Schavan zu ihrer Plagiatsaffäre "Ich lasse mir das nicht bieten!"

Der Druck auf Annette Schavan wird immer größer: Grünen-Fraktionschefin Künast nennt ihr Verhalten in der Affäre um ihre Doktorarbeit beschämend. Die Bildungsministerin geht in die Offensive. Sie übt scharfe Kritik an ihrer Universität.
Ministerin Schavan: "Zu Vorwürfen Stellung beziehen"

Ministerin Schavan: "Zu Vorwürfen Stellung beziehen"

Foto: dapd

Berlin/Düsseldorf - Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) geht nach den Plagiatsvorwürfen im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit in die Offensive. "Ich lasse mir das nicht bieten", sagte sie der "Südwest Presse".

Nachdem sie fünf Monate "eisern geschwiegen" habe, bleibe ihr nun nichts anderes übrig, als sich zu wehren, sagte die Politikerin. "Das heißt, ich werde zu den Vorwürfen gegenüber der Universität Stellung beziehen." Schavan äußerte zudem scharfe Kritik am Vorgehen der Universität. "Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, dass ein vertrauliches Gutachten eines Hochschullehrers der Presse vorliegt, bevor die Betroffene von der Existenz des Gutachtens weiß", sagte sie der "Südwest-Presse". Schavan bekräftigte erneut, dass sie in ihrer 1980 verfassten Arbeit "keine Quelle bewusst falsch angegeben" habe. Sie gehe daher davon aus, dass von den Vorwürfen "nichts übrig bleibt". Sobald der Promotionsausschuss ihr Gelegenheit dazu gebe, werde sie zu den Vorwürfen Stellung nehmen, sagte die CDU-Politikerin der "Rheinischen Post".

Schavan hatte von den Vorwürfen der Universität erst aus dem SPIEGEL erfahren. Erst auf Nachfrage habe die Universität Düsseldorf Schavan das 75-seitige Gutachten am Wochenende zugeschickt, berichtete die "Rheinische Post". Schavan kündigte an, sich weiter an die Spielregeln zu halten "und mit der Universität nicht über die Öffentlichkeit zu kommunizieren".

Nach SPIEGEL-Informationen kommt ein Gutachter der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität zu dem Schluss, dass etliche Stellen von Schavans Dissertation das "charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise" trügen. Stefan Rohrbacher, Professor für Jüdische Studien, wirft der Ministerin in seiner 75-seitigen Analyse demnach Täuschung vor. Im letzten Satz des Gutachtens heißt es: "Eine leitende Täuschungsabsicht ist nicht nur angesichts der allgemeinen Muster des Gesamtbildes, sondern auch aufgrund der spezifischen Merkmale einer signifikanten Mehrzahl von Befundstellen zu konstatieren." Rohrbacher beanstandet insgesamt 60 Textstellen auf der 351-seitigen Doktorarbeit "Person und Gewissen".

Künast: "Die Glaubwürdigkeit hat sie schon verloren"

Politisch wächst der Druck auf die Bildungsministerin. Am Wochenende hatten bereits zahlreiche Oppositionspolitiker Kritik an Schavan geäußert. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Renate Künast zog am Montag Schavans Glaubwürdigkeit in Zweifel. Künast sagte, es sei beschämend, dass Schavan die Sache aussitzen wolle. Noch habe Schavan ihr Amt formal inne. "Aber die Glaubwürdigkeit, die sie für eine gute Amtsführung braucht, hat sie schon verloren", sagte Künast der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Eine für Wissenschaft zuständige Ministerin muss doch die Regeln des ehrlichen wissenschaftlichen Arbeitens hochhalten."

Aus Sicht des SPD-Bildungspolitikers Ernst Dieter Rossmann muss die Ministerin zurücktreten, wenn sie den Doktortitel verlieren sollte. "Am Ende kommt es darauf an, ob die Universität ihr den Doktortitel belässt oder nicht", sagte Rossmann der "Berliner Zeitung". Falls nicht, habe Schavan selbst hohe Maßstäbe gelegt, als es um den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gegangen sei.

Schavan hatte in der Affäre um ihren damaligen Kabinettskollegen Karl-Theodor zu Guttenberg, der später wegen seiner Plagiatsaffäre zurücktreten musste, scharf zu Wort gemeldet. "Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich", hatte sie damals gesagt.

Rossmann verwies jetzt darauf, dass es nun nicht mehr nur ein anonymer Plagiatejäger sei, der Vorwürfe gegen Schavan erhebe, sondern die Hochschule selbst. Sollte dies zur Aberkennung des Doktortitels führen, solle Schavan "ihre Verdienste als Ministerin für Bildung und Forschung nicht durch Hartnäckigkeit an dieser Stelle in Vergessenheit geraten lassen, sondern in Ehren ihren Abschied nehmen", forderte er.

Ob Schavan ihren Doktortitel verliert, ist ungewiss. Zunächst wird das Gutachten an die sechs weiteren Mitglieder des Promotionsausschusses der Philosophischen Fakultät der Düsseldorfer Universität weitergereicht. Das Gremium berät am Mittwoch über eine Empfehlung an den Fakultätsrat. Dort wird über die Aberkennung des Titels entschieden. Schavan kämpft um ihren einzigen Abschluss. Sie promovierte, ohne vorher ein Diplom oder einen Magister zu machen.

anr/dpa/dapd
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