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NSA in Deutschland: Radarknollen und Antennenwald

Foto: PAWEL KOPCZYNSKI / REUTERS

NSA-Ruinen in Deutschland Die Spione vom Teufelsberg

Millionenfach fängt die NSA in Deutschland Internetdaten ab. Doch der mächtige US-Geheimdienst hat in der Bundesrepublik auch höchst sichtbare Spuren hinterlassen. Die Reste gigantischer Abhöranlagen stehen in tiefen Wäldern - und am Rand von Berlin.

Berlin/Hamburg - Wer sich in Deutschland auf die Spuren des US-Geheimdienstes NSA begeben will, braucht nicht weiter zu suchen als bis zum Südwestrand Berlins. 115 Meter ragt dort der Teufelsberg empor, es ist die höchste Erhebung der Hauptstadt. Im Winter treffen sich die Berliner an seinen Hängen zum Schlittenfahren, im Sommer lockt der Hügel Mountainbiker und Wanderer. Ganz oben auf der Spitze steht das wohl bekannteste NSA-Relikt der Bundesrepublik: Fünf gigantische Radarkugeln blicken in alle Himmelsrichtungen - bis zum Ende des Kalten Krieges spähten sie vor allem nach Osten.

Einst war der Teufelsberg Teil des weltumspannenden Spionagenetzes Echelon, mit dem die US-Geheimdienste vor allem den Feind in Moskau auszuhorchen versuchten. Von 1957 bis 1991 residierte auf dem Gipfel die NSA und lauschte satellitenbasierten Telefongesprächen, filterte Faxnachrichten und wertete Internetdaten aus. Das macht sie 2013 zwar auch noch, wie Recherchen unter anderem des SPIEGEL belegen. Die Radartürme braucht sie dafür aber nicht mehr.

Heute sieht es auf dem künstlichen Hügel trostlos aus. Mit dem Abzug der Amerikaner begann der Verfall. Die Bespannung der Radartürme liegt an vielen Stellen in Fetzen, im Inneren der Anlagen wuchert Unkraut aus dem Schutt.

Doch nicht nur Witterung und Alter setzen den Gebäuden zu. Kurz nach der Jahrtausendwende war dem Berliner Senat die Bewachung des leerstehenden Areals zu teuer geworden. Regelmäßige Einbrüche und Vandalismus waren die Folge. Rotraud von der Heide, Künstlerin und Kuratorin der Initiative Teufelsberg, erklärt: "Die Anlage ist völlig kaputt, weil die privaten Eigentümer ihre Bauvorhaben nicht durchführen konnten. Nun ist die Baugenehmigung verfallen. Seit etwa anderthalb Jahren haben zwei junge Leute die Anlage gepachtet."

Erst die Partys, dann die Kupferdiebe

Der Pächter sorgt auch für die Sicherheit der Anlage. Mit den Einnahmen aus den Führungen finanziert er die ständigen Reparaturen an den Zäunen um das Gelände. Rotraud von der Heide: "Jede Nacht werden dort neue Löcher geschnitten, illegale Eindringlinge werden der Polizei übergeben. Früher wurden in den Anlagen Partys gefeiert. Dazu kamen die Kupferdiebe, die die Leitungen aus den Wänden gerissen haben. Das ist jetzt nicht mehr möglich."

Die Initiative hat mit dem Berg Großes vor: Zum Tag des offenen Denkmals Anfang September öffnet sie den Teufelsberg für drei Tage der Öffentlichkeit.

Bis dahin will von der Heide das Areal in ein Gesamtkunstwerk verwandelt haben: "Der Berg wird immer phantastischer. Es ist ein magischer Kunstort, der sich dauernd verändert", so die Künstlerin. Das liegt auch an den anonymen Graffiti-Sprayern. Ihre Gemälde überziehen die riesigen Wandflächen und die Radarkuppel von innen.

"Hier ist nichts mehr übrig"

Das andere Extrem findet sich 200 Kilometer westlich, im Höhenzug des Elm. So exponiert die Teufelsberg-Radoms, so versteckt lag die Anlage bei Schöningen nahe Braunschweig. "Es gab im Waldgebiet des Elm eine amerikanische Anlage. Dort standen Container und große Antennen", erklärt Bürgermeister Henry Bäsecke. Doch von dem ehemaligen Sperrgebiet ist heute nur noch eine Brachfläche übrig, alle Anlagen sind komplett zurückgebaut. "Hier ist nichts mehr übrig. Die Natur holt sich das Gelände langsam wieder", so Bäsecke.

50 Kilometer von München entfernt steht in Bad Aibling die südlichste bekannte Ex-Abhöranlage der US-Geheimdienste. Sie bildet das Ende einer Kette mehr oder weniger gut versteckter Spionageeinrichtungen. 1989, kurz vor dem Ende des Kalten Krieges, zählte der SPIEGEL 17 solcher Knotenpunkte der Überwachung. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen. Von Schleswig, nahe der dänischen Grenze, bis eben nach Bad Aibling, zieht sich die Schnur. Die meisten Anlagen liegen entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. So nah am früheren Feind wie möglich also.

Musik-Festival in der Fliegerhalle

Auch in Bad Aibling stehen die Radarkugeln wie überdimensionierte Golfbälle in der Landschaft herum. 2004 sind die Amerikaner abgerückt, in der Nachbarschaft residiert allerdings noch der Bundesnachrichtendienst. In der 17.000-Einwohner-Stadt geht man die Nutzung der 134 Hektar großen Liegenschaften offensiv an. Einen kleinen Teil des Geländes hat die Gemeinde in Sportanlagen umgewandelt, so Peter Schmid von der Stadtverwaltung. Dort kicken die Vereine nun im Schatten der Radoms (zur Fotostrecke geht es hier).

Der weitaus größere Teil wird von dem Wohnungsbau-Riesen B&O bewirtschaftet. Auf dem Areal soll unter anderem eine Null-Energie-Stadt entstehen, so der Plan. Angedacht sind außerdem Holz-Hochhäuser, bis zu achtstöckige Gebäude aus dem nachwachsenden Rohstoff .

Ganz vergessen ist die bewegte Geschichte des Areals aber nicht. Seit 2009 steigt dort jedes Jahr ein Electro- und House-Festival. Im vergangenen Jahr feierten rund 17.000 zwischen Radartürmen und in der ehemaligen Fliegerhalle. Der Name der eintägigen Sause, in Erinnerung an das amerikanische Spionagenetz: Echelon-Festival.

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