Konstantin von Hammerstein

Die SPD und ihr Kanzlerkandidat König Olaf und die Zwerge

Konstantin von Hammerstein
Ein Kommentar von Konstantin von Hammerstein
Die Sozialdemokraten haben sich auf ihrem Parteitag endgültig auf eine riskante Strategie eingelassen: sich ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz vollständig auszuliefern. Ob das reicht, ist fraglich.
Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem SPD-Parteitag

Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem SPD-Parteitag

Foto: Wolfgang Kumm / dpa

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Olaf Scholz ist schon fast am Ende seiner Rede angelangt, als er einen »berühmten Satz in Deutschland« zitiert: »Auf den Kanzler kommt es an.« Er sagt nicht, dass er dieses Zitat von einem CDU-Mann übernommen hat. Es passt gerade so schön in seine Rede vor dem SPD-Parteitag und soll deren Höhepunkt vorbereiten. Der kommt wenig später und besteht aus nur drei Wörtern: »Ich kann das.«

Das ist die eigentliche Botschaft an diesem sonnigen Sonntagnachmittag, der für viele der über 600 Delegierten offenbar so verlockend ist, dass sie zu Hause im Homeoffice zwischendurch schon mal die virtuellen Abstimmungen schwänzen. Wer kann es ihnen verdenken? Konzentrierte digitale Langeweile über mehrere Stunden, das wackere Abarbeiten von Spiegelstrichen und Unterpunkten eines Parteiprogramms, das niemand lesen wird, und am Ende die Erkenntnis, dass es an diesem Tag nicht um Inhalte geht, sondern um Scholz. Und sonst niemanden.

»Acht von zehn Punkten auf der Scholzomaten-Skala«

Der Kanzlerkandidat hält an diesem Tag eine seiner besseren Reden. »Acht von zehn Punkten auf der Scholzomaten-Skala«, konzidiert ein prominenter Genosse voller Anerkennung, »vielleicht waren es sogar neun.«

Scholz redet über alles Mögliche, über Klima, Digitalisierung, Corona und über eine »Gesellschaft des Respekts«. Es ist eine neue Chiffre für ein uraltes sozialdemokratisches Thema: soziale Gerechtigkeit. In Wahrheit aber geht es um etwas ganz anderes.

Im Scholz-Narrativ gibt es nur einen, der die Welt retten kann. Die Grünen sind es nicht. Sie mögen voller guter Absichten sein, aber sie können es nicht. Die Union dagegen hat noch nicht einmal gute Absichten, und können kann sie es sowieso nicht. Nein, »auf den Dirigenten kommt es an«, sagt der Kanzlerkandidat. Es ist höchste Zeit, die Profis ranzulassen, und gibt es einen besseren Profi als Superman Olaf? Scholz kennt keinen.

In der langen Geschichte der SPD gab es genug Männer, die nicht an einem Mangel von Selbstbewusstsein litten. Doch Willy Brandt, Gerhard Schröder und selbst der große Globalstratege Helmut Schmidt wussten, dass sie auf andere angewiesen waren. Dass sie ein Team brauchten aus profilierten Frauen und Männern, um Erfolg zu haben, ein Schattenkabinett.

Der Kandidat ist wichtig, aber die Partei noch wichtiger

Das Team Scholz besteht nur aus einem. Aus Scholz. Und die Partei hat das hingenommen. Aus Angst. An diesem Sonntag hat sie sich vollständig einem Kandidaten ausgeliefert, dem sie 2019 noch nicht einmal den Vorsitz zutraute. Die SPD ist jetzt Scholz, und Scholz ist die SPD. Neben ihm existieren nur noch Zwerge. Es ist eine gefährliche Strategie, denn die Deutschen wählen im Herbst keinen Kanzler, sondern eine Partei.

Der Kandidat ist wichtig, aber die Partei noch wichtiger. In den Umfragen liegt die SPD abgeschlagen auf Platz drei, doch die Deutschen scheinen auch dem Kandidaten nicht viel zuzutrauen. Mag sein, dass er ein Profi ist, aber wissen das auch die Wähler? Viel Zeit bleibt ihm nicht, schon im August beginnt die Briefwahl. Eine würdige Herausforderung für Superman Olaf.

Der »berühmte Satz«, den Scholz in seiner Rede zitierte, stammt übrigens von Kurt Georg Kiesinger. »Auf den Kanzler kommt es an«, plakatierte der CDU-Mann 1969 im Bundestagswahlkampf. Wenig später wurde Kiesinger als Kanzler abgewählt.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren