

Steuerhinterziehung Zur Hölle mit den Reichen


Heidi und Curt Engelhorn (Archivbild)
Foto: Michael Buckner/ Getty Images

Heidi und Curt Engelhorn (Archivbild)
Foto: Michael Buckner/ Getty ImagesParadise Papers heißt der Datenschatz, den ein weltweites Investigativteam ausgewertet hat. Ein Glück, dass es solchen Journalismus gibt. Hier wird die Welt der Reichen enthüllt, in der die Menschen zwar arm sind an Moral, Solidarität und Pflichtgefühl - dafür aber ganz viel Geld und Macht besitzen. Im Vergleich zu dieser Welt ist das Leben der anderen, die sich mit Staat und Steuern herumschlagen, tatsächlich die Hölle. Es gibt noch etwas, das im Paradies fehlt: das schlechte Gewissen. Denn wer reich ist und nicht teilen will, der muss gar keine Gesetze brechen. Die Gesetze sind ja für ihn gemacht. Noch ist es nicht ganz sicher, aber am Ende könnte es sein, dass illegal an den Paradise Papers vor allem ihre Beschaffung ist.
Die Zahlen sind einschüchternd: 13,4 Millionen Dokumente, auf denen beinahe 400 Journalisten monatelang herumgekaut haben, bis die Auswertungen der Paradise Papers reif für eine Veröffentlichung waren. Die Quelle wird nicht genannt, Datendiebstahl, Whistleblower, Cyberangriff? 120 Politiker tauchen darin auf, 50 Länder, deutsche Firmen wie Siemens und Allianz, Kabinettsmitglieder von Donald Trump, Superreiche wie der greise Glücksspielbaron Paul Gauselmann oder die bei Steuerfahndern schon vorher einschlägig bekannte Familie Engelhorn.
Kein Gesetzesbruch ist der Skandal - sondern das Gesetz
Wenn hier Namen auftauchen, bedeutet das nicht zwingend, dass damit auch rechtlich oder moralisch Verwerfliches verbunden ist. Die Materie ist kompliziert. Der Sachverhalt einfach: Wie spart man Steuern. Nur darum geht es. Offshorefonds und Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen - es dient alles vor allem einem Ziel: den Staat nicht an den eigenen Gewinnen teilhaben zu lassen.
Und das Schönste - jedenfalls aus der Sicht der Reichen: Sehr viele dieser Praktiken sind vollkommen legal. Darauf beharrt auch die auf den Bermudas gegründete Anwaltskanzlei Appleby, über die viele der infrage stehenden Geschäfte ablaufen: alles legal. Kein Wunder. Hier ist nämlich kein Gesetzesbruch der Skandal - sondern das Gesetz.
All das liegt schon lange offen zutage. Jeder kann es sehen. Jeder kann es aussprechen. Und dennoch hält sich die Empörung in Grenzen. Auch nach den jüngsten Veröffentlichungen wird das nicht anders sein. Die Mechanismen der Selbstkorrektur funktionieren nicht. Der Skandal wird aufgedeckt - und besteht fort. Weil die Macht inzwischen so verteilt ist, dass Korrekturen nicht mehr möglich sind.
Unter dem Glanz die moralische Verrottung
Die Ungleichheit der Vermögensverteilung hat inzwischen groteske Züge angenommen: es gibt 1542 Dollar-Milliardäre auf der Welt, zusammen verfügen sie über ein Vermögen in Höhe von sechs Billionen Dollar. Damit ist die Vermögenskonzentration so hoch wie zuletzt Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals nannte man die amerikanischen Industriellen, die sich das Volksvermögen aneigneten, "Räuberbarone" und das Zeitalter, in dem sie lebten, "gilded age". Das bedeutet vergoldet, nicht golden, denn unter dem Glanz des Reichtums lag der Dreck der politischen und moralischen Verrottung.
Damals hatte der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt noch den Mut, sich mit John D. Rockefeller's Standard Oil anzulegen und den Konzern zu zerlegen. Kein moderner US-Präsident hat es bislang gewagt, sich mit den Herren des Silicon Valley anzulegen, den digitalen Räuberbaronen unserer Tage. Auch Barack Obama nicht, dessen Ruf viel besser ist als seine Verdienste.
Natürlich weiß man auch in Deutschland, wovon die Rede ist. Gerade hat die Fluglinie Air Berlin Pleite gemacht. Tausende werden ihre Arbeit verlieren, viele Rechnungen werden offenbleiben, weil nicht genug Geld da ist, sie zu bezahlen. Aber der Vorstandsvorsitzende Thomas Winkelmann erhält noch 4,5 Millionen Euro mit abgesicherter Gehaltsgarantie, auf die der Insolvenzverwalter keinen Zugriff hat - das hat Winkelmann beim Großaktionär Etihad so verhandelt, als er vor neun Monaten seinen Posten antrat. 4,5 Millionen Euro für neun Monate Arbeit, die mit der Pleite des Unternehmens enden. Alles vollkommen legal. That's capitalism, Baby!
