Scholz-Besuch in Spanien Beim Stabilitätspakt werden sie einsilbig

Bundeskanzler Olaf Scholz (vorne) und Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez in Madrid
Foto:Manu Fernandez / AP
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Nein, es könnte nicht harmonischer zugehen zwischen Olaf Scholz und Pedro Sánchez, zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien, ob in politischer, ökonomischer, pandemischer oder gar kultureller Hinsicht, denn: Spanien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse! Darauf weist der spanische Regierungschef Pedro Sánchez bei seinem gemeinsamen Auftritt mit dem deutschen Bundeskanzler im Garten seines Regierungssitzes mit noch mehr Vorfreude hin als auf die deutsch-spanischen Regierungskonsultationen, die bald zu neuem Leben erwachen sollen.
Olaf Scholz ist für einen Blitzbesuch nach Madrid gereist, sein vierter Antrittsbesuch nach der Amtsübernahme, der erste bei einem Amtskollegen aus der sozialdemokratischen Parteienfamilie, und nicht nur deshalb wohl der angenehmste.
Scholz und der Spanier kennen sich noch aus Zeiten, als der Deutsche nur Hamburg regierte. Viel später stimmten die beiden sich über den Corona-Wiederaufbaufonds der EU ab, und noch später unterstützte Sánchez den SPD-Kanzlerkandidaten im Wahlkampf mit einem großen Kongress europäischer Sozialdemokraten in Berlin. Die Schützenhilfe im Wahlkampf geschah vielleicht nicht ganz uneigennützig, denn für viele sozialdemokratisch (mit-)regierte südliche Länder der Europäischen Union verkörpert Scholz jetzt auch die Hoffnung auf weitere gemeinsame Finanzpakete oder gar eine grundsätzliche Lockerung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumsregimes.
Scholz formuliert vorsichtig
Mehrmals werden Scholz und Sánchez an diesem Nachmittag nach der Zukunft des europäischen Stabilitätspakts gefragt, aber sie weichen einer Antwort aus. Sánchez schlägt lieber einen weiten Bogen von den vielen Dingen, die er von Scholz gelernt habe bis hin zum Thema Respekt, das die europäische Sozialdemokratie – inspiriert von Scholz – nun auch gemeinsam in Europa vertreten wolle.
Auf die Frage, ob sich hier vielleicht eine neue deutsch-spanische Achse für mehr gemeinsame Schuldenaufnahme in Europa abzeichne, betont Sánchez nur die wichtige »Führungsrolle«, die Scholz schon beim Corona-Hilfsfonds eingenommen habe.
Scholz selbst kennt die Begehrlichkeiten der südländischen Parteifreundinnen und Parteifreunde. Wohl deshalb, und mit Rücksicht auf den liberalen Finanzminister in Berlin, formuliert er seine Antwort besonders vorsichtig: Ja, man müsse die ökonomischen Probleme in Europa gemeinsam lösen, und das europäische Wiederaufbauprogramm »hält uns zusammen«. Aber der Großteil dieser gemeinsam mobilisierten Gelder werde ohnehin erst in den nächsten Jahren ausgeschüttet.
Scholz' Subtext: Wieso also jetzt schon über das nächste gemeinsame Schuldenprojekt sprechen? Tatsächlich ist Spanien das erste EU-Land, das auf nationaler Ebene schon ein Programm für die EU-Fördergelder aufgelegt hat.
Darüber hinaus verkneift sich Scholz auch nur vorsichtige Andeutungen auf mehr fiskalpolitische Offenheit. Die EU der Zukunft müsse stark, souverän, strategisch autonom, technologisch fortschrittlich und klimafreundlich sein, führt er aus. Ach ja, und natürlich – respektvoll.
Erst die USA, dann Russland
Die Sache mit der strategischen Autonomie dürfte im zweiten großen Themenblock der Regierungschefs eine Rolle gespielt haben: dem russischen Säbelrasseln an der ukrainischen Grenze. Hier überließ Scholz seiner Außenministerin Annalena Baerbock an diesem Tag den größeren Auftritt: Baerbock war parallel zu seinem Madrid-Trip nach Kiew aufgebrochen und reiste von dort nach Moskau weiter.
Bis der Bundeskanzler selbst nach Moskau aufbricht, dürfte es noch länger dauern – erst stehen nach transatlantischer Sitte die USA auf dem Programm. Aus Regierungskreisen heißt es, man peile den Februar für die Reise an, aber es gebe noch keinen festen Termin.
Inhaltlich war von Scholz nicht mehr zum Thema Russland zu hören als das schon Bekannte: Die Situation sei »sehr ernst«, die massiven russischen Truppenbewegungen ein »Problem für die Souveränität« der Ukraine, und für mögliche militärische Aggressionen würde Russland einen »hohen Preis« zahlen.
Zur Frage möglicher Waffenlieferungen an das bedrängte Land erklärte Scholz nur, seine Position stehe »in Kontinuität früherer Regierungen« und »was die klug auf den Weg gebracht haben«. Das wären keine Waffenlieferungen.
Bezeichnend ist allerdings, dass ein wichtiges Gesprächsthema von Scholz und Sánchez die Weiterführung gemeinsamer europäischer Rüstungsprojekte war, von der Eurodrohne bis zum europäischen Kampfflieger FCAS.

Auch die Pandemie war Thema in Madrid
Foto:SUSANA VERA / REUTERS
Im Kampf gegen Corona liegen sie auseinander
Auch die Pandemie konnte als Thema nicht fehlen, zumal die Bekämpfung des Coronavirus einer der wenigen Bereiche ist, bei denen Scholz und Sánchez nicht an einem Strang ziehen. Der Spanier hatte jüngst verkündet, auf Dauer müsse man lernen, Covid »wie eine Grippe« zu behandeln, um die Gesundheitssysteme zu entlasten. Für diese Aussage, die auch eine Lockerung der Maßnahmen oder Quarantäneregeln bedeutet hätte, war Sánchez in Spanien scharf kritisiert worden.
In der Pressekonferenz bemühte er sich um einen versöhnlichen Ton, betonte, er wolle selbstverständlich nicht »mitten in der sechsten Welle« ein »komplett neues Management« der Pandemie vorschlagen. Aber vielleicht müssten Regierungen doch in den kommenden Monaten oder Jahren ihre Pandemiepolitik neu denken.
Auf die Frage, ob der deutsche Kanzler dies auch so sehe, lobte Scholz nur die hohe Impfquote in Spanien. Deutschland müsse in diesem Bereich besser werden, und das könne gelingen, indem man mehr »Verbindlichkeit« herstelle. Das Wort »Impfpflicht« war von Scholz dabei nicht zu hören.