Wahl in Niedersachsen Stiller Sieger, lauter Verlierer

Herausforderer Althusmann, Ministerpräsident Weil
Foto: CHRISTIAN CHARISIUS/ AFPEs ist schon bemerkenswert. Da vermeidet der Mann, der die SPD wiederbelebt hat, den ganz großen Auftritt. Bereits um kurz nach 18 Uhr tritt Stephan Weil auf die Bühne des stickigen Fraktionssaals im niedersächsischen Landtag. Und bremst erst mal die jubelnden Genossen: "Wir müssen den Ball flach halten", sagt er. "Es wird ein langer Wahlabend."
Er liegt ja richtig, es wird ein langer Wahlabend - weil sein rot-grünes Regierungsbündnis um die knappe Mehrheit zittert.
Aber den Ball flach halten? Das ist nicht unbedingt das, was seine Genossen jetzt tun wollen. Denn die SPD liegt deutlich vor der CDU, kommt auf mehr als 37 Prozent, ist erstmals seit 1998 wieder stärkste Kraft in Niedersachsen.
Es ist ein erstaunlicher Sieg. Und es ist der Sieg von Stephan Weil.
Der 58-Jährige weiß das natürlich. Und er lässt dann auch noch anklingen, was dies für ein "großer Abend" sei und welch "rasante Aufholjagd" seiner Partei da gelungen ist. Vor einigen Wochen noch habe man in den Umfragen zwölf Prozentpunkte hinter der CDU gelegen.
Dann war da ja auch noch diese Bundestagswahl, in der die SPD ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik holte. Weils niedersächsische Genossen liegen - laut derzeitigen Hochrechnungen - fast 17 Prozentpunkte über dem SPD-Ergebnis vom 24. September. Siebzehn Punkte.
Warum tritt der SPD-Mann dann so vorsichtig auf? Zum einen ist Weil tatsächlich ein eher zurückhaltender Typ. Noch wichtiger aber: Er weiß, dass die Regierungsbildung nicht einfach wird, sollte es am Ende doch nicht reichen für Rot-Grün. Eine Ampelkoalition hat die FDP ausgeschlossen, eine Große Koalition ist in der SPD-Anhängerschaft extrem unbeliebt.
Twesten: "Ich bereue nichts"
Wie gefährlich auch eine knappe rot-grüne Mehrheit wäre, das hat der Verlust der Regierungsmehrheit im August gezeigt, als die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten zur CDU wechselte - und Weil damit die eine entscheidende Stimme nahm. Die Folge waren die Neuwahlen an diesem Sonntag.
Twesten ist an diesem Abend auch im Landtag, im Fraktionssaal ihrer neuen Partei. Sie gibt zu, dass das Ergebnis, die klare Niederlage der CDU, "auch mit meinem Wechsel zu tun hat". Sie habe nie daran gedacht, dass sie der CDU auch schaden könne.
Aber genau so war es wohl: Bei vielen Wählern in Niedersachsen, gerade auch im konservativen Milieu, kam nicht nur Twestens Wechsel schlecht an, sondern auch der bereitwillige Empfang durch die CDU. Und dennoch sagt Twesten, deren politische Karriere beendet scheint: "Ich bereue nichts."
Herausforderer Bernd Althusmann betritt um 18.16 Uhr die Bühne des CDU-Fraktionssaals. Seine Anhänger feiern ihn mit "Bernie, Bernie"-Sprechchören. Althusmann legt einen erstaunlichen Auftritt hin. Er wolle jetzt "nicht in Sack und Asche gehen", sagt er. Zwar habe er sich "ein besseres Ergebnis gewünscht" und der Regierungsauftrag liege bei der SPD. Aber: "Rot-Grün ist abgewählt", ruft er unter dem Jubel seiner Parteifreunde. Das ist zu einem Zeitpunkt, als in den Hochrechnungen ein Verlust der rot-grünen Mehrheit als recht wahrscheinlich erscheint.

Niedersachsen-Wahl: Weil gegen Althusmann
"Mal schauen, ob er Ende der Woche noch da ist"
Althusmann kündigt an, als Fraktionsvorsitzender kandidieren zu wollen. Aufgeben scheint er auf keinen Fall zu wollen.
Und tatsächlich könnte die CDU ja zumindest als Juniorpartner in die Regierung kommen. Für die euphorischen Sozialdemokraten ist das ein Szenario, das an diesem Abend niemand hören will. Stattdessen heißt es, die FDP werde sich schon noch bewegen. Mit seiner Festlegung, eine Ampelkoalition auszuschließen, habe Landeschef Stefan Birkner den Liberalen "massiv geschadet", sagt Frank Nägele, SPD-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Die Wähler hätten Birkners Partei dafür abgestraft, dass er freiwillig eine Machtoption aufgebe.
Außerdem habe ja auch nicht die FDP ein Bündnis mit SPD und Grünen ausgeschlossen, betont Nägele. Sondern nur Birkner. "Mal schauen, ob der Ende der Woche noch da ist."
Und wie geht es mit Weil weiter? Doris Schröder-Köpf, Noch-Ehefrau von Altkanzler Gerhard Schröder, prophezeit dem Ministerpräsidenten eine deutlich wachsende Bedeutung in der Bundes-SPD. "Das liegt in der Natur der Sache", sagt sie. "Wahlsieger spielen nach ihrem Erfolg immer eine größere Rolle."