
Interview-Posse in Niedersachsen Niemand fragt, McAllister antwortet
Berlin - Es hätte ein tolles Wochenende werden können für David McAllister. Gleich vier Seiten widmete die "Welt am Sonntag" einem Porträt des niedersächsischen Ministerpräsidenten, schöne großformatige Fotos inklusive. Dazu holte CSU-Chef Horst Seehofer zur Lobeshymne aus: Ein "politisches Schwergewicht" sei der Kollege aus dem Norden. "Er hat das Zeug dazu, eines Tages auf einer Stufe mit Schmidt, Brandt, Kohl und Merkel zu stehen." Nicht schlecht für einen, der sonst vor allem auf Bescheidenheit und Bodenständigkeit setzt.
McAllisters Strategen durften sich die Hände reiben. Endlich, so scheint es, wird ihr Mann auch überregional wahrgenommen. Dumm nur, dass sich der Ministerpräsident gleichzeitig Ärger mit der heimischen Lokalpresse einhandelt - mit einer peinlichen Interview-Posse.
Das Unheil nahm seinen Lauf mit einer E-Mail, die die Pressestelle der Niedersachsen-CDU am vergangenen Freitag an rund 150 Anzeigen-Zeitungen des Landes versandte. In dem Schreiben bietet McAllisters CDU-Pressesprecher den Redaktionen der Wochenblätter ein Gespräch mit dem Landesvorsitzenden an. Der Einfachheit halber - und "um Ihre redaktionelle Arbeit zu unterstützen" - wurde das "Sommerinterview" gleich mitgeschickt. Fragen, Antworten, ein paar hübsche Fotos, kurzum: ein Gesamtpaket von der CDU. Alles kostenlos natürlich, "zum Abdruck in einer der kommenden Ausgaben Ihrer Zeitung".
Nun ist der Sinn von Politiker-Interviews eigentlich, dass Journalisten kritisch nachfragen können und sich nicht mit ausweichenden Antworten oder Floskeln zufrieden geben. Dass McAllister im vorgefertigten CDU-Gespräch dagegen gut wegkommt, überrascht nicht. Heikle Themen werden ausgespart. Man ist ja unter sich.
"Plumper Versuch"
Also darf der Ministerpräsident seiner Heimat huldigen ("Man kann dort prima leben und auftanken"), seine Arbeit für das Land loben ("Die Menschen haben großes Vertrauen in die Lösungskompetenz der CDU") und seine angebliche Durchsetzungskraft in Berlin preisen ("Ich bin dort total präsent und hellwach"). Der Fragesteller erinnert artig daran, dass McAllister in seinem Wahlkreis mit fast hundert Prozent zum Landtagskandidaten gewählt wurde. "Wie machen Sie das?", fragt er unterwürfig. "Das hängt mit Sicherheit auch damit zusammen, dass ich in meinem Wahlkreis sehr stark verwurzelt bin", antwortet McAllister. Bleibt er nach der Landtagswahl im Januar 2013 Ministerpräsident? "Das möchte ich gern. Mein Platz ist in Niedersachsen. Es wäre für mich eine Riesenauszeichnung, fünf weitere Jahre Ministerpräsident in Niedersachsen zu sein." Noch Fragen? Natürlich nicht.
Unter Journalisten sorgt der ungewöhnliche Komplettservice der CDU für Ärger. Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), sprach von einem "plumpen Versuch, die Anzeigenblätter in den CDU-Wahlkampf einzuspannen". Über den Ministerpräsidenten "frei Haus zum Nulltarif", spottet der Politikchef der "Nordwest-Zeitung" in seinem Kommentar. "Ein derartiger Versuch, den Spitzenkandidaten in wohlwollendes Licht zu tauchen, ist in Niedersachsen bisher ohne Beispiel."
Die Opposition im Land nutzt die Steilvorlage gerne. "Das Sommerinterview 'Dr. h.c. McAllister fragt den Spitzenkandidaten McAllister' belegt ein weiteres Mal das gestörte Verhältnis der CDU Niedersachsen zur Unabhängigkeit der Medien", sagte SPD-Landesgeschäftsführer Michael Rüter dem "Hamburger Abendblatt". Das "vorgefertigte Interview" wirft aus seiner Sicht "ein merkwürdiges Licht auf die Vorstellung der CDU von der Arbeit in Redaktionen und ist ein wohl einmaliger und für Deutschland ungewöhnlicher Vorgang".
Die CDU bemüht sich nun um Schadensbegrenzung. "Das geht alles auf meine Kappe", sagt CDU-Sprecher Torben Stephan. Er selbst habe die Idee für den besonderen Service gehabt - zum einen, weil die Anzeigenblätter gerade in der Sommerzeit personell oft schlecht besetzt seien; zum anderen, weil der Ministerpräsident nicht allen rund 150 Zeitungen ein Interview geben könne. McAllister aber habe von dem Angebot nichts gewusst und auch keine Freigabe für das Interview gegeben, beteuert Sprecher Stephan. Nach eigenen Angaben handelt es sich auch nicht um ein Gespräch, das wirklich stattgefunden hat - es wurde aus vorhandenen Aussagen des Chefs zusammengesetzt. Am Montagnachmittag hat sich Stephan telefonisch bei DJV-Chef Michael Konken entschuldigt.
McAllister, der vielen als letzter verbliebener Merkel-Kronprinz unter den Landesfürsten der Union gilt, hat die Aktion Sommerinterview inzwischen zerknirscht stoppen lassen. Auf der Website der CDU ist das Gespräch nicht mehr zu finden, der Link, den die Pressestelle den Redaktionen schickte, läuft ins Leere. Ob das Interview bereits bei einem Blatt in Druck gegangen ist, ließ sich zunächst nicht klären. Zumindest auf dem Online-Portal celleheute.de war das seichte Frage-Antwort-Spiel mit dem Ministerpräsidenten am Montagmittag jedoch noch zu lesen.