Der Internationale Währungsfonds hat der Bundesregierung inzwischen empfohlen, ihre reichsten Bürger höher zu besteuern, um der Ungleichheit entgegenzuwirken. Aber auch die neue deutsche Regierung wird diesem Ruf nicht folgen. Keine Vermögensteuer, nirgends. Und auch die Abschaffung des Soli wird übrigens wieder eine unsoziale Steuermaßnahme sein, die vor allem den gut Verdienenden nützt - aber von denen wurde diese Regierung ja auch gewählt.
Das System ist zutiefst krank. Es ist unmoralisch und unanständig. Die Wut darauf wächst. Sie sucht sich nur die falschen Ziele. Der Hass der Betrogenen gilt eher dem Kriegs- als dem Steuerflüchtling. Unser Planet ist ein Paradies für Arschlöcher.
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Lewis Hamilton liebt rauschende Partys und sein 20 Millionen teures Privatflugzeug. Steuern für das Allgemeinwohl zu bezahlen, das liebt der Brite gar nicht. Der Mercedes-Pilot nutzt ein ganzes Geflecht von Briefkastenfirmen, um durch Steuertricks seine Einkünfte zu maximieren. Mit Hilfe des britischen Staates und der Isle of Man drückte sich Hamilton um mehrere Millionen Euro Steuern, die bei Kauf und Einführung seines Privatjets in die EU fällig geworden wären.
Die Isle of Man hat für Hamilton bei diesem Unterfangen einen großen Vorteil: Sie ist zwar nicht offiziell Teil der Europäischen Union, es besteht aber ein Zollabkommen mit dem Mitgliedsstaat Großbritannien. Hamiltons Flugzeug galt daher bei der Einführung über die Isle of Man als in die EU importiert, musste aber nur nach den superniedrigen Steuersätzen der Kanalinsel versteuert werden. Die Steuerersparnis für den F1-Piloten laut "SZ": etwa vier Millionen Euro.
Dank einer sorgfältig aufgefädelten Kette von Briefkastenfirmen sparte Hamilton 20 Prozent Mehrwertsteuer, die er sonst für seine in Kanada gekaufte Maschine, eine rote Bombardier Challenger 605, bei der Einfuhr in die EU zahlen müsste. "Verdammt, wie ich dieses Flugzeug liebe", schrieb Hamilton einmal. Auch seinen millionenschweren Arbeitsvertrag mit dem Mercedes-Rennstall hat Hamilton laut "SZ" über eine Briefkastenfirma organisiert. Wie lange Mercedes noch an dem König der Briefkastenfirmen in seinem Cockpit festhalten will, ist offen.
Einer der prominentesten Namen in den sogenannten Paradise Papers und zugleich einer der brisantesten Fälle ist der des Multimilliardärs und US-Handelsministers Wilbur Ross (rechts neben US-Präsident Donald Trump). Den Enthüllungen zufolge hält Ross auf Umwegen privat Anteile an einer Schifffahrtsgesellschaft namens Navigator - und die macht ...
... florierende Geschäfte mit dem russischen Energiekonzern Sibur. Sibur wiederum gehört einigen engen Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, unter anderem auch dessen Schwiegersohn, so die "SZ". Von den Ermittlern, die in Washington derzeit die Verbindungen des Trump-Lagers im Wahlkampf 2016 zu Russland unter die Lupe nehmen, dürfte diese Information interessiert zur Kenntnis genommen werden.
Hintergrund: Die Paradise Papers bestehen laut "SZ" aus vertraulichen Daten aus 21 unterschiedlichen Quellen, und zwar von der auf Bermuda ansässigen Anwaltskanzlei Appleby sowie der kleineren Treuhandfirma Asiaciti Trust mit Hauptsitz in Singapur.
Eine Enthüllung dieser Papiere betrifft auch den irischen Sänger Bono. Der weltbekannte Frontman der irischen Rockband U2 hat demnach über Firmen in Malta und in Guernsey in ein Einkaufszentrum in Litauen investiert. Eine Sprecherin des Sängers, der mit bürgerlichem Namen Paul David Hewson heißt, hat die entsprechenden Berichte der britischen Zeitung "The Guardian" und der litauischen Plattform "15min.lt" bereits bestätigt.
Auch der schwerreiche russische Oligarch Alischer Usmanow hat seinen Auftritt in den Paradise Papers. Putin-Freund Usmanow ist bekanntlich Eigentümer ...
... des britischen Premier-League-Clubs FC Arsenal. Laut "Süddeutscher Zeitung" legen die Paradise-Unterlagen nun jedoch den Verdacht nahe, dass der Russe auch Einfluss auf den ebenfalls in der englischen Topliga spielenden FC Everton haben könnte. Das wäre ein Unding, denn eigentlich tut die Premier League alles, um zu vermeiden, dass zwei Clubs von ein und demselben Eigentümer oder Verantwortlichen geleitet werden - allein schon um das Fairplay und den unbeeinflussten Wettkampf zu gewährleisten.
