NSA-Untersuchungsausschuss Bund will Beauftragten zur Einsicht in Spähliste einsetzen

Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses (Archiv): Soll Beauftragten benennen
Foto: Stephanie Pilick/ dpaBesonders Grüne und Linke hatten sich gegen die Idee gesträubt, nun hat die Bundesregierung sich offenbar durchgesetzt: Angela Merkels Große Koalition will einen Ermittlungsbeauftragten zur Einsicht in die geheime Liste mit Ausspähzielen des US-Geheimdienstes NSA einsetzen. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur soll der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags eine entsprechend hochrangige Person etwa aus dem Justizbereich benennen und mit einem Fragenkatalog ausstatten.
Der Ausschuss soll nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen am späten Nachmittag informiert werden. Möglicherweise wird dann auch schon eine Person vorgeschlagen.
Vorher treffen sich Obleute zu einer Sitzung. "Noch liegt dem Untersuchungsausschuss kein offizieller Vorschlag zum Prozedere vor", sagte die CDU-Obfrau Nina Warken. Sie begrüßte die Idee einer zwischengeschalteten Vertrauensperson. "Das Recht, den Namen dieser Person zu benennen, obliegt aber dem Ausschuss", betonte sie.
Die Opposition hatte sich dagegen ausgesprochen, mit der Begründung, das Parlament müsse die Listen selbst einsehen können - und zwar im Untersuchungsausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr).
Die Meldung traf die Abgeordneten des NSA-Ausschusses am Mittwoch überraschend. So führte der SPD-Obmann Christian Flisek gerade ein Briefing-Gespräch mit Journalisten, als die Nachricht als Eilmeldung auf den Smartphones eintraf.
Offenbar könnte zeitnah, womöglich noch am Nachmittag, ein Vertreter des Kanzleramts vor den Obleuten des Ausschusses Stellung nehmen. Der SPD-Politiker begrüßte den Schritt zaghaft als "konstruktiv". "Wir haben immer gesagt, dass wir für diese Möglichkeit offen sind", sagte er. Ein Beauftragter, der die brisanten Selektoren sichtet, sei "ein guter Weg", da er eine Aufklärung womöglich beschleunige. "Wir kriegen die Selektorenliste nicht. Wir haben sie nicht. Also beauftragen wir einen Dritten", erklärte er.
Nur unter Bedingungen
Zugleich betonte Flisek, dass ein solcher Ermittlungsbeauftragter nur unter Bedingungen arbeiten dürfe. "Der NSA-Untersuchungsausschuss muss die Person bestimmen. Er sollte das Vertrauen aller Fraktionen im Untersuchungsausschuss genießen. Und wir bestimmen, was der Beauftragte untersuchen soll", sagte Flisek weiter.
Auf Namen wollte er sich zunächst nicht festlegen. Ehemalige und aktuelle Abgeordnete schieden aber als Sonderermittler aus, "außerdem sollte er im Bereich Geheimdienst-Gesetzgebung große fachliche Kompetenz besitzen". Die Vertrauensperson müsse Zugang "zu allen Selektoren" bekommen, ohne Auflagen des Kanzleramts. Gewünscht sei ein "unmittelbarer und ungeschwärzter Zugang" zu den betreffenden Akten. Eine abschließende öffentliche Befragung des Beauftragten hielt Flisek für denkbar.
Am Nachmittag will das Gremium, das seit 2014 die globale NSA-Spähaffäre im Bundestag aufklären soll, BND-Chef Gerhard Schindler als Zeugen befragen. Möglicherweise wird die Sitzung unterbrochen werden müssen, damit die Ausschuss-Obleute vom Kanzleramt über den neuesten Stand informiert werden können. Am Donnerstag soll Ex-Kanzleramtschef Thomas de Maizière vor dem Gremium erscheinen.
Grünen-Obmann von Notz: "Merkel-Puffer"
Seit sechs Wochen streiten Parlament und Bundesregierung um eine streng geheime Liste mit Zehntausenden Suchbegriffen des US-Geheimdienstes NSA. Das Kanzleramt hält sie unter Verschluss - um das Verhältnis mit den Amerikanern nicht zu gefährden. Die USA sollen jahrelang deutsche und europäische Ziele ausspioniert haben, womöglich mit Wissen und Unterstützung von deutscher Seite.
Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz reagierte empört. "Dieser Kompromiss ist armselig", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Die parlamentarische Kontrolle wird von gewählten Abgeordneten ausgeübt. Jetzt werden unsere Rechte fundamental beschnitten." Einen Sonderbeauftragten, der anstelle des Gremiums Einblick in die streng geheimen Akten bekomme, bezeichnete er als "milden Merkel-Puffer. Das ist illegitim und nicht akzeptabel."
Die Opposition hat bereits angekündigt, wegen der Sache vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Sie will erreichen, dass die Liste mit Zehntausenden sensiblen US-Spähbegriffen vollständig dem Untersuchungsausschuss vorgelegt wird.