
Die Lage am Morgen Tag eins für König Charles III. – als Diener

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um den Tod der Queen und um die Chancen des neuen Monarchen, das auseinanderdriftende Königreich zu einen. Außerdem: Der CDU-Parteitag, der heute beginnt und ein bekanntes Thema aufwirft.
Die Queen und ihr ältester Sohn – Abschied und Anfang
Zweimal ging es in dieser nun ablaufenden Woche im Morning Briefing um Queen Elizabeth II., am Montag und auch am Dienstag, zuletzt also nur zwei Tage vor ihrem Tod. Es ist ein kleines Symbol, das darauf verweist, wofür die Queen stand und wofür ihr Vermächtnis stehen wird: Sie hat gedient, bis zum Schluss.
Am Dienstag ernannte sie ihre letzte Premierministerin, Liz Truss, auf Schloss Balmoral in Schottland. Dort ist die Queen gestern Nachmittag gestorben.

Queen Elizabeth II. ernannte am Dienstag die neue Premierministerin Truss
Foto: Andrew Milligan / POOL / EPA1947, als 21-jährige Prinzessin, hatte sie den Staaten des Commonwealth bei einer Ansprache schon versprochen, dass sie genau darin ihre Aufgabe sehen würde: zu dienen.
Mit dieser Haltung hob sie sich deutlich von einigen ihrer letzten Premierminister ab, den Abkömmlingen einer Elite, die Regieren als Spiel zu verstehen schienen. David Cameron initiierte das Brexit-Referendum, Boris Johnson vollzog den Brexit und machte sich und das Königreich mit immer neuen Narreteien unmöglich.
Großbritannien ist nach wie vor zerrissen zwischen Brexit-Gegnern und Befürwortern, der Riss geht durch Familien. Eine schwere Wirtschaftskrise rollt in diesen Tagen auf das Land zu. Ein Land, dem nun mit Liz Truss eine Premierministerin vorsteht, die sich in früheren Rollen als Opportunistin erwiesen hat und nicht vom Volk, sondern nur von ihrer Partei, den Konservativen, gewählt worden ist. Der es also an der nun nötigen Autorität und Legitimation fehlt.
Dass die Queen ausgerechnet in Schottland starb, könnte zudem in den Geschichtserzählungen der Zukunft eine Rolle spielen. Dann nämlich, wenn sich die Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands verschärfen, womit zu rechnen ist.
Da kommt viel zusammen, es ist eine schwierige Lage, in der der älteste Sohn der Queen nun als König Charles III. bestehen muss. Er war gestern wegen des Gesundheitszustands seiner Mutter nach Schloss Balmoral gereist. Heute wird er mit seiner Frau Camilla als neues Königspaar nach London zurückkehren.

Der heutige König Charles (mit seiner Frau Camilla) als Prince of Wales
Foto: MAURICIO DUENAS CASTANEDA / EPAIn den Kommentaren des gestrigen Abends war viel Skepsis zu hören, ob Charles in der Lage sein wird, das auseinanderdriftende Königreich zusammenzuhalten, auch ob er beliebt genug sein wird. Doch so schlecht sind die Voraussetzungen dafür nicht. Denn je enttäuschter die Briten von ihrer politischen Klasse sind, desto mehr hängen sie am Anachronismus der Monarchie.
Charles ist seiner Haltung nach ein Konservativer, der aber für ein modernes Thema steht: die Ökologie. Das ist eine Mischung, die vielen Alten und Jungen die Möglichkeit zur Identifikation bietet. Außerdem: Über die Queen war gesagt worden, dass eine ihrer wesentlichen Funktionen zuletzt in der Tatsache lag, dass sie für die allermeisten Briten schon immer da war. Der fast 74-jährige Charles ist selbst für Ältere ebenfalls immer schon da gewesen.
Bis gestern (und seit 1958) war Charles der Prince of Wales. Auf dessen Helm findet sich ein Schriftzug mit einem Spruch. Er lautet: »Ich dien«.
Nicht nur die Briten empfinden den Tod der Queen als Verlust. Gestern liefen auf etlichen Fernsehsendern der Welt stundenlang Sondersendungen, auch in Deutschland. Zu sehen war immer wieder das Bild ihrer letzten Amtshandlung am Dienstag.
Wenn – nach dem Vorbild der Queen – das Dienen die eigentliche Aufgabe für all jene sein kann, die im Auftrag der Öffentlichkeit arbeiten, könnte das ja auch für hiesige Politikerinnen und Politiker gelten. Für höhere Angestellte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, für Beamte sowieso, für viele Menschen also, von denen so vieles abhängt.
Nachruf auf Queen Elizabeth II. Die letzte Majestät
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Reaktionen von Prominenten: »Die Welt wird jemanden wie sie nie wieder sehen«
Friedrich Merz und die Frauen
Heute trifft sich die CDU zu einem Parteitag, erstmals seit knapp drei Jahren in Präsenz. Die Christdemokraten werden sich wohl gegenseitig wiedererkennen, ein Hauptthema des Treffens ist ebenfalls von hohem Wiedererkennungswert. Neben neuen Themen – wie den Reaktionen der Politik auf die Preissteigerungen im Energiebereich und die Inflation – wird es mal wieder um die Einführung einer Frauenquote gehen.

CDU-Chef Merz
Foto: Thomas Kienzle / AFPDer Vorsitzende Friedrich Merz hat sich nach langem Zögern für einen entsprechenden Antrag ausgesprochen, weil er erkannt hat, dass es ohne Quote nicht klappen wird, mehr Frauen für CDU-Führungspositionen auf allen Ebenen zu rekrutieren. Mein Kollege Florian Gathmann schreibt im Vorbericht zum Parteitag: »Auch wenn Merz die Entscheidung zuletzt kleingeredet hat, geht es dabei ein Dreivierteljahr nach seiner Wahl sehr wohl auch um seine Autorität als Parteichef.«
Meine Kollegin Melanie Amann hat aus CDU-Kreisen gehört, dass es eher nicht so gut aussieht für die Einführung der Frauenquote.
Das würde dann etwas bedeuten für die Autorität des Friedrich Merz.
Vorbericht zum Parteitag: Bewährungsprobe für Merz
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihre Susanne Beyer