
CDU in NRW: Ringen um das Rüttgers-Erbe
NRW-Union Rüttgers' Erben ringen um die Macht
Berlin - Es ist, als wollte den alten Trude-Herr-Schlager neu interpretieren. "Niemals geht man so ganz", hat das kölsche Urgewächs in den achtziger Jahren gesungen. Und man wird den Eindruck nicht los, als habe der ebenfalls in Köln geborene Noch-Ministerpräsident von den Titel in diesen Tagen stets im Kopf, wenn er sich öffentlich oder auch intern zu seiner Zukunft äußert.
Am Samstag hat Rüttgers erklärt, dass er Mitte Juli im Düsseldorfer Landtag nicht gegen seine SPD-Herausforderin Hannelore Kraft antreten wird, wenn diese sich zur Chefin einer rot-grünen Minderheitsregierung wählen lassen will. Er hat erklärt, dass er nicht Fraktionschef im Landtag und damit Oppositionsführer werden will. Und was ist mit dem Landesvorsitz? Dazu ließ Rüttgers alle im Unklaren.
Also wieder kein Schlussstrich. Trotz wochenlanger Hängepartie. Der Rückzug auf Raten geht weiter.
Munter wird nun spekuliert: Hält sich der Regierungschef, der sein Amt in gut drei Wochen wohl los sein wird, noch ein letztes Hintertürchen zur Macht offen? Will er nur der scharfen Konfrontation mit seiner wahrscheinlichen Nachfolgerin im Parlament aus dem Weg gehen, um später doch noch als Vater einer Großen Koalition bereitzustehen, sollte das Kraft-Experiment rasch scheitern? Liebäugelt er immer noch mit einer erneuten Spitzenkandidatur im Falle rascher Neuwahlen.
"Alles nicht ausgeschlossen", sagt einer aus dem CDU-Landesvorstand. Dann schiebt er mit Blick auf ein mögliches Rüttgers-Comeback hinterher: "Ich will es mal nicht hoffen, das käme in der Partei nicht gut an." Es sei jetzt an der Zeit, sich neu aufzustellen, sagt ein anderer aus der Führungsriege. Die Christdemokraten an Rhein und Ruhr setzen auf die Vernunft ihres Vorsitzenden.
Ringen um Fraktions- und Parteivorsitz
Schließlich sei die Stimmungslage während des Düsseldorfer Vorstandstreffens am Samstagmorgen eindeutig gewesen, heißt es: Erleichtert, so berichten es Teilnehmer, habe die Runde zur Kenntnis genommen, dass Rüttgers schon im Eingangsstatement seinen Verzicht auf den Fraktionsvorsitz verkündet habe. Am Ende gab es herzlichen Beifall, Ausdruck großer Dankbarkeit für fünf Regierungsjahre.
Heißt aber auch: Jetzt ist es vorbei - ganz gleich, ob Rüttgers das auch schon so sieht. Hinter den Kulissen jedenfalls hat das Ringen um das Erbe schon längst begonnen. Am 6. Juli will die Landtagsfraktion ihren Chef bestimmen, und spätestens im Frühjahr nächsten Jahres dürfte auch an der Spitze der Partei der Wechsel vollzogen werden. Eindeutige Kronprinzen hat Rüttgers in den vergangenen Jahren nicht aufgebaut - er hat es schlichtweg nicht für nötig gehalten. Also sind nun mehrere Namen im Gespräch:
- Da ist zum einen Armin Laschet, 49. Er durfte sich schon in der Wahlnacht kurzzeitig als Rüttgers-Alternative präsentieren, als der Ministerpräsident im Angesicht des dramatischen Ergebnisses die traditionelle TV-Runde schwänzte. Nun gilt es als sicher, dass er sich um den Fraktionsvorsitz bemühen wird. Laschet ist einer der Aufsteiger der Rüttgers-Regierung - als Deutschlands erster Integrationsminister wurde er über NRW hinaus bekannt. "Er ist bundespolitisch der interessanteste Anwärter", sagt ein Parteifreund. steht für eine moderne CDU, auch weil er als Mitglied der legendären schwarz-grünen "Pizza-Connection" für neue Koalitionsoptionen offen ist. Vielleicht ist er aber zu modern und zu offen für die konservativen Kreise der CDU.
