick Kühnen, Annegret Kramp-Karrenbauer und Rudi Assauer.
Erinnerung des Tages...
...ist der Hinweis, dass in der kommenden Nacht die Uhr umgestellt wird, und zwar von zwei auf drei Uhr. Der Grund dafür, warum es überhaupt eine eigene Sommerzeit gibt, ist übrigens hochaktuell: Während der Ölkrise in den Siebzigerjahren wollte man Energie sparen, ganz so wie wir heute. Geschichte wiederholt sich.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Betreiber der gescheiterten Pkw-Maut haben Anspruch auf Schadensersatz: Nach dem Stopp der Pkw-Maut hatten die vorgesehenen Betreiber von Deutschland Schadensersatz verlangt. Der damalige CSU-Verkehrsminister Scheuer wies die Ansprüche zurück. Ein Schiedsgericht urteilte nun: zu Unrecht
Biden vergleicht Widerstand der Ukrainer mit Tiananmen-Protesten: Nur 90 Kilometer vom Kriegsgebiet entfernt hat der US-Präsident Biden seine in Polen stationierten Truppen besucht. Den Einsatzwillen der Ukrainer lobte er – und attackiert damit gleichzeitig den Rivalen China
Drosten warnt vor Coronaleichtsinn: Laut dem Virologen Christian Drosten darf die Pandemie ab jetzt nicht unterschätzt werden. Ein unreflektiertes Öffnen dürfe es nicht geben. Auch für den Sommer erwartet Drosten Infektionen
Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute
Geldgeschäfte in Kriegszeiten: Sind Bitcoins die Freiheitswährung – oder platzt bald die Blase?
Digitalexperte über Kryptowährungen: »Wir bekommen unheimlich viel Blockchain-Bullshit angeboten«
Krisenmanagement der Politik: So kam es zum Corona-Zerwürfnis
Ich wünsche Ihnen ein erholsames und erfüllendes Wochenende!
Ihr Martin Knobbe