Özdemir gegen Trittin Grüne zanken über Bündnisse mit der Union

Grüne Spitzenpolitiker Roth, Özdemir und Trittin: "Gegen Ausschließeritis"
Foto: AFPBei den Grünen ist nach SPIEGEL-Informationen der Streit um zukünftige Bündnisse mit der Union voll entbrannt. Parteichef Cem Özdemir weist die Forderung der Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin zurück, bei kommenden Wahlen im Bund und in den Ländern Schwarz-Grün auszuschließen.
Die Grünen hätten sich in Rostock 2009 "mit großer Mehrheit für einen Kurs der Eigenständigkeit entschieden", sagt Özdemir. "Wir haben uns auch gegen Ausschließeritis ausgesprochen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es in der Partei derzeit ein Verlangen gibt, daran etwas zu ändern." Zwar pflegten die Grünen "keine Äquidistanz zu SPD und CDU", sondern bevorzugten die Sozialdemokraten als Koalitionspartner. Er sehe aber keinen Grund, warum die Grünen zwei Jahre vor der Bundestagswahl "irgendwelche Koalitionsaussagen tätigen sollten", so Özdemir.
Trittin hatte verlangt, bei den Wahlen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein die schwarz-gelben Koalitionen "rückstandsfrei abzulösen"; Künast hatte gefordert,
man müsse bei "den nächsten Wahlen die Option Schwarz-Grün zumachen". Özdemir betont dagegen, in den Ländern "entscheiden unsere Landesverbände solche Fragen selbst". Allerdings hält er schwarz-grüne Bündnisse bei den nächsten Wahlen für "sehr unwahrscheinlich".
Warnung vor einer zu deutlichen Orientierung zur SPD
In den Ländern hatte es bereits unmittelbar nach den Äußerungen von Künast und Trittin Protest gegeben. Robert Habeck, Grünen-Fraktionschef im Kieler Landtag, sieht die Ansage als Affront. Er hat als grüner Spitzenkandidat im Mai die Landtagswahl in Schleswig-Holstein zu bestreiten - und er will sich auch weiterhin alle Optionen offenhalten. "Man kann nicht von oben herab diktieren, wie das in den Ländern zu laufen hat", sagt Habeck. "Die Entscheidungen, die wir getroffen haben, stehen im krassen Gegensatz dazu, was Trittin und Künast jetzt sagen." Er droht nun mit heißen Debatten auf dem anstehenden Bundesparteitag in Kiel: "Wenn das so läuft, dann wird das dort zu klären sein."
Grünen-Chef Özdemir warnt seine Partei weiterhin vor einer zu deutlichen Orientierung zur SPD: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand von uns ernsthaft will, dass wir wieder zum automatischen Juniorpartner der SPD werden. Die Zeiten von Koch und Kellner sind vorbei."
Die SPD sei ein "Konkurrent", und den lasse man "nicht in die Karten schauen".
Mit Blick auf Künasts gescheiterte Bewerbung um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin sagt Özdemir: "Das Problem in Berlin war nicht unsere Eigenständigkeit. Wir haben nicht früh genug klargemacht, für welche Inhalte wir die Macht eigentlich wollen." Künast dagegen hatte die mangelnde Eindeutigkeit in der Koalitionsfrage angeführt.
"Sind die Grünen überhaupt kompromissbereit?"
Noch ist unklar, ob es in Berlin zu einer rot-grünen Koalition kommt. Die Berliner SPD hat nach dem erneuten Nein ihres Wunsch-Koalitionspartners Grüne zum Weiterbau der Stadtautobahn A100 Zweifel an deren Verlässlichkeit geäußert.
Trotz des klaren Votums der Grünen-Basis für Koalitionsverhandlungen sollten zunächst noch einmal die Sondierungskommissionen zusammenkommen und dieses Ergebnis bewerten, sagte der SPD-Landesvorsitzende Michael Müller am Samstag im RBB-Inforadio. "Ich bin skeptisch, was da beschlossen wurde." Es sei kritisch zu prüfen: "Sind die Grünen beispielgebend für die nächsten fünf Jahre überhaupt kompromissbereit oder wollen sie ihre Position eins zu eins durchsetzen?"
Ein Landesparteitag der Grünen hatte am Freitagabend überraschend deutlich bei nur drei Gegenstimmen Koalitionsverhandlungen mit der SPD zugestimmt. Zugleich bekräftigten die Grünen ihr Nein zur A100, deren Weiterbau die SPD vorantreiben will.
Müller sagte, die Grünen müssten sich bei einem Kompromiss auch bewegen. Gemeinsam sei vereinbart worden, dass die Autobahn weitergebaut werde, falls der Bund nicht bereit sei, die dafür vorgesehenen Gelder zugunsten anderer Straßenprojekte umzuwidmen. Dies hat das Bundesverkehrsministerium bereits abgelehnt. "Wenn die Grünen sich auch davon verabschieden, worin besteht dann ihr Kompromiss?" fragte Müller. Auf die Frage, ob die SPD unter diesen Umständen vielleicht doch lieber mit der CDU verhandele, sagte Müller: "Ich bin noch nicht ganz so weit."