NSA-Spähskandal Merkel verteidigt Abhöraktionen durch Geheimdienste

Es ist das erste Mal, dass die Kanzlerin ausführlich über die NSA-Spähaffäre spricht. Angela Merkel betont im Interview mit der "Zeit", die Arbeit der Nachrichtendienste sei für die Sicherheit der Bürger unerlässlich. Vergleiche mit der Staatssicherheit der DDR weist sie scharf zurück.
Kanzlerin Merkel: Kein Vergleich mit der Staatssicherheit der DDR

Kanzlerin Merkel: Kein Vergleich mit der Staatssicherheit der DDR

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Berlin - In der Diskussion um die Spähaffäre des US-Geheimdiensts NSA meldet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Wort. Der Einsatz von Nachrichtendiensten stehe für sie nicht in Frage, sagte sie in einem Interview  mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Sie verteidigte den deutschen Geheimdienst und generell das Abhören von Telekommunikation.

Den Schutz vor terroristischen Anschlägen bestmöglich zu gewährleisten, sei "ohne die Möglichkeit einer Telekommunikationskontrolle" nicht möglich. "Die Arbeit von Nachrichtendiensten in demokratischen Staaten war für die Sicherheit der Bürger immer unerlässlich und wird es auch in Zukunft sein", sagte die Kanzlerin. Ein Land ohne nachrichtendienstliche Arbeit wäre zu verletzlich.

Merkel ergänzte: Freiheit und Sicherheit müssten immer in der Balance gehalten werden. Deshalb müsse alles dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehorchen.

"Überhaupt kein Vergleich mit der Staatssicherheit der DDR"

Bei der Aufklärung der Vorwürfe gegen die NSA mahnte die Regierungschefin Sachlichkeit im Umgang mit den USA an. Die anstehenden Gespräche müssten in einem Geist geführt werden, "der bei allen mehr als berechtigten Fragen nie vergisst, dass Amerika unser treuester Verbündeter in all den Jahrzehnten war und ist".

Sie verwies auf die Unterstützung der USA für die deutsche Einheit, die "einen großen Vertrauensvorschuss für das wiedervereinigte Deutschland" bedeutet habe. Inwieweit Berichte über Spähprogramme wie Prism zuträfen, müsse geklärt werden. Sie sagte auch: "Wanzen in Botschaften oder EU-Einrichtungen wären inakzeptabel, wenn diese Berichte zuträfen. Der Kalte Krieg ist vorbei."

Scharf wies Merkel Vergleiche mit der Staatssicherheit der DDR zurück. "Für mich gibt es überhaupt keinen Vergleich zwischen der Staatssicherheit der DDR und der Arbeit der Nachrichtendienste in demokratischen Staaten." Dies seien "zwei völlig verschiedene Dinge, und solche Vergleiche führen nur zu einer Verharmlosung dessen, was die Staatssicherheit mit Menschen in der DDR angerichtet hat".

Merkel weist auf Geheimdienst-Koordinator

Merkel betonte noch einmal, sie habe von dem Abhörprogramm erst "durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen". Dies hatte zuvor auch der "Stern" berichtet. Gleiches gilt demnach auch für die beiden Minister, die sich im Bereich der Geheimdienste eigentlich gut auskennen müssten - Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Die Opposition äußert seit Bekanntwerden des Skandals erhebliche Zweifel an der Version von der Unwissenheit der Bundesregierung. Erst recht, seit der Ex-Geheimdienstler Edward Snowden im aktuellen SPIEGEL erklärt hat, die NSA würde "unter einer Decke mit den Deutschen stecken". Detailliert schildert der Whistleblower, wie die Geheimdienste kooperieren.

In dem Interview mit der "Zeit" verweist Kanzlerin Merkel nun auf die Verantwortlichkeit des Koordinators für die Geheimdienste. Auf die Frage, ob sie selbst die Berichte der Nachrichtendienste lese, wies die Regierungschefin darauf hin, dass dies in der Verantwortlichkeit des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla liege. "Seit langem ist es so, dass im Bundeskanzleramt ein Koordinator für die Nachrichtendienste des Bundes verantwortlich ist, entweder ein Staatsminister oder der Chef des Bundeskanzleramts."

Gabriel greift Kanzlerin an

SPD-Chef Sigmar Gabriel attackierte Merkel wegen dieser Äußerungen scharf. "Anscheinend versucht Frau Merkel jetzt, die politische Verantwortung auf ihren Kanzleramtschef abzuschieben", sagte der Sozialdemokrat SPIEGEL ONLINE. Gabriel ergänzte: "Das ist das alte Spiel: Erst nichts wissen wollen, dann das Problem kleinreden und schließlich auf Mitarbeiter verweisen."

Das werde nicht gelingen. "Denn klar ist: Die Dimension dieses Skandals ist so groß, das niemand anders als die Kanzlerin persönlich dafür sorgen muss, dass die Grundrechte in Deutschland verteidigt werden."

Gabriel warf der Kanzlerin Untätigkeit in der NSA-Affäre vor: "Ich finde es unerhört, dass die Kanzlerin achselzuckend hinnimmt, dass offenbar die Grundrechte von Millionen Deutschen durch amerikanische und britische Geheimdienste verletzt wurden."

Bisher hat die NSA-Spähaffäre der schwarz-gelben Bundesregierung aber nicht geschadet. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage liegen SPD und Grüne weiter deutlich hinter Union und Liberalen zurück.

heb/flo/AFP
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