Spionageaffäre Merkel drängt auf internationalen Datenschutz

Kanzlerin Merkel: "Der Zweck heiligt nicht die Mittel"
Foto: ODD ANDERSEN/ AFPBerlin - Ihr Innenminister flog wegen der Ausspähaffäre in die USA - und wurde von der deutschen Opposition verspottet. Jetzt meldete sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) selbst zu Wort und forderte die USA auf, bei Geheimdienstaktionen in Deutschland das deutsche Recht zu beachten.
"Ich erwarte eine klare Zusage der amerikanischen Regierung für die Zukunft, dass man sich auf deutschem Boden an deutsches Recht hält. Wir sind befreundete Partner. Wir sind in einem Verteidigungsbündnis und man muss sich aufeinander verlassen können", sagte Merkel am Sonntag im ARD-"Sommerinterview" in der Sendung "Bericht aus Berlin".
Außerdem plädierte sie in dem Gespräch für eine internationale Regelung zum Datenschutz. Sie sagte, ein Ansatzpunkt sei die Anregung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ein Zusatzprotokoll zum Datenschutz zum Uno-Abkommen über bürgerliche und politische Rechte von 1966 zu schaffen. Die Kanzlerin forderte die anderen europäischen Regierungen auf, bei diesem Thema eng zusammenzuarbeiten: "Es wäre natürlich gut, Europa würde hier mit einer Stimme sprechen."
Merkel sicherte zu, dass sich Deutschland bei Verhandlungen über die europäische Datenschutzgrundverordnung dafür starkmachen werde, dass die Internetunternehmen Auskunft darüber erteilen, an wen sie Daten weitergeben. "Denn wir haben zwar ein Bundesdatenschutzgesetz. Aber wenn Facebook in Irland registriert ist, dann gilt das irische Recht und deshalb brauchen wir hier eine einheitliche europäische Regelung." Leutheusser-Schnarrenberger und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hatte sich für ein solches internationales Datenschutzabkommen in der "Welt" und der "Welt am Sonntag" ausgesprochen.
"Der Schutz der Daten muss gewährleistet sein"
Zur umstrittenen USA-Reise ihres Ministers Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte die Kanzlerin: "Da wurde dem Innenminister sehr deutlich gesagt, es gibt keine Industriespionage gegen deutsche Unternehmen." Die CDU-Vorsitzende begrüßte auch, dass die amerikanische Regierung angekündigt hat, die Geheimhaltungsstufe von Akten herabzusetzen. Dennoch werde es weiter sehr intensive Gespräche mit den USA und auch Großbritannien geben.
Viele Bürger seien zu Recht beunruhigt, was mit ihren Daten passiere, wenn diese deutsche Server verlassen. "Wir arbeiten zusammen im Kampf gegen den Terror, aber auf der anderen Seite muss natürlich auch der Schutz der Daten der Bürger gewährleistet sein. Nicht alles was technisch machbar ist, das wird ja in Zukunft immer mehr sein, darf auch gemacht werden. Der Zweck heiligt hier aus unserer Sicht nicht die Mittel", sagte die Kanzlerin.
Zuvor hatte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Bundeskanzlerin scharf kritisiert. In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" sagte er: "Frau Merkel hat als Kanzlerin den Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden." Nun habe sich herausgestellt, dass die Grundrechte der deutschen Bürger durch die Spähaktionen massiv verletzt worden seien. "Also: Schaden vom Volke abzuwenden - das stelle ich mir anders vor."
Unterdessen wurde bekannt, dass der US-Informant Edward Snowden noch viel mehr brisantes Material besitzen soll, als er bisher preisgegeben hat. Das berichtete der "Guardian"-Journalist Glenn Greenwald im Interview mit einer argentinischen Zeitung.

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