Die Lage am Mittwoch Liebe Leserin, lieber Leser,

nach Flüchtlingen, Özil und dem Wetter drängt ein neues Thema auf den Spielplan des Sommertheaters, die Frage: Wo ist Merkel? Zuletzt gesehen wurde die Kanzlerin beim gemeinsamen Opernbesuch mit ihrem Gatten Joachim Sauer in Bayreuth. Den traditionellen Wanderurlaub in Südtirol musste der emeritierte Chemieprofessor allein antreten, zwar im "gewohnten Wanderdress mit weißer Mütze und Kniebundhose", wie die "Bild"-Zeitung aufmerksam registrierte, "aber ohne seine Angela".
Merkels Öffentlichkeitsarbeiter wiederum möchten nichts zur Aufklärung des Falles beitragen, und so rätselt nun die Republik, wohin die Kanzlerin wohl ohne ihren Ehemann geflüchtet ist: zum Bocciaspiel nach Cadenabbia? Zum Kuren an den Wolfgangsee? Oder will sie allen Merkel-muss-weg-Rufern mal demonstrieren, wie es in der Republik aussähe, wenn es nicht mehr MMW hieße, sondern: MIW.
Der Kohl-Bewunderer

Jens Spahn war mal der Hoffnungsträger des CDU-Wirtschaftsflügels. Heute aber bringt der Gesundheitsminister ein Gesetz zur Aufstockung des Pflegepersonals ins Kabinett, das auch von der sowjetischen Gosplan-Zentrale in Moskau ersonnen worden sein könnte. Von "Untergrenzen" ist die Rede, von zentralen Vorgaben für jedes Krankenhaus, von Sanktionen, wenn der Plan verfehlt wird. Spahn, so zeigt sich, folgt nicht den hehren Grundsätzen der Ordnungspolitik, sondern Helmut Kohl: "Ich will Wahlen gewinnen", so pflegte der Altkanzler zu sagen, "und nicht den Erhard-Preis."
Die Erzählungen des Elon Musk

Die Kunst, in schwierigen Zeiten gute Geschichten zu erzählen, beherrscht niemand besser als Tesla-Chef Elon Musk. Bevor seine Firma heute die eher durchwachsenen Zahlen für das zweite Quartal präsentiert, setzte sie noch rasch zwei hübsche Nachrichten in die Welt.
Erstens, die Firma will eine Megafabrik für Batterien und Autos in Deutschland oder Holland bauen. Zweitens, vergangene Woche verkaufte sie binnen weniger Minuten 200 selbst entwickelte Surfbretter im eigenen Onlineshop. Die erste Meldung sagt: Wir sind noch in der Offensive. Und die zweite? Wenns mit den Autos schiefgeht, probieren wir etwas anderes.
Das Integrations-Wunder

In Bayern gehen die ersten Ankerzentren in Betrieb. In Berlin werden neue Regeln zum Familiennachzug in Kraft gesetzt. In Düsseldorf geht das Tauziehen um den mutmaßlichen Terrorhelfer Sami A. weiter. Lauter Nachrichten des heutigen Tages, die scheinbar zeigen: Bei der Eingliederung von Flüchtlingen geht nichts voran. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani ist freilich ganz anderer Ansicht. In einem langen Interview, das Sie heute bei SPIEGEL plus lesen können, vertritt der Professor, der inzwischen in Diensten der nordrhein-westfälischen Landesregierung steht, eine gänzlich andere These. "Integration", sagt er, "gelingt in Deutschland besser als jemals zuvor."
Gewinner des Tages...

...ist Alexis Tsipras. Vor drei Jahren hätte der Chef der linken Syriza-Regierung Griechenland beinahe aus dem Euro geführt. Doch dann vollzog der studierte Ingenieur eine der erstaunlichsten Kehrtwenden der jüngeren europäischen Geschichte. Erst ließ er sich von Angela Merkel zum Bleiben überreden. Dann besänftige er die internationalen Gläubiger und setzte daheim brutale Sparprogramme durch.
Und wenn der Haushaltsausschuss des Bundestags nicht heute in letzter Sekunde Einwände erhebt, kann die Athener Regierung bald mit neuen Milliardenhilfen seiner Geldgeber rechnen. Wird Tsipras im kommenden Jahr wiedergewählt, hätte er geschafft, was schon lange niemandem mehr gelungen ist: als linker Regierungschef mit einem rechten Programm Erfolg zu haben.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag,
Ihr Michael Sauga
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
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