Markus Feldenkirchen

Die Lage am Morgen Warum Donald Trump erneut siegen könnte

Markus Feldenkirchen
Von Markus Feldenkirchen, Autor im SPIEGEL-Hauptstadtbüro

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute beschäftigen wir uns mit dem möglichen Ende der Gaspipeline Nord Stream 2. Den (gar nicht so schlechten) Chancen von Donald Trump, wiedergewählt zu werden. Und der schwindenden Anziehungskraft von Populisten in Deutschland.

Ende einer Pipeline?

Nach der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny durch das Nervengift Nowitschok werden die Forderungen nach einem Stopp der Gaspipeline Nord Stream 2 lauter. "Das blauäugige Wegschauen der Bundesregierung zu Präsident Putins brutalem Kurs muss endlich ein Ende haben", sagt Agnieszka Brugger, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen im neuen SPIEGEL. Es brauche eine sehr harte, klare und gemeinsame europäische Antwort, so Brugger. "Das Ende von Nord Stream 2 wäre dabei das Mindeste." 

Die FDP verlangt ebenfalls, das Projekt auf den Prüfstand zu stellen. Aber auch in der Union wächst die Kritik daran. Norbert Röttgen, Kandidat für den CDU-Vorsitz, fordert schon lange ein Ende von Nord Stream 2. Nun bekommt er Unterstützung des Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU): "Natürlich gehört zu möglichen Sanktionen die härteste: ein partieller Einkaufsstopp bei Rohstoffen", sagte Weber dem SPIEGEL. "Das Ende von Nord Stream 2 darf nicht mehr ausgeschlossen sein."

In der Regierung wird diese Sanktion bislang noch ausgeschlossen. Zumindest ein Regierungsmitglied erklärt jedoch im Hintergrund, dass die Option eines Stopps auf jeden Fall diskutiert werden müsste. Die Frage ist nur, ob die Bundeskanzlerin dies ähnlich sieht.

Warum Donald Trump erneut siegen könnte

Dass Donald Trump bei der Wahl am 3. November tatsächlich abgewählt wird, glaube ich erst, wenn es geschehen ist. Mit ihren Prognosen vor vier Jahren lagen bekanntlich alle "Experten" falsch. Meist war der Wunsch Vater des Gedankens - gerade auch unter Journalisten.

Seltsamerweise haben nicht alle aus diesem Irrtum gelernt. Zuletzt waren sich wieder viele Beobachter sicher, dass Trump diesmal nun wirklich keine Chance habe. Sein Kontrahent Joe Biden führe schließlich in allen Umfragen, auch in den relevanten Swing States, in denen letztlich über die Präsidentschaft entschieden wird. Nur zur Erinnerung: Hillary Clinton führte damals ebenfalls in allen Umfragen - nur spiegelten diese Umfragen eben nicht die Wirklichkeit wider. Nach dieser Erfahrung ist es ziemlich absurd, ein weiteres Mal der Demoskopie zu trauen. Hinzu kommt, dass Trump in manchen Umfragen zuletzt aufholen konnte. Im Swing State Pennsylvania etwa ist Bidens Vorsprung nach einer neuen Umfrage der Monmouth University erheblich geschrumpft, von 13 Prozentpunkten im Juli auf vier.

Um seine Kampagne weiter zu befeuern, hat Trump gestern Abend Pennsylvania besucht und eine Wahlkampfrede gehalten. Sein Herausforderer Biden tut derweil mal wieder alles, um nicht von sich reden zu machen.

Erste weibliche Doppelspitze?

Heute endet in Potsdam die Klausurtagung der Bundestagsfraktion der Linken. Solche Treffen dienen im Idealfall der inhaltlichen Debatte. Und gerade die Linke mit ihrer chronisch-putinapologetischen Grundausrichtung hätte dieser Tage manches zu klären. Über dem Treffen aber schwebt die Frage, von wem die Linke künftig geführt werden soll. Parteichefin Katja Kipping hat angekündigt, auf dem Parteitag Ende Oktober in Erfurt nicht mehr zu kandidieren.

Als Favoritinnen (wenn sie denn wollen) gelten derzeit: Susanne Hennig-Wellsow, die Landesvorsitzende aus Thüringen, und Janine Wissler, die stellvertretende Parteichefin aus Hessen. Für dieses Duo spräche viel. Sie sind jung, in ihren bisherigen Ämtern erfolgreich, sie decken Ost und West ab und zwei Flügel der uneinigen Partei. Zudem würden sie als erste weibliche Doppelspitze für Aufmerksamkeit sorgen. Allerdings sind die Favoritinnen bislang eben nur Favoritinnen. Die können auch verlieren. Oder wider Erwarten gar nicht antreten.

Gewinner des Tages...

... sind die Bürger in Deutschland. Sie lassen sich weit weniger von Populismus verführen als noch in der Vergangenheit. Zu diesem erfreulichen Ergebnis kommt eine Umfrage für das "Populismusbarometer 2020", das vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und der Bertelsmann Stiftung erstellt wird. Demnach ist nur noch jeder fünfte Wahlberechtigte in Deutschland populistisch eingestellt, zwei Jahre vorher war es noch jeder dritte. Auch der Anteil nicht-populistischer Wähler ist seither um die Hälfte angestiegen.

Das deckt sich zwar nicht mit den Bildern und Eindrücken vom vergangenen Wochenende, als in Berlin Zigtausende Bürger Populisten und Verschwörungstheoretikern zujubelten. Aber genau darin besteht ja der Trick von Populisten: einer Minderheit zu suggerieren, sie seien die schweigende Mehrheit. Gerade wir Journalisten sollten diesen Tricks nicht so oft auf den Leim gehen, indem wir den Krakeelern eine gesellschaftliche Bedeutung zumessen, die sie de facto nicht haben.

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Einen heiteren Freitag wünscht Ihnen

Ihr Markus Feldenkirchen

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Agnieszka Brugger sei verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Das stimmt nicht, sie war in der vergangenen Legislaturperiode verteidigungspolitische Sprecherin, inzwischen ist sie stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen. Wir haben die Stelle korrigiert.

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