Dietmar Hipp

NPD-Verbotsverfahren Was man gerade noch sagen darf

Ob die NPD verboten wird oder nicht, ist zweitrangig. Wichtiger ist, dass das Verfassungsgericht jetzt urteilen wird, wo die Grenze liegt zwischen Demagogie und Umsturz.
NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe

NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe

Foto: Pool/ Getty Images

Wie ist darum im Vorfeld gerungen worden! Soll man, kann man überhaupt einen Antrag auf Verbot der rechtsextremistischen NPD stellen? Zumal der erste Anlauf so schmählich gescheitert war?

Der Bundesrat sagte "Ja". Und die dreitägige Verhandlung in Karlsruhe hat gezeigt: Das war gut so.

Vieles von dem, was gegen die NPD vorgebracht wurde, hat deren Anwalt schlichtweg "bestritten", wie es im Juristendeutsch heißt. Oft folgte auf Attacke Gegenattacke. Am schärfsten mit dem Mantra, nicht die NPD wolle die staatliche Ordnung der Bundesrepublik beseitigen, sondern die im Bundesrat vertretenen Parteien wollten das deutsche Volk austauschen und es durch eine "bunt zusammengewürfelte Wohnbevölkerung" ersetzen.

Es sei bezeichnend, machte der NPD-Anwalt geltend, dass gerade jetzt, wo sich die Befürchtungen seiner Partei vor Überfremdung bewahrheiteten, dieser Verbotsantrag gestellt worden sei. Das ist natürlich insofern falsch, als der Verbotsantrag Ende 2012 beschlossen und Ende 2013 gestellt worden ist - also lange bevor die Flüchtlingskrise virulent wurde.

Der NPD-Anwalt hat aber insofern recht, als die Furcht vor weiterer Zuwanderung (zumindest in Form der Frage: "Schaffen wir das?") inzwischen nicht nur die NPD, sondern nahezu alle Parteien tief bewegt und teilweise an den Rand einer Zerreißprobe bringt.

Die rechtsextremistische NPD hat vielfach Nachahmer gefunden

Ihre Positionen und Forderungen hat die NPD, darauf haben deren Vertreter immer wieder hingewiesen, zumindest auf den ersten Blick längst nicht mehr exklusiv. Pegida und ihre Ableger, die AfD - die rechtsextremistische NPD hat, zumindest inhaltlich, vielfach Nachahmer gefunden. Und süffisant verwiesen die Anwälte und Funktionäre der Partei darauf, dass manche Aussage, die ihr vorgehalten wird, gar nicht so weit weg ist von dem, was, zumindest inzwischen, auch etablierte Politiker sowie namhafte Publizisten und Wissenschaftler sagen.

Als etwa der bayerische Innenminister Joachim Herrmann der NPD vorwarf, sie würde die "Staatskrise" herbeireden, konterte der NPD-Anwalt, selbst der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer habe doch unlängst gesagt ,"dass hierzulande das Unrecht herrscht". Auf die Frage, warum er den Islam als "Aggressionsreligion" bezeichne, erklärt ein NPD-Autor, auch Alice Schwarzer habe doch vor der Islamisierung der Gesellschaft gewarnt.

Dass die NPD einen fundamentalen Unterschied macht zwischen "ethnischen" Deutschen und Deutschen qua Staatsangehörigkeit? Da greife man heute noch auf den Argumentationsfundus der CDU-Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft aus dem Jahr 1999 zurück. Und was sei mit dem Vorwurf, die BRD sei ein "korruptes System", wird der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz gefragt. Auch der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim, sagt Franz, schreibe doch vom "Staat als Beute" der Parteien.

Diese Bezugnahmen sind alle irgendwie richtig, und doch furchtbar falsch.

Natürlich nimmt die NPD kritische Positionen einfach auf, wo sie ihr in ihr ideologisches, systemfeindliches Konzept passen. Ihre Positionen machen sich aber, teils durch Nachahmung, teils durch personelle Verflechtungen, zunehmend auch an anderen Stellen der Gesellschaft breit. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, jetzt eine Grenze zu ziehen zwischen denen, die trotz aller - berechtigter oder unberechtigter - Fundamentalkritik immer noch auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, und denen, die - mehr schlecht als recht verhohlen - das gegenwärtige politische System durch eine völkische Herrschaft nach ihrem Gusto ersetzen wollen.

Eine Vergewisserung, wo wir als Gesellschaft stehen, und welcher Grad an extremen oder gar extremistischen Positionen noch hinnehmbar ist, ist in diesen Tagen wohl wichtiger denn je. Ob ein Verbot der NPD richtig und notwendig ist, müssen die Verfassungsrichter entscheiden. Ihr Urteil, egal, wie es ausgeht, dürfte aber zu dieser Selbstvergewisserung der Gesellschaft einen wichtigen Beitrag leisten.

Im Video: Das NPD-Verbotsverfahren erklärt - in fünf Minuten

SPIEGEL ONLINE

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten