Osnabrück "Es musste etwas passieren"
Osnabrück - Es scheint alles wie immer. Die Männer treffen sich am Tresen, sie scherzen und rauchen. Irgendwann entfalten sie den Raumtrenner aus Holz und setzen sich in das improvisierte Séparée der Osnabrücker Kneipe "Sportlertreff", drei Frauen kommen dazu. Es ist Dienstagabend, der SPD-Ortsverein Haste-Dodesheide-Sonnenhügel lädt zur wöchentlichen Mitgliederversammlung.
Und doch ist alles anders.

Genossen in Osnabrück: "Beck war ein Hoffnungsträger"
Foto: SPIEGEL ONLINE"Es musste einfach etwas passieren", sagt Ortsvereinschef Andreas Kunze. "In den vergangenen Monaten waren wir wie paralysiert, wir fühlten uns nicht geführt". Wütend ist er nicht auf Kurt Beck, der am Wochenende als Parteichef zurücktrat. "Er ist für den Vorsitz eingesprungen, als wir ihn brauchten", sagt Kunze, "er war ein Hoffnungsträger." Das ist nun vorbei. "Beck ist ein ausgezeichneter Ministerpräsident, aber Steinmeier ist der bessere Kanzlerkandidat - und Müntefering der bessere Parteichef."
Bei Pils, Alster und Buletten will der Ortsverein über den dramatischen Führungswechsel debattieren. Allerdings scheint es zumindest an diesem Abend wenig Gesprächsbedarf zu geben. Neun Mitglieder sind in den "Sportlertreff" gekommen, neun von etwa 120. Doch die wenigen Genossen beim Stammtisch wirken befreit, beinahe euphorisiert.
Voller Hoffnung ist Hans Albert Roggenkamp - voller Ärger ebenso. "Der Frust an der Basis sitzt tief", sagt er. Darüber, dass niemand CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel ernsthaft entgegengetreten sei. Dass niemand die Zügel fest in die Hand nahm. Dass das Hickhack um den Linkskurs der hessischen Landeschefin Andrea Ypsilanti neue Gräben in die Partei riss. Jetzt, mit der plötzlichen Rückkehr Franz Münteferings an die Spitze und der Entscheidung für Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat, könne es nur noch aufwärts gehen: "Der Wechsel war überfällig."
"Natürlich glauben wir an einen Wahlsieg 2009"
Überfällig und wenig überraschend, meint Martin Schwanholz, zweifacher Direktsieger im Wahlkreis Stadt Osnabrück. Die vergangenen Monate hätten Beck "sehr zugesetzt", sagt der Bundestagsabgeordnete und dreht eine Zigarette, "so konnte es nicht weitergehen." Mit Steinmeier und Müntefering habe man jetzt ein "super Team": Müntefering sorge endlich für Geschlossenheit - und Steinmeier für ein gutes Wahlergebnis, da ist sich Schwanholz sicher.
Geschlossenheit, das ist es, wonach sich die Basis sehnt. Doch selbst im "Sportlertreff", in familiär-vertrauter Runde, werden die Fronten der Sozialdemokraten offensichtlich. Vor allem dann, wenn ein Name fällt: Oskar Lafontaine. Seine Linkspartei spaltet die Genossen. "Wir müssen die Linke bekämpfen!", fordert Ortsvereinsmitglied Hubert Meiering. Sein Tischgenosse Heiko Panzer runzelt die Stirn. "Ich habe ein großes Problem damit, wenn wir den Wählerwillen ignorieren", wirft er ein. "Wir dürfen nichts ausschließen. Was machen wir denn, wenn nach der Bundestagswahl ein rot-rot-grünes Bündnis die einzige Option ist?" Antje Jahn, seit vier Jahrzehnten SPD-Mitglied, zieht pfeifend Luft durch ihre Zähne und murmelt im Hintergrund: "Damit fängt es an." Später, nach der Sitzung, wird sie darüber schimpfen, dass das linke Werben Andrea Ypsilantis alles nur schlimmer gemacht hätte, "das war fast ein Todesstoß für die Partei".
Auch was künftige Wahlerfolge angeht, ist man sich nicht ganz einig im Osnabrücker "Sportlertreff": "Natürlich glauben wir an einen Wahlsieg 2009", sagt Kunze, die meisten in der Runde nicken bekräftigend. "Steinmeier kann auf uns zählen". Roggenkamp blickt skeptisch. "Wir sollten realistisch sein", sagt er, "erstmal freue ich mich, wenn wir wieder über die 30 Prozent kommen".