Ist Johannes Ponader ein nerviger Spalter oder Sprachrohr des Schwarms? Macht Bernd Schlömer einen guten Job, oder hat er als Parteichef versagt? Die Piratenpartei stimmt diese Woche über ihren Vorstand ab - auf SPIEGEL ONLINE können Sie schon jetzt das Spitzenpersonal der Piraten bewerten.
Berlin - Die Piraten greifen zur Ultima Ratio: In dieser und der kommenden Woche lässt der Vorstand über seine Zukunft per Online-Voting abstimmen - um das schwer gestörte Verhältnis zwischen Basis und Führung zu kitten. In einer Art kollektiver Vertrauensfrage sind die 35.000 Piraten-Mitglieder aufgerufen, per E-Mail die Performance ihrer Chefpiraten zu bewerten. Darüber hinaus entscheidet die Basis darüber, ob sie zum Wahlkampf einen neuen Vorstand wählen oder mit dem alten weitermachen will.
SPIEGEL ONLINE macht den Test - und hat die Fragen, die der Schwarm beantworten soll, vorab schon einmal zusammengestellt. Sie haben die Wahl: Welcher Spitzenpirat macht einen guten Job, wer sollte weiter im Amt bleiben? Welcher Oberpirat hat versagt und sollte besser gehen? Sollten die Piraten auf ihrer nächsten großen Versammlung im Mai über ihre Köpfe diskutieren - oder besser mit voller Kraft am Programm feilen?
Und so funktioniert's: Klicken Sie sich durch acht Fragen. Zunächst entscheiden Sie, ob die Piraten überhaupt einen neuen Vorstand wählen müssen. Dann bewerten Sie die Arbeit der einzelnen Vorstände. Spielen Sie Basispirat - und stimmen Sie jetzt ab!
Piratenchef Schlömer, Twitternamen @BuBernd und @BuVoBernd
Foto: dapd
Der nordisch-nüchterne Bernd Schlömer ist im Hauptberuf Regierungsdirektor im Bundesverteidigungsministerium. Diese Doppelrolle sieht er nicht als Problem, Schlömer will beweisen, das Politik als Ehrenamt funktionieren kann. Allerdings gestaltet sich das in der Praxis schwierig; der Parteichef räumt mittlerweile ein, dass ihn die Angriffe aus der Basis und der raue Umgangston in der Partei zermürben. Kritiker werfen ihm vor, nach den ersten schlechten Umfragezahlen im Herbst zu spät reagiert zu haben. Von der Strategie der Zurückhaltung hat sich Schlömer mittlerweile verabschiedet: Im Januar preschte er mit Vorschlägen voran, wie er die Partei professionalisieren will, zum Beispiel mit einem Expertenteam für die Bundestagswahl.
3. Zeugnis für Johannes Ponader, 36, Politischer Geschäftsführer
Er sieht sich selbst als "Sprachrohr der Basis", als jemand, der auch mal unbequeme Meinungen vertritt - seine Vorstandskollegen sehen ihn als Top-Querulanten, der mit fragwürdigen Fernsehauftritten und Alleingängen die Zusammenarbeit torpediert. Seine Vorgängerin im Amt war die populäre Marina Weisband, in der viele eine Integrationsfigur sahen. Ponader setzt hingegen auf Polarisierung, ob durch eine umstrittene Spendenaktion, öffentlich geschilderte Erfahrungen mit Hartz IV und sogenannter Polyamory oder der Veröffentlichung privater SMS-Kommunikation. Seinem Bekanntheitsgrad hat all das nicht geschadet, im Gegenteil: Im vergangenen Jahr landete sein Name in den Top Ten der Politiker, die in Deutschland am meisten gegoogelt werden.
4. Zeugnis für Sebastian Nerz, 29, Stellvertretender Vorsitzender
Vize Nerz, Twittername @tirsales
Foto: dapd
Der Tübinger war mal Bundeschef der Piratenpartei, ist mittlerweile Stellvertreter von Schlömer. In Baden-Württemberg kandidiert er auf Platz eins der Landesliste für den Bundestag. Nach außen soll Nerz die Seriösität der Piraten verkörpern, um bürgerliche Wähler anzusprechen - nach innen steckt er für seine frühere CDU-Mitgliedschaft noch immer Spott ein. Immer wieder ruft Nerz seine Partei zu zivilisierteren Umgangsformen auf, auf Twitter oder in E-Mails greift der Bundesvize allerdings selbst oft zu harschen Worten - insbesondere gegen seinen Erzfeind, Vorstandskollege Ponader. Der Bioinformatiker war federführend bei der Gründung des sozialliberalen Flügels "Frankfurter Kollegium".
