Roland Nelles

Die Lage am Morgen Ukraine-Vermittler, die niemand braucht

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um Brasiliens Präsident Lula, um Benjamin Netanyahu und um Donald Trump, die sich als Vermittler im Ukrainekonflikt andienen, um den Kampf um die US-Staatsfinanzen – und um die Abgeordnetenhauswahl in Berlin (unter Vorbehalt).

Problematische Möchtegern-Vermittler

Viele Altlinke können Russland für den Angriff auf die Ukraine weiterhin nicht richtig böse sein. Das gilt offenbar auch für Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.

Beim Besuch von Kanzler Olaf Scholz legte der Brasilianer seine Sicht der Dinge dar, indem er gleichsam eine Mitschuld der Ukraine an dem Krieg andeutete. Zu einem Konflikt gehörten immer zwei Parteien, meinte Lula. Und überhaupt, die Gründe für den Krieg seien nicht klar.

Kanzler Olaf Scholz, Präsident Lula in Brasilia

Kanzler Olaf Scholz, Präsident Lula in Brasilia

Foto: Andre Borges / EPA

Bereits im Mai 2022 hatte Lula in einem Interview mit dem »Time«-Magazin über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesagt: »Dieser Typ ist für den Krieg genauso verantwortlich wie Putin.«

Lula kündigte an, mit China einen gemeinsamen Versuch starten zu wollen, im Ukrainekrieg zu vermitteln. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob die Ukrainer mit einem Vermittler wie Lula viel anfangen könnten. Seine Kommentare beim Scholz-Besuch dürften in dieser Hinsicht jedenfalls wenig hilfreich gewesen sein. Dafür klingt der Brasilianer dann doch sehr wie jemand, der in seiner Jugend zu viel Radio Moskau gehört hat.

Übrigens gibt es aktuell auch noch andere Vorschläge für Vermittler, die eher niemand braucht. So wäre wohl auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bereit, eine solche Rolle zu übernehmen, wenn er gefragt würde. Das sagte er CNN. Allerdings fragt man sich bei Netanyahu natürlich sofort, wie ausgerechnet er den Ukrainekrieg befrieden soll, wenn er es schon nicht schafft, einen dauerhaften Frieden mit den Palästinensern zu schließen.

Und dann ist da auch noch der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump. Er verschickte an seine Anhänger stolz einen Zeitungsbericht, in dem er von einem republikanischen Parteifreund als Friedensbote in der Ukraine angepriesen wird.

»Joe Biden sollte Donald Trump damit beauftragen, einen Frieden auszuhandeln«, schlug der Kongressabgeordnete Troy Nehls vor. »Donald Trump schafft das.« Im Weißen Haus haben sie bestimmt lange nicht so laut gelacht.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Die jüngsten Entwicklungen: Die USA schnüren das nächste Militärpaket für die Ukraine. Selenskyj erwartet »Neuigkeiten« vom Gipfel mit der EU. Vizekanzler Habeck ist gegen Kampfjetlieferungen. Der Überblick.

Milliardenpoker in den USA

In der US-Hauptstadt Washington kommt es heute zu einem besonderen Treffen: Präsident Joe Biden und der neue Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Kevin McCarthy, wollen miteinander über die amerikanische Staatsschuldenkrise beraten. Es gehört zum Ritual bei solchen Auftakttreffen, dass dabei erst einmal nichts herauskommen wird.

Denn das Pokerspiel um die US-Staatsfinanzen ist gerade erst eröffnet worden und wird sich wohl noch bis zum Sommer hinziehen. Spätestens dann muss der US-Kongress das sogenannte Schuldenlimit anheben, um zu verhindern, dass die US-Regierung ihre gigantischen Kredite nicht mehr bedienen kann. Dazu braucht es auch die Zustimmung im Repräsentantenhaus, in dem die Republikaner die Mehrheit haben.

