+++ Minutenprotokoll zum Asylstreit +++ So liefen die Krisensitzungen von CDU und CSU
Nach den getrennten Beratungen von CDU und CSU über die Flüchtlingsfrage hofft Kanzlerin Merkel weiter auf eine europäische Lösung. Für die CSU ist das keine Option. Die wichtigsten Entwicklungen des Tages im Protokoll.
- Schon seit Tagen streiten CDU und CSU über die neu entfachte Flüchtlingsfrage: Gegen 11.30 Uhr begannen Abgeordnete von CDU und CSU mit Beratungen in getrennten Sitzungen über den Konflikt. Von Teilnehmern aus beiden Fraktionen wurde über großen Redebedarf berichtet. An der Sitzung nahm auch Kanzlerin Angela Merkel teil.
Die Mehrheit der CDU-Abgeordneten steht im Asylstreit offenbar weiter hinter Kanzlerin Merkel. Die Parteichefin habe von den Abgeordneten "überwiegend" Unterstützung erhalten, hieß es von Teilnehmern der Sondersitzung der CDU-Bundestagsfraktionsmitglieder. Im Kern dreht sich der Konflikt um die Frage, ob Asylbewerber an der Grenze zurückgewiesen werden sollen oder nicht.
Ein ausführliche Analyse zu dem Thema lesen Sie hier.
Warum der Streit sowohl Merkel als auch Seehofer das Amt kosten könnte, lesen Sie in diesem Kommentar.
Im Podcast "Stimmenfang" hören sie mehr dazu, wie der Asyl-Streit eskalierte.
- Was bleibt von den getrennten Beratungen der CDU und CSU am heutigen Tag? Kanzlerin Angela Merkel soll sich nach Angaben von Teilnehmern gestärkt sehen. Sie will die Zeit bis zum EU-Gipfel in zwei Wochen nutzen, um auszuloten, wie sie bilaterale Abkommen mit den Ländern schließen kann, die am stärksten von der Flüchtlingszuwanderung betroffen sind. Doch darauf will die CSU offenbar nicht warten.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, Teile des Masterplanes von Horst Seehofer stünden in der direkten Verantwortung des Bundesinnenministers" und sollten daher umgesetzt werden - auch ohne erst auf eine Einigung auf EU-Ebene zu warten. Damit setzte er Merkel praktisch ein Ultimatum.
- Kanzlerin Merkel machte nach der Sondersitzung deutlich, dass sie einen nationalen Alleingang bei Rückweisungen bestimmter Migrantengruppen an der deutschen Grenze trotz des Drucks vonseiten der CSU weiterhin ablehnt. In der Sitzung sei von mehreren CDU-Rednern betont worden, dass der Kanzlerin "vollstes Vertrauen" entgegengebracht werde.
- Noch ist unklar, ob sich Bundeskanzlerin Merkel und Bundesinnenminister Seehofer sich erneut treffen würden. Ein Treffen der beiden am Mittwochabend war ohne Einigung zu Ende gegangen. CDU-Fraktionsvorsitzende Kauder und CSU-Landesgruppenchef Dobrindt hatten ein gemeinsames Gespräch noch am Donnerstag angekündigt.
- Nach mehr als vierstündiger Unterbrechung hat Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth die Plenarsitzung des Bundestags fortgesetzt.
- Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, hat die Lage im Streit zwischen CSU und CDU als „sehr schwierig“ bezeichnet. Die Kanzlerin habe um Zeit gebeten, um bis zum EU-Gipfel in zwei Wochen eine europäische Lösung zu erarbeiten, und dafür sei die "Zustimmung sehr groß" gewesen, sagte Ziemiak. "Alle wollen gemeinsam zusammenarbeiten und wissen, dass das unsere Stärke ist", sagte der JU-Chef.
- CDU und CSU werden heute offenbar keine Lösung finden. Weitere Treffen von Merkel und Seehofer seien nicht geplant, berichtet die Nachrichtenagentur dpa und beruft sich Aussagen von Abgeordneten beider Parteien.