5. Zeugnis für Markus Barenhoff, 32, Stellvertretender Vorsitzender
Vize Barenhoff, Twittername @alios
Foto: Caroline Seidel/ picture alliance / dpa
Markus Barenhoff meldet sich am Telefon mit "Moin", gilt als gut gelaunte Seele im Bundesvorstand. Aus Querelen hält er sich raus - verpasst damit aber auch die Chance, als Vermittler zwischen den Fronten zu wirken. Mittlerweile orientiert sich Barenhoff Richtung Bundestag, in Nordrhein-Westfalen steht er auf Listenplatz 8. Schlagzeilen produzierte er, als Cannabis in seiner Münsteraner WG gefunden wurde, und der Fall in einem Bericht des Bundesinnenministeriums landete. Barenhoff trat kurz nach Gründung der Piraten 2006 in die Partei ein, der selbständige IT-Fachmann kümmert sich um Datenschutz und technischen Support. Er gilt als Fan des bedingungslosen Grundeinkommens.
6. Zeugnis für Swanhild Goetze, 53, Schatzmeisterin
Schatzmeisterin Goetze, Twittername @schwan1
Foto: dapd
Sie ist die Fachfrau für Finanzen, erledigt Papierkram morgens um sieben. Swanhild Goetze sieht sich im Hintergrund, mit Medien spricht sie nicht. Als sie einmal durchrechnete, wie viel Geld die Piraten einnehmen könnten, wenn jeder - bislang ungewählte - Bundestagspirat im Schnitt 2500 Euro monatlich abdrücken würde, fing sie sich einen Sturm der Kritik ein. Dann drohte Goetze mit Rückzug, falls sich die Basis nicht endlich auf ein Verteilungssystem einigt, mit dem die Bundespartei mehr von den Einnahmen großer Landesverbände profitieren kann. Oft lässt die Schatzmeisterin durchblicken, dass sie von einem Boom der Piraten wenig hält: "Endlich habe ich meine kleine, süße 2-Prozent-Partei wieder", twitterte sie nach der Wahlschlappe von Niedersachsen.
7. Zeugnis für Sven Schomacker, 39, Generalsekretär
Generalsekretär Schomacker, Twittername @hilope
Foto: dapd
Vom Generalsekretär der Piratenpartei hört man inhaltlich - tja, eigentlich gar nichts. Sven Schomacker kümmert sich im Bundesvorstand um Verwaltungsaufgaben, die Vernetzung der Landesverbände und die Verbesserung der Informationstechnik. Nur einmal positionierte er sich im Amt programmatisch: Bremer ist einer der Erstunterzeichner des "Frankfurter Kollegiums", welches sich als sozialliberaler Flügel bewusst von der Piratenpartei abgrenzen will. Kritiker werfen der Gruppe vor, neue Richtungsstreits provozieren zu wollen, sich selbst sieht das Kollegium als Diskussionsforum. Schomacker ist Krankenpfleger und seit Sommer 2009 Mitglied der Piratenpartei.
8. Zeugnis für Klaus Peukert, 36, Beisitzer im Bundesvorstand
Beisitzer Peukert, Twittername @tarzun
Foto: Angelika Warmuth/ picture alliance / dpa
Eine Skandal? Eine krude Äußerung? Klaus Peukert ist zur Stelle, bloggt und twittert dann im Minutentakt. Eigentlich organisiert der Leipziger Bundesparteitage und pflegt die Liquid-Feedback-Plattformen der Partei. Doch nur Hintergrund ist nicht sein Ding, regelmäßig schaltet er sich in Diskussionen ein - zuweilen mit harschen Worten: Die Neuwahl-Debatte klebe an der Partei wie "Scheiße am Schuh", sagte er etwa. Die einen schätzen ihn als klaren Ansager, die anderen sähen es lieber, wenn er sich neutraler verhalten würde. Der Familienvater arbeitet als IT-Teamleiter, kandidiert auch für den Bundestag, allerdings auf einem aussichtslosen Listenplatz. Peukert initiierte die aktuelle Mitgliederumfrage zur Bewertung der Vorstände.
Die Umfrage ist ab Zeitpunkt der Veröffentlichung 24 Stunden live - SPIEGEL ONLINE wird die Auswertung zeitnah veröffentlichen. Mehr zu den Piraten-Vorständen: Die Kurzprofile auf dem Bundesportal der Partei.
18 BilderDie Piratenpartei: Von Streit und Selbstdemontage
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In dieser und der kommenden Woche lässt der Piratenvorstand über seine Zukunft per Online-Voting abstimmen - um das gestörte Verhältnis zwischen Basis und Führung zu kitten.
Foto: Angelika Warmuth/ picture alliance / dpa
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Chefpiraten Schlömer, Ponader: Eine mögliche Vorstandsneuwahl könnte über ihre Zukunft an der Parteispitze entscheiden.