Kevin McCarthy

Kevin McCarthy

Foto: Alex Wong / Getty Images

Es ist zu erwarten, dass sich Joe Biden und McCarthy diesmal nur umtänzeln werden, wie zwei Boxer, die einen langen Kampf eröffnen. Ein Tipp für den Ausgang geht übrigens so: Biden wird sich am Ende durchsetzen.

Soll heißen: Das Schuldenlimit wird wahrscheinlich angehoben und die von McCarthy und anderen Republikanern verlangten massiven Kürzungen im US-Haushalt wird es in dieser Form nicht geben. Der Grund: McCarthy hat für etwaige Kürzungen beim Militär oder bei den Sozialsystemen nach Lage der Dinge selbst in den eigenen Reihen keine Mehrheit.

Berliner dürfen wählen (unter Vorbehalt)

Es wird für Nicht-Berliner schwer nachvollziehbar sein, aber Berliner mögen Berlin wirklich. Das heißt, wer dort lebt, mag die Stadt trotz ihrer vielen Macken und Schwächen. Oder besser gesagt: gerade deswegen.

Viele Berliner werden es deshalb wohl stoisch hinnehmen, dass in knapp zwei Wochen die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksversammlungen wiederholt werden müssen, weil bei den letzten Wahlen so viel schiefgegangen war.

Berliner Wahlzettel

Berliner Wahlzettel

Foto: IMAGO / IMAGO/Political-Moments

Schön passend ist in diesem Zusammenhang nun die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Causa. Obwohl die Richterinnen und Richter in Karlsruhe sitzen, entspricht ihre einstweilige Anordnung einer gewissen Berliner Wurstigkeit. Demnach dürfen die Wahlen am 12. Februar wie geplant stattfinden. Kurios: Das Gericht will erst danach grundsätzlich entscheiden, ob die Wahlen wiederholt werden durften oder nicht.

Mit anderen Worten: Wer am 12. Februar seine Stimmen abgibt, tut dies nur unter Vorbehalt. Theoretisch könnte das Gericht anschließend die Wahlwiederholung immer noch für ungültig erklären.

Ist das sehr wahrscheinlich? Wohl eher nicht. Dass die Verfassungsrichter die Sache nun laufen lassen, spricht dafür, dass sie der Wahl in der kommenden Woche später grundsätzlich ihren Segen geben werden. Alles andere wäre eine Katastrophe – für das Ansehen Berlins, aber auch für das des Bundesverfassungsgerichts.

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Gewinner des Tages…

…ist der Jumbo, also die Boeing 747. Mehr als fünf Jahrzehnte lang galt der Großraumjet als Inbegriff von Fortschritt und grenzenloser Freiheit. Seit 1969 wurden 1574 Maschinen dieses Typs produziert. Millionen von Menschen sind mit der »Königin der Lüfte« (fast immer) zuverlässig durch die Welt geflogen. Nun hat der letzte 747-Jumbo, der je gebaut wurde, die Boeing-Werft in Everett im US-Bundesstaat Washington verlassen.

Boeing 747 bei der Landung

Boeing 747 bei der Landung

Foto: Jennifer Buchanan / AP

Das alles ist etwas traurig für Luftfahrtfans, aber letztlich doch eine gute Nachricht. Die Monsterjets haben sich als Konzept überholt. Sie schlucken zu viel Sprit pro Passagier, tragen zur Beschleunigung des Klimawandels bei und sind für Fluggesellschaften am Ende oft unrentabel geblieben.

Ganz vorbei ist das Jumbo-Zeitalter damit allerdings noch nicht: Einige Fluggesellschaften werden die 747 noch einige Jahre in der Flotte halten, darunter die Lufthansa. Und auch ein besonders wichtiger Kunde bekommt bald noch zwei Maschinen ausgeliefert: Sie sind bereits fertig, werden jedoch noch umgebaut. Es sind die neuen Jets für den US-Präsidenten, die dann jeweils im Wechsel als »Air Force One« unterwegs sein werden.

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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Roland Nelles, US-Korrespondent

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