- Merkel habe zum Schluss in der Sitzung das Wort ergriffen, sagt der Fraktionssprecher laut der Nachrichtenagentur Reuters. Sie habe erklärt, dass sie sich in der Absicht gestärkt fühle, sich bis zum EU-Gipfel in zwei Wochen um Abmachungen mit anderen Regierungen zu bemühen.
- Der Kurs der Kanzlerin, im Asylstreit noch einmal 14 Tage lang bilaterale Verhandlungen mit anderen Staaten zu führen, habe breite Unterstützung gefunden, sagte ein Fraktionssprecher nach der Sitzung der CDU-Abgeordneten im Bundestag.
- Die Grünen haben sich angesichts des Asylstreits in der Union "tief besorgt" gezeigt. "Wir stehen an einem Scheideweg", erklärte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Der Streit zwischen CDU und CSU gefährde "die Stabilität der Regierung und damit unseres Landes", fügte der Ko-Vorsitzende Anton Hofreiter hinzu. Seehofer müsse seine "Störmanöver" sofort einstellen.
- Keine Seite der Schwesterparteien will nachgeben: Für Merkel geht es beim Asylstreit um einen zentralen Kern ihrer Politik, den sie in den vergangenen Jahren vehement verteidigt hat. Doch auch für die CSU, für Seehofer und den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder geht es um die eigene Glaubwürdigkeit. Man könne jetzt keinesfalls mehr nachgeben, heißt es quasi unisono sowohl aus der Landesgruppe im Bundestag als auch aus der CSU-Landtagsfraktion in Bayern.
Die CSU fürchtet die Landtagswahl am 14. Oktober, wo ihr der Verlust der absoluten Mehrheit droht. Die große Angst ist, dass ein Nachgeben gegenüber Merkel zum Desaster führen würde - in Umfragen liegen die Christsozialen nur knapp über der 40-Prozent-Marke. - Dobrindt trifft sich nun mit Unionsfraktionschef Volker Kauder. Am Montag werde sich der CSU-Parteivorstand mit dem Asylstreit befassen, kündigt Dobrindt außerdem an.
- Von 11.30 Uhr hatten die Abgeordneten der Union in getrennten Runden beraten. Für den Asylstreit in der Union war am Donnerstag eine Bundestagssitzung unterbrochen worden.
- Die CSU unterstütze die Bemühungen um eine europäische Lösung, könne darauf aber nicht warten, sagt Dobrindt weiter nach den Beratungen. Er glaube nicht, dass eine europäische Lösung binnen weniger Tage möglich sei.
- Im Interview mit dem Sender Phoenix sagte der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Friedrich, die Landesgruppe habe sich geschlossen hinter Innenminister und Parteichef Horst Seehofer gestellt. Es habe aber keiner in der Sitzung gefordert, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufzukündigen.
- Der Streit hatte sich deshalb entzündet, weil Innenminister Seehofer die von der CSU geforderten Zurückweisungen zum Bestandteil seines Masterplans Migration machen will. Die für vergangenen Dienstag geplante Präsentation des Masterplans sagte Seehofer ab, weil Kanzlerin Merkel widersprochen hatte. Mehr dazu lesen Sie hier.
- "Wir haben eine ernste, sehr ernste Situation", sagte Dobrindt. Weiter noch: "eine historische Situation." Teile des Masterplans, die in der Verantwortung des Innenministeriums lägen, sollten auch von Innenminister Seehofer umgesetzt werden. Es sei ihm bewusst, dass die Diskussion eine enorme Belastung zwischen CDU und CSU bedeute.
- Die CSU-Landesgruppe in Berlin steht nach den Worten ihres Chefs Alexander Dobrindt zu hundert Prozent hinter dem Masterplan Migration von Innenminister Horst Seehofer. Die Zurückweisung bereits in einem anderen Land registrierter Migranten sei dringend notwendig, sagt Dobrindt. Diese Maßnahme sei durch deutsches und europäisches Recht gedeckt.
- Im Kern streiten geht es in dem Konflikt darum, ob auch Asylbewerber ohne Papiere sowie bereits abgeschobene Bewerber - wie von der CSU gefordert - nicht mehr über die deutsche Grenze gelangen dürfen.