Regierungspläne Verbraucher sollen mit Milliarden für Offshore-Windparks haften

Mehrere Windparks stehen bereits vor deutschen Küsten, viele sollen folgen - doch am Stromnetz hängen die Offshore-Giganten immer noch nicht. Deshalb werden nach Informationen von SPIEGEL ONLINE Milliardenentschädigungen fällig. Zahlen müssen laut Regierungsplänen die privaten Stromkunden.
Windpark vor Borkum: Höhere Kosten für Bürger durch Umlage der Haftung

Windpark vor Borkum: Höhere Kosten für Bürger durch Umlage der Haftung

Foto: Ingo Wagner/ dpa

Berlin - Für die Erzeugung von Windenergie auf hoher See werden die deutschen Verbraucher deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen als bislang geplant. Nach wochenlangem Geschacher haben sich Union und FDP auf ein Gesetz geeinigt, mit dem der stockende Ausbau von Offshore-Projekten wieder angekurbelt werden soll.

Der Gesetzentwurf, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, entlastet die Industrie und belastet stattdessen die privaten Stromkunden mit weit über zwei Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren. Der Bundestag soll am kommenden Freitag über das Gesetz abstimmen.

Nach Plänen der Bundesregierung sollen Windparks in Nord- und Ostsee perspektivisch so viel Strom erzeugen wie etwa sechs Atomkraftwerke. In den vergangenen Monaten ist der Ausbau der Offshore-Projekte jedoch beinahe zum Erliegen gekommen. Der Netzbetreiber Tennet hat für inzwischen sieben Nordsee-Windparks eine um bis zu zwei Jahre verzögerte Netzanbindung einräumen müssen.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) einigten sich deshalb im Sommer auf eine gesetzliche Entschädigungsregel. Windparkbetreiber sollen demnach Schadensersatz erhalten, sobald ihre Anlage betriebsbereit, aber nicht ans Netz angeschlossen ist. Zahlen soll bis zu einer bestimmten Summe der Netzbetreiber Tennet. Alle darüber hinausgehenden Kosten werden über eine Umlage auf die privaten Stromkunden abgewälzt.

Über die Höhe des Selbstbehalts von Tennet hatte es massiven Streit in der Bundesregierung gegeben. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) setzte zunächst durch, das Tennet für jedem Schadensfall mit 100 Millionen Euro geradezustehen habe. Der Netzbetreiber kritisierte daraufhin, unter diesen Umständen sei ein vernünftiger Ausbau nicht zu stemmen. Tennet-Chef Lex Hartman prophezeite gar den "Tod" der Offshore-Windenergie.

Regierung reduziert Haftung für Industrie drastisch

Die Drohungen haben ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. Im mehrmals veränderten Gesetzentwurf von Union und FDP, der am Mittwoch in den Bundestagsausschüssen behandelt wird, heißt es nun, Tennet habe in Fällen einfacher Fahrlässigkeit nur noch mit maximal 17,5 Millionen Euro zu haften. Bei grober Fahrlässigkeit sollen es bis zu 100 Millionen Euro sein. Insgesamt wird die jährliche Haftungssumme für Tennet jedoch nie höher als 110 Millionen Euro sein.

Den großen Rest werden die Verbraucher stemmen müssen. Nach internen Berechnungen sind das zum jetzigen Zeitpunkt für die kommenden zwei Jahre deutlich mehr als eineinhalb Milliarden Euro. Schon jetzt allerdings zeichnen sich für weitere der bislang 25 genehmigten Offshore-Windparks in der Nordsee Verzögerungen des Netzanschlusses ab. Im Wirtschaftsministerium kalkuliert man daher bereits, dass die Verbraucher bis 2015 weit mehr als zwei Milliarden Euro zahlen könnten.

"Alle Industriebetriebe sind wieder einmal fast vollständig befreit", sagte der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer. "Stattdessen müsste der Bund hier finanzielle Verantwortung übernehmen, denn er verantwortet auch das Desaster."

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