
Die Lage am Morgen Putin bemüht den Stalingrad-Mythos

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um die russischen Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Schlacht von Stalingrad, um die Imageprobleme der Öko-Organisation »Letzte Generation« und um die sinkende Inflation.
Russische Selbstvergewisserung
Der Kampf um die Stadt Stalingrad im Winter 1942/43 zählt zu den grausamsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Zum 80. Jahrestag des Gemetzels zwischen Russen und Deutschen plant Kremlchef Wladimir Putin heute eine große Gedenkfeier am Ort des Geschehens in Wolgograd (einst Stalingrad).
Es dürfte für Putin und seine Spindoktoren eine gute Gelegenheit sein, einmal mehr absurde Parallelen zwischen der historischen Abwehrschlacht seines Landes gegen Nazideutschland und dem aktuellen Konflikt mit der Ukraine zu ziehen. Zugleich wird es um Selbstvergewisserung gehen: Die Gedenkfeiern sollen wohl dabei helfen, dass Russland den Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit bewahrt.

Wladimir Putin wirkt nicht so glücklich
Foto: Mikhail Klimentyev / AFPLeider steht Russland diesmal aber auf der falschen Seite der Geschichte – und anders als im Zweiten Weltkrieg ist beim Kampf um die Ukraine nicht ausgemacht, ob es für das Land wieder ein Happy End geben wird.
Auch die beste Propaganda kann kaum die Tatsache überdecken, dass Putin bei seinem Krieg gegen die Ukraine nach etlichen Rückschlägen dringend einen Erfolg bräuchte. Eine russische Großoffensive könnte daher schon bald beginnen. »Russland bereitet sich auf die maximale Eskalation vor«, sagte der Sekretär des nationalen Sicherheitsrates in der Ukraine, Olexij Danilow, dem britischen Fernsehsender Sky News. Er schätzte die Zahl der in der Ukraine kämpfenden russischen Soldaten auf etwa 320.000. Etwa die Hälfte davon könnte an der neuen Offensive teilnehmen. Es wäre eine gigantische Streitmacht.
Für Nervosität dürften in Moskau derweil die Pläne der USA sorgen, neue weitreichende Waffen an die ukrainischen Streitkräfte abzugeben. Geplant ist nach Medienberichten offenbar, erstmals sogenannte Ground Launched Small Diameter Bombs (GLSDB) zu liefern. Diese Systeme können Ziele in 150 Kilometer Entfernung bekämpfen. Bislang reichen die an Kiew gelieferten Raketen lediglich 80 Kilometer weit. Mit den neuen Waffen könnte Kiew verstärkt Nachschubwege der Russen angreifen. Eine mögliche russische Offensive würde so schnell an Schwung verlieren. Dagegen hilft dann auch kein Stalingrad-Mythos.
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Die nächste Peinlichkeit für Joe Biden
US-Präsident Joe Biden hat seit Jahren ein hübsches Ferienhaus im Örtchen Rehoboth Beach am Atlantik. Seine Frau Jill stammt von dort. Rehoboth ist nicht Palm Beach, und das Haus ist auch nicht Mar-a-Lago, aber immerhin. In Deutschland würde man sagen, mehr Rügen als Sylt.
Nun hat das FBI das Ferienhaus durchsucht. Die Fahnder wollten prüfen, ob sich dort noch weitere verschlampte Geheimpapiere aus Bidens früherer Verwendung als Vizepräsident befinden. Offenbar wurden sie dabei aber nicht fündig.

