Thüringen NPD-Spitzenkandidat stand 2001 unter Missbrauchsverdacht

Patrick Wieschke im Wahlkampf (Archiv): Anzeige einer 12-Jährigen
Foto: Candy Welz/ dpaEisenach - Der Vorsitzende und Spitzenkandidat der NPD Thüringen, Patrick Wieschke, wird acht Tage vor der Landtagwahl von seiner Vergangenheit eingeholt. Gegen den Rechtsextremisten wurde 2001 und 2002 wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung ermittelt. Das geht aus Ermittlungsakten hervor, die auf der antifaschistischen Internetseite Thüringen Rechtsaußen veröffentlicht wurden. Ein 12 Jahre altes Mädchen aus Eisenach hatte Wieschke, damals 20 Jahre alt, angezeigt.
Der frühere langjährige Polizeichef von Eisenach, Raymond Walk, bestätigte am Samstag auf Anfrage die Echtheit der Unterlagen, die 16 Seiten umfassen. Allerdings fehlt in den Papieren das Protokoll der Aussage von Wieschke. In Führungskreisen der NPD wird vermutet, dass die Unterlagen aus den Unterlagen des NSU-Ausschusses im Erfurter Landtag stammen.
Das Mädchen hatte laut Akten angegeben, Wieschke habe sie Anfang Juli 2001 in seiner Wohnung eingesperrt, bedrängt und mit einem etwa 20 Zentimeter langen Küchenmesser verletzt. Er soll ihr unter den Pullover gefasst und ihre Brust berührt haben. Weiter heißt es, die 12-Jährige habe sich heftig gewehrt, Prellungen erlitten und sich ins benachbarte Schlafzimmer geflüchtet, wo sie sich von innen mit einem Schrank verbarrikadiert habe. Wieschke habe mehrfach erfolglos versucht, in das Zimmer einzudringen. Mehrfach habe er ihr gedroht, sie umzubringen, heißt es in den Unterlagen. Nach etwa vier Stunden habe er eingelenkt und sie gehen lassen
Zwei Haftstrafen
Am 20. Juli 2001 durchsuchte die Polizei den Unterlagen zufolge Wieschkes Wohnung. Er habe ein ca. 30 Zentimeter langes Messer freiwillig herausgegeben und sei zudem vernommen worden, heißt es in den Akten. Er habe das Mädchen beschuldigt, "ein intimes Verhältnis" mit ihm beginnen zu wollen. Als er erfahren habe, wie alt sie war, habe er sie zur Rede gestellt, so seine Darstellung den Unterlagen zufolge. Die 12-Jährige habe hysterisch reagiert, sich die Schnittverletzung und die Prellungen selbst beigebracht.
Im März 2002 wurde das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen eingestellt, weil zu diesem Zeitpunkt die Eisenacher Polizei unter Führung von Walk gegen Wieschke wegen eines Anschlags auf einen Eisenacher Döner-Imbiss im August 2000 ermittelte. Im Mai 2002 verurteilten die Richter Wieschke unter anderem deshalb zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Sie sahen es als erwiesen an, dass er eine Gruppe Gesinnungsgenossen zu dem Sprengstoffanschlag angestiftet hatte. Hinzu kam eine zweite Verurteilung zu sieben Monaten Haft wegen Körperverletzung.
Wieschke, der sich zuletzt im Juni 2014 wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten musste, bezeichnete die Vorwürfe wegen Missbrauchsverdachts gegen ihn am Samstag in Eisenach als "vollkommenen Unsinn". Dies habe er bereits 2001 deutlich gemacht. Das Mädchen sei "frühreif" gewesen, habe sich einen "älteren Jungen gesucht" und an "ihn herangemacht".
Auf seiner Facebook-Seite schreibt er: "Sie war pubertär und verliebt in mich. Ich war es nicht, die Rache folgte auf dem Fuß." Der NPD-Funktionär veröffentlichte am Samstag zudem eine Pressemitteilung, darin spricht er von "unwahren" Angaben: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Er nennt die Veröfffentlichung "ein Wahlkampfmanöver linkskrimineller Kreise".
Die NPD setzt im Wahlkampf immer wieder auf das hochemotionale Thema Kindesmissbrauch: In ihrem Programm zur Bundestagswahl forderte sie unter anderem "härtere Strafen" für Kinderpornografie und Kindesmissbrauch. Wieschke, der im Eisenacher Stadtrat sitzt, hatte zuletzt im August bei einem Fall von Verdacht auf Kindesmissbrauch in seiner Stadt, "für die NPD und die Betroffenen volle Transparenz und Schutz für unsere Kinder" gefordert. Die NPD lag in Umfragen in Thüringen bei zuletzt vier Prozent Zustimmung.