Landtagsabstimmung über Etat NRW-Haushalt gescheitert - Kraft will Neuwahlen

Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist vorerst gescheitert. Die Opposition hat den Haushalt der Landesregierung für den Bereich Inneres abgelehnt - damit ist der gesamte Etat durchgefallen. Für diesen Fall hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vorgezogene Wahlen angekündigt.
Ministerpräsidentin Kraft: Haushalt ist gescheitert - und wohl auch die Minderheitsregierung

Ministerpräsidentin Kraft: Haushalt ist gescheitert - und wohl auch die Minderheitsregierung

Foto: Oliver Berg/ dpa

Düsseldorf - Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen ist nach knapp zwei Jahren überraschend am Ende. Der Düsseldorfer Landtag lehnte am Mittwoch bei der entscheidenden zweiten Haushaltslesung den Einzelplan für das Innenministerium ab. Damit ist der gesamte Etat der Landesregierung von Hannelore Kraft (SPD) gescheitert. Kraft hatte zuvor mehrfach betont, dass sie in diesem Fall die Regierung ohne Geschäftsgrundlage und damit handlungsunfähig sieht.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will im Fall von Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen als Spitzenkandidat der CDU antreten. Auf die Frage nach seiner Bereitschaft zur Spitzenkandidatur antwortete Röttgen mit "Ja". Röttgen, der auch CDU-Landesvorsitzender ist, gab als Ziel für seine Partei aus, stärkste Kraft zu werden.

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Nordrhein-Westfalen: Das politische Spitzenpersonal in Düsseldorf

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Bei der Abstimmung über den Einzeletat des Innenressorts stimmten die 90 Abgeordneten von SPD und Grünen für die Pläne der Minderheitsregierung, die 91 Abgeordneten von CDU, FDP und Linke stimmten dagegen. Damit ist der gesamte Haushaltsentwurf gescheitert, weil nach einer erst am Dienstag veröffentlichten Auffassung der Landtagsverwaltung dafür bereits das Scheitern eines einzelnen Etats reicht. Die Fraktionen zogen sich nach der Abstimmung bis 15 Uhr zur Beratung des Ergebnisses zurück.

Neuwahlen müssten binnen 60 Tagen abgehalten werden

Es wurde erwartet, dass die Regierungsfraktionen noch am Mittwoch einen Antrag auf Auflösung des Parlaments einbringen werden, um den Weg für Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland freizumachen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland muss es dann nach der Verfassung binnen 60 Tagen zu Neuwahlen kommen. SPD und Grüne regieren in Nordrhein-Westfalen seit Juli 2010 in einer Minderheitsregierung.

Der Entwurf von Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sah Ausgaben in Höhe von rund 58 Milliarden Euro und 3,6 Milliarden Euro an neuen Krediten vor. CDU und FDP hatten mehr Einsparungen und weniger Schulden gefordert. Die Linke wollte deutlich mehr soziale Ausgaben.

Die Regierung hatte bis zuletzt auf eine Enthaltung der FDP gesetzt. Die überraschende Wende hatte die Landtagsverwaltung am Dienstagabend eingeleitet mit ihrer rechtlichen Erläuterung, dass - entgegen der bisherigen Annahme aller Fraktionen - schon die zweite Lesung entscheidend sei. FDP und Linksfraktion hatten sich eigentlich noch nicht endgültig festgelegt und wollten ihre abschließende Position erst zur dritten Lesung Ende März festzurren. SPD und Grüne hatten sich darauf verlassen, dass es bis dahin zu einer Verständigung kommt.

Bisherige Sitzverteilung im Landtag (nach der Wahl 2010):

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Bei Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen müssten sich SPD und CDU laut jüngsten Umfragen erneut auf ein Kopf-an-Kopf- Rennen gefasst machen. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap sah die beiden Volksparteien Ende Februar mit jeweils 35 Prozent Zustimmung gleichauf. Rund zwei Wochen zuvor hatten die Wahlforscher von Yougov einen CDU-Vorteil ermittelt. Zum ersten Mal seit Monaten kamen die Christdemokraten in der Yougov-Umfrage mit 33 Prozent auf eine höhere Zustimmung als die Sozialdemokraten (31 Prozent).

Allerdings zeichnet sich eine Mehrheit für Rot-Grün ab. Die CDU könnte derzeit nicht auf die FDP als Koalitionspartner bauen. Seit Herbst 2011 gab es keine Umfrage mehr, die die Liberalen über der Fünfprozenthürde sah. Laut Infratest dimap kam die FDP zuletzt auf 2 Prozent, laut Yougov auf 3 Prozent. Damit wären die Liberalen nicht mehr im Landtag vertreten.

Auch für die Linkspartei dürfte es bei Neuwahlen eng werden. Infratest dimap sah die Linken zuletzt bei 3 Prozent. Nach der Yougov-Sonntagsfrage hätte es hingegen mit 6 Prozent für einen Wiedereinzug in den Landtag gereicht.

Mit deutlichen Gewinnen im Vergleich zur Landtagswahl am 9. Mai 2010 könnten derzeit allein die Grünen rechnen. In den aktuellen Umfragen erreichen sie zwischen 15 und 17 Prozent. Bei der Wahl 2010 hatten sie ein Ergebnis von 12,1 Prozent eingefahren. Damals kamen die CDU auf 34,6 Prozent, die SPD auf 34,5 Prozent, die FDP auf 6,7 Prozent und die Linken auf 5,6 Prozent.

Zum ersten Mal könnte der Piratenpartei bei Neuwahlen der Einzug ins Düsseldorfer Landesparlament gelingen. Yougov sah die Piraten im Februar bei 7 Prozent, Infratest dimap bei 5 Prozent.

ffr/Reuters/dpa/AFP
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