Ferrienhaus der Bidens in Delaware
Foto: Mark Makela / REUTERSIn der ganzen Affäre um falsch gelagerte Akten sieht Biden trotzdem weiter nicht gut aus. Vor allem kann sich Ex-Präsident Donald Trump freuen, weil sein notorisches Aktenhorten in Mar-a-Lago plötzlich gar nicht mehr so schlimm wirkt. Er kann sagen: Seht her, machen doch alle. Aber natürlich gibt es zwischen den beiden Fällen weiter einen erheblichen Unterschied: Während Biden mit den Justizbehörden von Beginn an in der Sache kooperiert hat – also Akten, die womöglich versehentlich in seinem Privathaus lagerten, freiwillig aushändigte – weigerte sich Trump monatelang, solche Papiere herauszurücken. Er und/oder seine Anwälte logen dabei vielleicht sogar die Justizbehörden an.
Für das US-Justizministerium dürfte es dennoch schwieriger werden, Trump wegen der ganzen Geschichte anzuklagen, ohne auch den amtierenden Präsidenten in irgendeiner Form zu belangen. Dann lassen sie es wahrscheinlich lieber. In den Augen der Öffentlichkeit hat sich ohnehin längst der Eindruck durchgesetzt, Biden und Trump hätten irgendwie beide Mist gebaut. Laut einer ABC-Umfrage glauben 77 Prozent der Wählerinnen und Wähler, dass Trump sich falsch verhalten hat. Bei Biden sind es immerhin 64 Prozent. Autsch.
Aktenaffäre des US-Präsidenten: Ermittler finden bei neuer Durchsuchung keine weiteren Geheimdokumente bei Biden
»Letzte Generation« auf Bali
Die Klimaschutzgruppe »Letzte Generation« hat ein kleines Imageproblem. Zwei ihrer Aktivisten aus Baden-Württemberg haben offenbar einen Gerichtstermin geschwänzt und sind stattdessen in den Bali-Urlaub geflogen. Die beiden sollten vor dem Richter erscheinen, weil sie sich an einer Straßenblockade der »Letzten Generation« im Raum Stuttgart beteiligt hatten. Gegen Big Oil, PS-Protze und so.
Vor allem sorgt der Umstand für Aufregung, dass radikale Klimaschützer Tausende (klimaschädliche) Flugmeilen zurücklegen. Es gibt viel Hohn und Spott. Die CDU bemüht schon den Klassiker »Wasser predigen, Wein trinken«. Ganz vorne mit dabei beim Shitstorm sind auch die Klimaaktivisten von der »Bild«-Zeitung. Zeile: »Die verlogene Welt der Klima-Kleber: Unsere Straßen blockieren, aber Langstrecke fliegen.« Die Redaktion tut routiniert das, was sie offenbar am liebsten mag: einzelne Leute an den Pranger stellen.

Klimaaktivisten der »Letzten Generation« in Köln im Einsatz
Foto: Oliver Berg / dpaEs ist ein Skandal, wie er so nur in Deutschland möglich ist. Schön auch die Ausrede, die die »Letzte Generation« dazu abgab. Die Leute seien nicht als Klimaaktivisten, sondern als Privatpersonen gereist, hieß es da. Diese PR-Prosa hätte auch eine FDP-Pressestelle nicht eleganter formulieren können.
Im Ernst beweist der Vorgang vor allem, wie kompliziert die Klimadebatte wird, wenn es um persönliche Lifestyle-Einschränkungen geht. Flugreisen, zumal zu Zielen wie Bali, sind nun mal für viele Leute weiterhin eine schöne Sache, auf die sie für ihr Wohlbefinden nicht verzichten möchten.
Die zwei Urlauber von der »Letzten Generation« sind offenkundig auch keine Klima-moralischen Übermenschen. Gut zu wissen. Ihnen sei verziehen. Wer ohne Klimasünde ist, der werfe den ersten Stein. Und wenn man das augenblickliche Winterwetter in Deutschland sieht, muss man ganz ehrlich sagen: Für einen schönen Bali-Trip gibt es wirklich einige triftige Gründe.
Klimaproteste: Mit dem Weltuntergang lässt sich nicht diskutieren
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Gewinner des Tages…

…sind wir alle, die sogenannten Verbraucherinnen und Verbraucher. Offenbar geht die Inflation langsam zurück. Jedenfalls ist die Inflationsrate im Euroraum zu Jahresbeginn stärker gefallen als erwartet. Im Januar kletterten die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 8,5 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat in einer ersten Schätzung mitteilte. Im Dezember hatte die Inflationsrate noch 9,2 Prozent betragen, und im vergangenen Oktober war ein Rekordwert von 10,6 Prozent erreicht worden.
Heute werden die Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammenkommen, um über eine weitere Zinserhöhung zu entscheiden. Die wird sicher kommen, weil die Teuerungsrate immer noch zu hoch ist. Aber die sinkende Inflation zeigt, dass die Richtung stimmt. Es gibt also auch gute Nachrichten.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Roland Nelles, US-Korrespondent