Razzia im Ministerium Scholz stellt sich Finanzausschuss wegen Geldwäsche-Ermittlungen

Olaf Scholz: Für die Befragung im Finanzausschuss hat der SPD-Kanzlerkandidat mehrere Wahlkampftermine gestrichen
Foto: Carsten Koall / dpaKurz vor der Bundestagswahl steht Finanzminister Olaf Scholz wegen einer Razzia in seinem Ministerium in der Kritik. Der Vorfall ist nun auch Thema einer Sondersitzung im Finanzausschuss des Bundestags. Anders als erwartet erschien der SPD-Kanzlerkandidat doch persönlich zu dem Termin, um den Abgeordneten Rede und Antwort zu den Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Einheit FIU zu stehen. Berichten der »Bild«-Zeitung zufolge soll Scholz sich durch einen Seiteneingang in die Sondersitzung des Ausschusses geschlichen haben.
FDP, Grüne und Linke hatten die Sondersitzung des Bundestagsausschusses beantragt, nachdem die Osnabrücker Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung beim Finanz- und beim Justizministerium durchgeführt hatte . Hintergrund der Aktion sind Ermittlungen gegen Mitarbeiter der FIU, einer Anti-Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls in Köln, die Scholz' Finanzministerium zugeordnet ist.
FIU-Mitarbeiter sollen Hinweise auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an Justiz und Polizei weitergeleitet haben. In diesem Zusammenhang wollten die Ermittler Unterlagen aus beiden Ministerien einsehen.
Die wichtigste Frage sei: »Haben Vorgaben aus Berlin zu riesigen Lücken bei der Geldwäschebekämpfung geführt?«, sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. »Es geht darum, welche der Verdachtsmeldungen der Banken auf Geldwäsche weitergeleitet werden müssen und welche nicht. Es müsse geklärt werden, ob die FIU-Mitarbeiter nur Anweisungen aus Berlin umgesetzt oder selbst entschieden hätten«, sagte Toncar.
FDP, Grüne, Linke, AfD und Union hatten Scholz aufgefordert, persönlich vor dem Ausschuss zu erscheinen und sich nicht – wie einige Ausschussmitglieder selbst – digital zuzuschalten. »Es ist keine Petitesse, dass die Geldwäschebekämpfung in Deutschland nicht funktioniert«, betonte Toncar. »Wer Respekt plakatiert, der sollte auch den Respekt gegenüber dem Parlament und gegenüber der Öffentlichkeit leben.« Abgeordnete der Union betonten, sie hätten selbstverständlich alle ihre Termine abgesagt. Dabei hatten sie offenkundig nicht erwartet, dass Scholz tatsächlich anwesend sein würde, und für diesen Fall erwogen, ihn gegen seinen Willen in den Bundestag zu zitieren.
Spekulationen über Wahlkampfhintergrund der Razzia
Die Durchsuchung in Scholz' Ministerium nur wenige Tage vor der Bundestagswahl hatte einige Fragen aufgeworfen. So waren die gesuchten Unterlagen der Staatsanwaltschaft nach Darstellung des Justizministeriums bereits lange vorher angeboten worden. Die Staatsanwaltschaft stellt das betreffende Telefonat dagegen so dar, dass das Ministerium die Herausgabe der Unterlagen zunächst ablehnte und auf »den großen Dienstweg« verwies. So habe man entschieden, Durchsuchungen in beiden Häusern zu beantragen. Übereinstimmend heißt es, dass die Ermittler die fraglichen Unterlagen ohne Probleme einsehen konnten.
Die Financial Intelligence Unit (FIU) ist als Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zuständig. Rechtliche Grundlagen sind die EU-Geldwäscherichtlinie sowie vor allem das deutsche Geldwäschegesetz in der Fassung von 2017. Aufgabe ist die Entgegennahme, Sammlung und Auswertung von Meldungen über ungewöhnliche oder verdächtige Finanztransaktionen.
Vorläufer der FIU war die beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelte Zentralstelle für Verdachtsmeldungen. Mit der Neuregelung 2017 wurde die FIU dem Zoll zugeordnet. Damit wechselte zugleich die Ressortzuständigkeit in der Bundesregierung vom Innen- zum Finanzministerium. Dies ging auch auf geänderte EU-Vorschriften zurück.
Verdachtsmeldungen werden der FIU von Banken übermittelt, aber zum Beispiel auch von Versicherungen, Spielbanken oder Geschäftsleuten wie Maklern oder Juwelieren. Ergeben sich aus der Auswertung Hinweise auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, übermittelt die FIU diese an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Die FIU selbst ist nicht für strafrechtliche Ermittlungen zuständig.
Spekulationen über einen Wahlkampfhintergrund gab es unter anderem, weil der Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, Bernard Südbeck, ebenso CDU-Mitglied ist wie Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza. Der Sprecher der Ermittlungsbehörde wies diese Spekulationen zurück: Die Ermittlungen würden nicht von Südbeck geleitet, sagte er. Der Verfassungsrechtler Joachim Wieland hält die Durchsuchung dennoch für rechtswidrig. Es gebe »durchgreifende Zweifel an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit«, schrieb er in einem Blogeintrag. »Für das scharfe Schwert einer Durchsuchung ist kein Anlass ersichtlich. Sie war nicht erforderlich und deshalb rechtswidrig.«
Die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe sagte der Nachrichtenagentur dpa: »Mittlerweile müssen wir davon ausgehen, dass die CDU eine Staatsanwaltschaft für ihren Wahlkampf missbraucht.« Knapp eine Woche vor der Wahl werde es schwierig sein, im Ausschuss sachlich zu diskutieren. »Alle Parteien sind im Wahlkampffieber. Teilweise geht es auch darum, von den eigenen Schwächen abzulenken.«