Palästinenserregierung Kurei-Besuch von Rücktrittsgerüchten überschattet
Berlin - Am Morgen, als er mit Bundeskanzler Gerhard Schröder vor die Presse trat, schien Ahmad Kurei noch guter Dinge zu sein: Entspannt stand der palästinensische Premierminister neben Schröder vor der eigens aufgestellten palästinensischen Flagge. Nur wenige Stunden darauf, so verlautete es dann am Nachmittag aus Ramallah, sinnierte Kurei bereits über einen möglichen Rücktritt von dem Amt, in das ihn Palästinenserpräsident Jasser Arafat erst vor einem guten Vierteljahr berufen hatte.
Zwischen Kurei und Arafat soll es, so heißt es unter Bezug auf palästinensische Regierungskreise, zum Streit gekommen sein. Es ist nicht das erste Mal, dass der Palästinenserpräsident mit Kurei, in Palästina auch als "Abu Ala" bekannt, aneinander gerät. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass Kurei deswegen mit Rücktritt droht. In diesem Fall soll es um ausstehende Reformen der palästinensischen Autonomiebehörde in den Bereichen Sicherheit und Finanzen gegangen sein. Erst vor kurzem hatte Kurei angekündigt, sich dieser problematischen Bereich anzunehmen.
Arafat befürchtet Machtverlust
Der Streit zwischen Kurei und Arafat soll durch eine diese Bereiche betreffende Entscheidung des Kabinetts ausgelöst worden sein. "Arafat lehnte die Kabinettsentscheidung ab und betrachtete sie als Verletzung seiner Macht", wurden heute Nachmittag palästinensische Regierungskreise zitiert.
Die palästinensische Autonomiebehörde gilt als in weiten Teilen korrupt. Der Sicherheitsapparat zerfällt in eine unüberschaubare Vielzahl von Geheim- und Nachrichtendiensten. Seit das Amt des Premierministers vor zwei Jahren auf internationalen Druck hin eingerichtet wurde, versucht Arafat die Kontrolle über den Sicherheitsapparat in seinem Büro zu bündeln - und auf keinen Fall zu teilen.
Schon Kureis Vorgänger im Amt, Mahmud Abbas alias "Abu Mazen", hatte das Handtuch geworden, weil er sich mit Arafat nicht auf einen Reformkurs hatte einigen können. Er warf dem Präsidenten damals vor, seine Arbeit mit Absicht hintertrieben zu haben.
Das Amt des palästinensischen Premierministers war ausdrücklich geschaffen worden, um einen Gegenpol zum alternden und autoritären Arafat zu schaffen. Der immerhin gewählte Präsident sollte nicht durch eine erzwungene Absetzung düpiert werden - er gilt vielen Palästinensern nach wie vor als Symbol des palästinensischen Widerstandes gegen die israelische Besatzung. Ein neuer Ansprechpartner war außerdem nötig geworden, weil sich die israelische Regierung weigert, mit Arafat zu verhandeln. Sie behauptet, dass Arafat zumindest in die Finanzierung von terroristischen Angriffen auf israelische Bürger verwickelt ist.
Gespräch zwischen Kurei und Scharon geplant
Weder Kurei noch sein Vorgänger Abbas haben während ihrer Amtszeit indes besondere Erfolge vorweisen können. Kurei allerdings berichtete heute Morgen, es werde schon in der kommenden Woche vorbereitende Gespräche für ein direktes Treffen zwischen ihm und dem israelischen Premierminister Ariel Scharon geben.
Ein solcher Gipfel wäre ein echter Fortschritt im festgefahrenen Nahost-Friedensprozess. Auch Bundeskanzler Schröder erklärte heute nach seinem Treffen mit Kurei, dass nur solche unmittelbaren Gespräche Fortschritte ermöglichten. Sollte Kurei zurücktreten, dürfte das Spitzengespräch erst einmal wieder in weite Ferne rücken.
Kurei hält sich seit Montag zum ersten Besuch eines palästinensischen Premierministers überhaupt in Deutschland auf. Gestern traf er Bundespräsident Johannes Rau, für heute Abend ist eine Begegnung mit Außenminister Joschka Fischer vorgesehen, bei der es um die Aussichten für den Friedensprozess gehen wird.
Rücktritt gleich wieder dementiert
Fischer erneuerte nach dem Gespräch die deutsche Unterstützung für den Nahostfriedensplan, die so genannte Roadmap. Zu den Plänen des israelischen Premier Scharon, die jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen zu räumen, sagte Fischer, diese Pläne müssten im Einklang mit dem Friedensfahrplan stehen.
Ahmad Kurei machte nach der Unterredung mit dem deutschen Außernminister deutlich, dass er das anvisierte Treffen mit Scharon davon abhängig mache, ob in den Vorgesprächen Fortschritte erzielt würden. Er bestritt zudem die Meldung, dass er seinen Kabinettsmitgliedern gegebüber von Rücktritt gesprochen habe und gab sich überrascht, als er darauf angesprochen wurde.