Der russische Investor Juri Milner ist so etwas wie ein Star im Silicon Valley, der unter anderem mit frühen, großen Investments in die aufstrebenden Social-Media-Firmen Facebook sowie Twitter berühmt geworden ist. Jetzt kommt heraus:
Bei diesen Investments wurde Milner offenbar mit Geldern vom Kreml ausgestattet. Auch dies könnte im Zusammenhang mit dem vergangenen US-Wahlkampf auf Interesse stoßen: Die Rolle der sozialen Medien wurde im Kampf ums Weiße Haus immer wieder kritisch beäugt - bis hin zum Vorwurf, Russland nehme auf diesem Wege Einfluss auf den Wahlausgang.
Selbst Queen Elizabeth II taucht in den Paradise Papers auf - jedenfalls indirekt: Laut "SZ" investierten Vermögensverwalter der britischen Königin in eine Firma, die Haushaltsgüter auf Raten verkauft, und zwar zu horrenden Zinssätzen. Die Beteiligung erfolgte über einen Fonds auf den Kaiman-Islands, so der Bericht. Von diesem Umweg über die Steueroase wollen die britischen Beamten allerdings eigenen Angaben zufolge nichts gewusst haben.
Auch Kanadas beliebter Premierminister Justin Trudeau muss sich wegen der Paradise Papers Fragen gefallen lassen - und weigert sich laut "SZ" bislang, darauf zu antworten. Der Fall: Stephen Bronfman, ein enger Vertrauter und Förderer Trudeaus, soll in ein Konstrukt verstrickt sein, mit dessen Hilfe dem kanadischen Staat Steuereinnahmen in Millionenhöhe verloren gegangen sein sollen.
Um Steuern geht es auch im Falle des iPhone-Herstellers Apple mit seinem Chef Tim Cook. Die Dokumente enthüllen der "SZ" zufolge auch, nach welchen Kriterien der Computergigant Apple eine neue Steueroase für seine Geschäfte suchte: Es sollte ein Land sein, das wenig Transparenz und Steuern verlangt und in dem offenkundig keine Opposition diese Großzügigkeit gegenüber dem iPhone-Hersteller rückgängig machen könnte, wenn sie an die Regierung käme.
Ähnlich wie Apple ist offenbar auch Nike an einer optimalen Steuerstruktur interessiert. Laut "SZ" hatte Nike früher zahlreiche Offshore-Firmen auf den Bermudas, mit denen Gewinne und Steuerlast gedrückt wurden. Die Paradise Papers zeigen der Zeitung zufolge jedoch, dass der Sportartikelhersteller seine Praxis inzwischen in die Niederlande verlagert hat - dort zahle das Unternehmen noch weniger Steuern, heißt es.
Auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder ist mit von der Partie. Laut "SZ" zeigen die Paradise Papers, dass Schröder 2009 sogenannter "unabhängiger Aufsichtsrat" des russisch-britischen Energieunternehmens TNK-BP war. Das Joint Venture zwischen der britischen BP- und der russischen Alfa-Gruppe habe seinen Sitz wie viele Öl-Joint-Ventures auf den Britischen Jungferninseln - eine Offshore-Firma also, so die "SZ". Gerhard Schröder hat vermutlich schon schlimmeres über sich in der Zeitung gelesen.
Ein umfangreiches Steuerstrafverfahren um den 2016 verstorbenen deutschen Pharma-Milliardär Curt Engelhorn und seine Töchter wurde laut "SZ" bereits vor Jahren mit einem Vergleich beendet. Nun fördern die Paradise Papers jedoch der Zeitung zufolge neue Informationen zutage, die darauf hindeuten, dass seinerzeit weit mehr als die im Rahmen des Vergleichs gezahlte Summe hinterzogen worden seien. Engelhorns Töchter äußerten sich laut "SZ" zu dem Vorwurf nicht.
Die Paradise Papers zeigen laut "SZ" auch, wie der Glücksspiel-Unternehmer Peter Gauselmann die Steueroase Isle of Man nutzt, um an dem hierzulande verbotenen Online-Glücksspiel zu verdienen.
Die Isle of Man hat für Hamilton bei diesem Unterfangen einen großen Vorteil: Sie ist zwar nicht offiziell Teil der Europäischen Union, es besteht aber ein Zollabkommen mit dem Mitgliedsstaat Großbritannien. Hamiltons Flugzeug galt daher bei der Einführung über die Isle of Man als in die EU importiert, musste aber nur nach den superniedrigen Steuersätzen der Kanalinsel versteuert werden. Die Steuerersparnis für den F1-Piloten laut "SZ": etwa vier Millionen Euro.
Foto: David Cannon/ Getty Images... florierende Geschäfte mit dem russischen Energiekonzern Sibur. Sibur wiederum gehört einigen engen Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, unter anderem auch dessen Schwiegersohn, so die "SZ". Von den Ermittlern, die in Washington derzeit die Verbindungen des Trump-Lagers im Wahlkampf 2016 zu Russland unter die Lupe nehmen, dürfte diese Information interessiert zur Kenntnis genommen werden.
Hintergrund: Die Paradise Papers bestehen laut "SZ" aus vertraulichen Daten aus 21 unterschiedlichen Quellen, und zwar von der auf Bermuda ansässigen Anwaltskanzlei Appleby sowie der kleineren Treuhandfirma Asiaciti Trust mit Hauptsitz in Singapur.
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