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa
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Parteimitglieder im Bällebad: Schlechte Umfragewerte und ein zerstrittenes Spitzenpersonal lassen einstige Anhänger ratlos zurück.
Foto: Marcus Brandt/ picture alliance / dpa
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Das Problem: In Kernfragen können sich die Piraten nicht einigen.
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa
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Auch der Politische Geschäftsführer Johannes Ponader ist eine Reizfigur, er zofft sich regelmäßig mit seinen Vorstandskollegen, sorgt mit fragwürdigen Auftritten für Furore.
Foto: Bernd Thissen/ dpa
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Piratenmitglieder beim Parteitag: 2012 war das Jahr des Höhenflugs und Mitgliederansturms, der Querelen und Blamagen. Die Aussichten für einen Einzug in den Bundestag sind inzwischen schlecht.
Foto: Ingo Wagner/ dpa
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Ob sich die Piraten dauerhaft etablieren können, wird immer fraglicher - doch in den vergangenen zwölf Monaten haben sie die politische Kultur und Parteienlandschaft ordentlich aufgemischt.
Wer zur Hölle sind diese Typen? Das fragten sich am Berliner Wahlsonntag des 18. September 2011 viele Menschen. Den Piraten - hier eine Auswahl der Fraktion in der Hauptstadt - gelang mit knapp neun Prozent der Einzug ins Abgeordnetenhaus.
Foto: Hannibal Hanschke/ dpa
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"Erfrischend", "authentisch" - die Kommentare überschlugen sich mit verblüfften Einschätzungen: Die Piraten (im Bild die Berliner Abgeordneten Andreas Baum und Christopher Lauer) hatten ein Zeichen für die Generation Netz gesetzt, boten sich als junge Alternative zu den etablierten Parteien an.
Foto: Markus Schreiber/ AP
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Studenten, Software-Entwickler, Lehrer - den Abgeordneten der Piraten (im Bild der Berliner Parlamentarier Simon Kowalewski) ist die klassische Ochsentour, wie sie in anderen Parteien durchlaufen wird, fremd. Das macht sie volksnah. Doch mit den Freibeutern zog auch eine gute Portion Dilettantismus in die Parlamente ein.
Foto: Hannibal Hanschke/ dpa
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Parteitag in Offenbach im Dezember 2011: Das Treffen war der erste Versuch, große Politik im Fokus der Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit zu machen.
Foto: Ralph Orlowski/ Getty Images
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In Offenbach beschlossen die Piraten, das bedingungslose Grundeinkommen in ihr Programm aufzunehmen. Die Entscheidung fiel knapp, das Thema sorgt immer noch für Zündstoff.
Foto: Fredrik Von Erichsen/ dpa
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Die Partei plagt Frauenmangel - und plötzlich zauberten die Piraten sie aus dem Hut: Marina Weisband wurde zum Star der Partei. Sie konnte leidenschaftlich und überzeugend für die Piraten werben und wurde Dauergast in den Talkshows der Republik.
Foto: JOHANNES EISELE/ AFP
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Ein paar Monate später legte sie ihr Amt nieder. Sie wolle ihr Diplomarbeit schreiben und wirkte ausgebrannt. Eine Kandidatur für den Bundestag hat sie mittlerweile ausgeschlossen.
Foto: Carsten Rehder/ dpa
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Wahlsieg in NRW am 13. Mai 2012: Die Piraten meistern die Neuwahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Düsseldorf mit Bravour und etablieren sich als sechste Kraft im Parteienfeld.
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Auf dem Bundesparteitag im April in Neumünster wählen die Piraten eine neue Spitze: Bundesvorsitzender wurde Bernd Schlömer: nüchtern, realistisch - und Beamter im Verteidigungsministerium
Foto: FABIAN BIMMER/ REUTERS
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Schlagzeilen machen die Piraten im Frühjahr mit radikalen Äußerungen von Problemmitgliedern und seltsamen NS-Vergleichen. Selbst der sonst so besonnene parlamentarische Geschäftsführer der Berliner Fraktion, Martin Delius, vergleicht den Aufstieg der Piraten mit jenem der NSDAP.
Foto: Angelika Warmuth/ dpa
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Für Wirbel sorgt immer wieder das Verhältnis zur Presse. Auf dem Parteitag der niedersächischen Piraten im Juli steckt die Partei eine private Zone ab, in der nicht gefilmt werden darf. Aufnahmen sind nur in der "Mixed Zone" erlaubt.
Foto: Julian Stratenschulte/ dpa
Wer zur Hölle sind diese Typen? Das fragten sich am Berliner Wahlsonntag des 18. September 2011 viele Menschen. Den Piraten - hier eine Auswahl der Fraktion in der Hauptstadt - gelang mit knapp neun Prozent der Einzug ins Abgeordnetenhaus.