Wegen Justizreform Oberlandesgericht lehnt Auslieferung nach Polen ab

Oberlandesgericht Karlsruhe: "Wegen der derzeitigen aktuellen Entwicklungen in Polen im Rahmen der 'Justizreform'"
Foto: Uli Deck/ DPANach der Justizreform der konservativen Regierung in Polen zweifelt das Oberlandesgericht in Karlsruhe (OLG) an der Unabhängigkeit der dortigen Justiz. Deshalb hat das OLG nun die Auslieferung eines Tatverdächtigen abgelehnt. Die Richter hoben einen entsprechenden Auslieferungshaftbefehl auf und ordneten die Freilassung des Mannes an. Es bestünde eine "hohe Gefahr", dass das Recht des Verfolgten auf ein faires Verfahren verletzt wird, so das OLG.
Zuerst hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) darüber berichtet. Der Mann werde in Polen unter anderem wegen Betrugs gesucht, berichtete RND. Er bestreite die Vorwürfe und habe angegeben, es seien Zeugen für Falschaussagen bestochen worden.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit einer derzeit "hohen Wahrscheinlichkeit", dass sich die Auslieferung des Mannes "wegen der derzeitigen aktuellen Entwicklungen in Polen im Rahmen der 'Justizreform' als zumindest derzeit unzulässig erweist". Insoweit bestünden "tatsächliche Anhaltspunkte, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung einer echten Gefahr der Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren ausgesetzt sein würde".
Zugleich forderte der OLG-Senat in seinem Beschluss weitere Informationen aus Polen unter anderem "über die im Rahmen der Justizreform drohenden Sanktionen gegen Richter und Staatsanwälte".
Die in Polen regierende PiS hat in den vergangenen Jahren das Justizwesen umgebaut. Die EU-Kommission hat wegen strittiger Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.
Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds (DRB), Sven Rebehn, sagte, Polen drohe sich durch den Umbau seines Justizsystems "in der europäischen Rechtsgemeinschaft zu isolieren".
"Die anderen Mitgliedsstaaten tun sich sehr schwer damit, ein Land bei der Strafverfolgung zu unterstützen, das sich immer weiter vom gemeinsamen Rechtsstaatsverständnis der EU entfernt", sagte Rebehn. Wenn die Integrität des polnischen Rechtsstaats aber zunehmend infrage stehe, "entzieht das einer rechtlichen Zusammenarbeit mit der Justiz Polens den Boden".