Oppositionsstrategie Lafontaine setzt auf Bundesrat-Bremse

Linke-Chef Oskar Lafontaine: "Wir können ja nicht in der Opposition eine Koalition bilden"
Foto: Thomas Kienzle/ APBerlin - Sein Mobiltelefon mag Dietmar Bartsch am liebsten auch in wichtigen Sitzungen nicht mehr ausschalten. Was denn sei, wenn plötzlich "Angie" anrufe, "um uns zu sagen, dass die FDP doch eine Gurkentruppe ist und sie lieber mit uns regieren will", scherzt der Bundesgeschäftsführer der Linken am Montag zusammen mit den Parteichefs Oskar Lafontaine und Lothar Bisky in Berlin über Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die Linke strotzt nach der Bundestagswahl vor Selbstbewusstsein: 11,9 Prozent der Stimmen, eine auf 76 Abgeordnete gewachsene Bundestagsfraktion, 16 Direktmandate gewonnen, dazu die Erfolge bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein.
Lothar Bisky hat das Abschneiden seiner Genossen derart berauscht, dass er seit Sonntagabend in jedes ihm vorgehaltene Mikrofon von der "Schallmauer" spricht, die man mit dem zweistelligen Ergebnis im Bund durchbrochen habe.
Mögen Union und FDP über eine komfortable Regierungsmehrheit verfügen, als wichtigen Gewinner des Wahlabends sehen die Linken vor allem sich selbst.
Und Gewinner haben Ansprüche: So kann eine Annäherung zwischen der Linken und der SPD aus Sicht der Lafontaine-Partei nur dann erfolgen, wenn sich die Sozialdemokraten bewegen. "Die SPD muss ein riesiges Stück auf uns zukommen, wir nur ein winziges Stück auf sie", sagt Gregor Gysi während einer Pressekonferenz.
Wacklige schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat
Lafontaine betonte, dass man Entwicklungen innerhalb der SPD beobachten werde. Es gebe in seiner früheren Partei Debatten über Korrekturen bei der Rentenformel und einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, sagte der Ex-SPD-Chef, "das warten wir ab" - beides sind Kernforderungen der Linken. Eine Zusammenarbeit mit der SPD sei nicht schon dadurch gegeben, dass beide Parteien in der Opposition sitzen würden, sagte Lafontaine: "Wir können ja nicht in der Opposition eine Koalition bilden."

Der Tag danach: Schulterklopfen und Wundenlecken in Berlin
Gleichwohl forderte Lafontaine die SPD zu Bündnissen auf Länderebene auf und machte deutlich, wie er sich künftig die Oppositionsarbeit vorstellt: Der 66-Jährige will den Bundesrat als Machtinstrument nutzen, um Schwarz-Gelb das Regieren schwer zu machen. Diese Strategie deutete Lafontaine bereits am Sonntagabend in der sogenannten Elefantenrunde an. An diesem Montag wurde er noch deutlicher: In den nächsten Monaten gehe es darum, weiteren sozialen "Kahlschlag" zu verhindern, dabei werde "der Bundesrat ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken", sagte Lafontaine.
Zwar verfügen Union und FDP durch den knappen schwarz-gelben Sieg bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl über eine Mehrheit in der Länderkammer - aber diese Mehrheit ist wackelig: Sowohl in Thüringen als auch im Saarland sind nach den dortigen Landtagswahlen im vergangenen August keine schwarz-gelben Bündnisse möglich, denkbar sind dagegen Regierungen unter Beteiligung der Linken. Auch in Brandenburg könnten die Linken künftig mit der SPD regieren.
NRW-Landtagswahl als wichtiges Datum
Im Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale der Linken, schaut man deshalb schon jetzt auf den nächsten Wahltermin: die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010. Die einzige Wahl im kommenden Jahr könnte die Kräfteverhältnisse im Bundesrat zugunsten eines linken Lagers verschieben.
Während die künftig größte Oppositionspartei SPD nach ihrem Wahldebakel erst einmal mit sich selbst beschäftigt ist, hat Lafontaine mit seinem Vorstoß ein deutliches Signal der Stärke gegeben: Die Oppositionsführung sind wir, lautete die Botschaft des Saarländers. Den Grünen blieb am Montag nur, Lafontaines Bundesratsstrategie auch für die Öko-Partei in Anspruch zu nehmen: "Wir wollen, dass die schwarz-gelbe Mehrheit in Nordrhein-Westfalen beendet wird", sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin.

Sieger und Verlierer: Die besten Bilder des Wahlabends
Aber kein anderer Politiker als Lafontaine hat in der Vergangenheit deutlicher vorgeführt, wie man den Bundesrat als Blockadeinstrument nutzen kann. Als damaliger Ministerpräsident des Saarlands und SPD-Chef machte Lafontaine der damaligen schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl von 1994 bis 1998 mehrfach das Regieren schwer. So blockierte er auch die von vielen Fachleuten für richtig gehaltene Steuerreform. "Sie glauben doch nicht, dass so etwas Gesetz wird", giftete er damals gegen den politischen Gegner. Lafontaine sei "verantwortlich für die endgültige Deformation des Bundesrats zu einem politischen Kampfinstrument", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" damals - aber Lafontaine hatte seinen Erfolg.
Auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im kommenden Mai freut sich Lafontaine schon jetzt: Sie könnte eine "kleine Bundestagswahl" werden.