Papst in Bayern Muslime empört über Benedikts Islam-Schelte

Von "feindseligen und provozierenden" Worten ist die Rede, von Taktlosigkeit und Hass - Islam-kritische Äußerungen von Papst Benedikt XVI. bei einer Vorlesung in Regensburg haben in der muslimischen Welt wütenden Protest ausgelöst. Das staatliche türkische Religionsamt fordert eine Entschuldigung.

Istanbul/Berlin - Die Islam-Schelte von Papst Benedikt XVI. während seines Besuchs in Deutschland rief vor allem in der Türkei und bei Muslimen in Deutschland scharfe Kritik hervor. Die Ansichten des Papstes zu Gewalt und Vernunft in Bezug auf den Islam seien "einseitig, voreingenommen, feindselig und provozierend", sagte der Präsident des staatlichen türkischen Religionsamtes, Ali Bardakoglu, heute dem türkischen Nachrichtensender NTV. Er erwarte, dass Benedikt seine Worte in aller Kürze zurücknehme und sich entschuldige.

In seiner Rede am Dienstagabend in der Regensburger Universität hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche Zitate aus einem mittelalterlichem Streitgespräch zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos und einem persischen Theologen angeführt. "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten", zitierte er den Kaiser aus dem im 14. Jahrhundert geführten Gespräch.

Der Papst nannte dies eine "erstaunlich schroffe" Art und Weise, die Frage nach dem "Verhältnis von Religion und Gewalt" zu stellen. Er zitierte ferner einen Herausgeber der Reflexionen des Kaisers mit den Worten, der muslimische Gott sei "an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit".

"Kein Nutzen" vom Papst-Besuch in der Türkei

Mit Blick auf den für Ende November geplanten Türkei-Besuch Benedikts sagte Bardakoglu, er erwarte "keinen Nutzen" vom Besuch eines Papstes, "der in dieser Weise über den heiligen Propheten des Islams denkt". Die Ausführungen des Papstes zur Vernunft konterte Bardakoglu mit den Worten: "Zunächst einmal sollen sie die Dreifaltigkeit Gottes erklären. Sie sagen, dass Jesus Gottes Sohn sei. Wie ist das mit der Vernunft in Einklang zu bringen?" Kritik gab es auch aus Kuweit, Marokko und Pakistan.

Auch Muslime in Deutschland reagierten empört. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte dem "Tagesspiegel", es falle ihm "schwer zu glauben", dass der Papst "gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Islam und Christentum" sehe. Schließlich sei auch die Geschichte des Christentums blutig gewesen - "man denke nur an die Kreuzzüge oder die Zwangsbekehrungen von Juden und Muslimen in Spanien". Gerade im Islam sei der Vernunftgedanke "besonders präsent". Für die islamische Rechtsprechung sei "der Gebrauch des eigenen Kopfes sogar eine der Säulen".

Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, verwies darauf, dass Benedikt XVI. zu Beginn seines Besuchs an die Politik appelliert habe, den Dialog der Kulturen und Religionen zu verstärken. Dies sei allerdings "kein positiver Beitrag dazu", sagte Kizilkaya dem "Tagesspiegel". "Wenn wir alle in die historische Kiste greifen wollten, dann wäre der Dialog kaum möglich."

Klarstellung verlangt

Auch der Vorsitzende des französischen Islamrats (CFCM), Dalil Boubakeur, verlangte vom Papst eine "Klarstellung". Die katholische Kirche müsse deutlich machen, dass sie den Islam als Religion sehe und nicht mit dem Islamismus gleichsetze, der eine "politische Ideologie" sei, sagte Boubakeur. Die fünf Millionen französischen Muslime wünschten "freundschaftliche Beziehungen" zu den Christen im gemeinsamen Kampf gegen die alle Gläubigen bedrohenden Gefahren: "Extremismus, Radikalisierung, Intoleranz und Gewalt".

Der Vatikan wies die Kritik der Muslime am Abend zurück. Benedikt XVI. habe die religiösen Gefühle von Muslimen nicht verletzen wollen, versicherte Sprecher Federico Lombardi am Abend in Vatikanstadt. Der Papst wolle "eine Haltung des Respekts und des Dialogs gegenüber den anderen Religionen und Kulturen und selbstverständlich auch gegenüber dem Islam pflegen". Dem katholischen Kirchenoberhaupt liege jedoch daran, "religiöse Begründungen für Gewalt zurückzuweisen". "Es war mit Sicherheit nicht die Absicht des Heiligen Vaters, eine vertiefte Studie über den Dschihad und über die moslemische Geisteshaltung in diesem Bereich vorzunehmen", erklärte Lombardi.

Es dürfte jedoch schwierig werden, die Wogen der Empörung wieder zu glätten. Ein kritisches Echo fand der Vortrag Benedikts auch in der türkischen Presse. "Taktloser Papst" schrieb das Massenblatt "Sabah" auf der Titelseite. Vor seinem Türkei-Besuch habe der Papst "hasserfüllte, auf den Propheten Mohammed zielende Äußerungen eines byzantinischen Kaisers zu einem aktuellen Thema gemacht", kritisierte das Blatt. Von einem "großen Schnitzer" des Papstes sprach das Blatt "Vatan". Der Papst habe den zitierten Kaiser "als Schutzschild" benutzt, meinte die links-liberale Zeitung "Milliyet". Die auflagenstarke Zeitung "Hürriyet" begnügte sich mit der Feststellung, Benedikt XVI. habe "den radikalen Islam abgekanzelt".

Als "gefährlichen Kommentar des islamischen Glaubens" wertete die gemäßigt-islamische Zeitung "Zaman" den Vortrag des Papstes. Mit seinen Äußerungen habe er "die Muslime betrübt und die Vorurteile in der deutschen Gesellschaft verstärkt". Der Türkei-Besuch des Pontifex ist für die Zeit vom 28. November bis 1. Dezember vorgesehen.

phw/dpa/AFP/ddp

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