Sozialdemokratie Unter anderen Umständen wünscht sich Walter-Borjans doch einen SPD-Kanzlerkandidaten

Er glaube nicht, dass die SPD derzeit in der Position sei, einen Kanzlerkandidaten zu stellen, sagte Norbert Walter-Borjans noch vor wenigen Tagen. Nun milderte der Bewerber für das Amt des Parteichefs seine Aussage ab.
Norbert Walter-Borjans will für die SPD "ein klares Programm benennen und so wieder zu Kräften kommen"

Norbert Walter-Borjans will für die SPD "ein klares Programm benennen und so wieder zu Kräften kommen"

Foto: Henning Kaiser/ DPA

Erst vor wenigen Tagen riet Norbert Walter-Borjans, Kandidat für das Amt des SPD-Chefs, in einem SPIEGEL-Streitgespräch seiner Partei davon ab, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Nun hat er diese Forderung abgemildert.

Wenn sich vor der nächsten Bundestagswahl abzeichne, dass die SPD eine Regierung führen könne, "werden wir natürlich sagen, wer Kanzler werden soll", sagte Walter-Borjans den Zeitungen der Funke-Mediengruppe . Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister hielt sich auch offen, selbst als Spitzenkandidat anzutreten.

Walter-Borjans hatte vor wenigen Tagen dem "SPIEGEL" gesagt, er glaube nicht, dass die SPD derzeit in der Position sei, "einen Kanzlerkandidaten aufzustellen". Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gegenüber betonte der Kandidat für den Parteivorsitz jetzt, er wolle zunächst Vertrauen für die SPD zurückgewinnen, "ein klares Programm benennen und so wieder zu Kräften kommen." Gelinge dies, "dann wollen wir natürlich auch die Regierung führen", sagte Walter-Borjans.

Die derzeitigen Umfragewerte für die SPD von unter 15 Prozent nannte Walter-Borjans "dramatisch zu niedrig und der Sozialdemokratie nicht würdig". Die Menschen würden "verdutzt gucken, wenn wir da einfach einen Kanzlerkandidaten nominieren", sagte er.

Walter-Borjans und seine Mitstreiterin für den Parteivorsitz, Saskia Esken, betonten zudem, dass sie sich bessere Wahlergebnisse zutrauten. "Wenn wir beide Vorsitzende werden, bin ich ziemlich sicher, dass die SPD relativ schnell bessere Umfragewerte bekommt. Wir können einen Stimmungsumschwung erzeugen", sagte Walter-Borjans. Esken sagte, in der Bevölkerung gebe es ein "Potenzial von gut 35 Prozent" für die Sozialdemokratie.

Beide Bewerber hielten sich eine eigene Kanzlerkandidatur offen. Walter-Borjans betonte, er gebe "keine Verzichtserklärung" ab. "Wer hier Nein sagt, verliert unnötig Führungsautorität." Esken sagte, wenn man den Vorsitz der SPD anstrebe, müsse man "damit rechnen, dass auch weitere Aufgaben auf einen zukommen".

Auf die Frage, ob es vorstellbar sei, dass das Bewerberduo auch Finanzminister Olaf Scholz, der ebenfalls für den Parteivorsitz kandidiert, oder Familienministerin Franziska Giffey den Vortritt lassen würden, sagte Walter-Borjans "theoretisch ja". Es gebe "eine Menge Leute", die für eine Kanzlerkandidatur infrage kämen.

Laschet schließt Kanzlerkandidatur nicht vollkommen aus

Auch bei der Union wird nach den schlechte Umfragewerte für die CDU-Vorsitzende, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, über die Kanzlerkandidatur debattiert. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schließt eine Kanzlerkandidatur für sich nicht kategorisch aus.

Auf die Frage, ob der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Chef des größten Landesverbandes nicht immer ein geborener Kanzlerkandidat sei, sagte Laschet dem "Tagesspiegel ", dies habe Johannes Rau einmal gesagt. "Man sollte Johannes Rau nur widersprechen, wenn es unbedingt notwendig ist." Rau war Landesvorsitzender der SPD in Nordrhein-Westfalen und unterlag bei der Bundestagswahl 1987 als SPD-Kanzlerkandidat Helmut Kohl (CDU).

"Aber im Ernst: Die Frage stellt sich zur Zeit nicht und wird dann entschieden, wenn sie ansteht", fügte Laschet hinzu. Er rechne nicht mit einer Mehrheit beim Bundesparteitag in knapp zwei Wochen für eine Urwahl des nächsten CDU/CSU-Kanzlerkandidaten.

Im Video: Das Kandidatenduell um den SPD-Vorsitz

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sen/AFP/dpa
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