- Bessere Aussichten als Laschet auf den Job des Fraktionschefs hat nach Einschätzung vieler CDU-Insider aber Karl-Josef Laumann, 52, bisher Arbeits- und Sozialminister im Kabinett Rüttgers. Als Vertreter des linken CDU-Flügels - ist Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft - stünde er für Kontinuität. Der gelernte Maschinenschlosser ist in Partei und Fraktion gut vernetzt. "Er kann jede Seele der Partei bedienen", glaubt ein CDU-Vorstand. Auch aus Rüttgers' Sicht wäre Laumann wohl eine gute Wahl an der Spitze der Fraktion: Denn sollte der Noch-Regierungschef tatsächlich auf eine zweite Chance setzen, wäre Laumann als stets loyaler Mitstreiter wohl am ehesten bereit, für Rüttgers zurückzustehen.
- Ein anderer Rüttgers-Vertrauter wird ebenfalls als Mann für die Fraktionsspitze gehandelt. Wahrscheinlicher ist aber, dass Andreas Krautscheid, 49, den Parteivorsitz im Blick hat. Erst Regierungssprecher, später Europaminister, machte Rüttgers ihn zum Generalsekretär, als die leidige Sponsoring-Affäre die Partei mitten in der heißen Wahlkampfphase erschütterte. Auch wenn das Wahlergebnis katastrophal war, die meisten Parteifreunde attestieren Krautscheid, einen guten Job gemacht zu haben. Sein Manko: Er steht für das System Rüttgers - ein personeller Neuanfang sähe anders aus.
- Ein Auge auf den CDU-Landesvorsitz hat auch Norbert Röttgen, 44. Der Bundesumweltminister ist bereits Chef des Bezirksverbandes Mittelrhein, stach hier im vergangenen Jahr Andreas Krautscheid aus. Röttgens Ziel ist gleichzeitig sein Problem: Mit einem Sprung an die Spitze seines Landesverbandes, des größten der Partei, würde seine Hausmacht auch in der Bundes-CDU ausbauen. Die braucht er, wenn er der starke Mann hinter Angela Merkel werden möchte. Doch Röttgen fehlen möglicherweise die Truppen, um sich in NRW durchzusetzen. So hat ausgerechnet Ronald Pofalla ein Wörtchen bei der Rüttgers-Nachfolge mitzureden. Der Kanzleramtschef ist Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Niederrhein und gönnt Röttgen den Aufstieg nicht. Zudem gibt es im Landesverband grundsätzliche Vorbehalte gegen eine Berliner Lösung für den Parteivorsitz. "Dass einer aus Merkels Nähe kommt, ist eher ein Gegenargument", sagt ein CDU-Mann aus NRW.
Wann Jürgen Rüttgers endgültig erkennt, dass die Zeit des Abschiednehmens gekommen ist, ist noch ungewiss. Noch wagt sich in der Partei niemand aus der Deckung, um den Druck auf den Landeschef zu erhöhen. "Es geht nur mit und nicht gegen ihn", sagt ein Bundestagsabgeordneter aus NRW. Einen "Spitzenkandidaten im Wartestand" gebe es aber nicht, versichern mehrere im CDU-Vorstand.
Die NRW-CDU erwartet, dass Rüttgers nur noch den Übergang moderieren will. Dass sich die Partei nach dem Wahldesaster in den vergangenen Wochen nicht selbst zerfleischt habe, sei schließlich auch sein Verdienst, heißt es. "Er ist jetzt Parteisoldat", glaubt ein Vorstandsmitglied.
Reine Selbstlosigkeit will man dem Noch-Ministerpräsidenten dabei aber nicht unterstellen. Wenn Rüttgers nun versuche, in der Partei einen guten Eindruck zu hinterlassen, denke er womöglich auch an die Bundespolitik, heißt es. "Wer weiß denn, was in Berlin nach dem 30. Juni noch so alles geschieht", sagt ein CDU-Vorstand mit Blick auf den Termin der Bundespräsidentenwahl. "Vielleicht geht da noch etwas im Kabinett."