Noch vor wenigen Wochen habe er an die gewachsene Demokratie
in Deutschland geglaubt und zuversichtlich in die Zukunft gesehen. Nun denkt Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden, darüber wieder anders.
Köln - Spiegel äußerte Zweifel daran, ob in der
Bundesrepublik "die richtigen Lehren aus der Vergangenheit" gezogen
wurden. Noch im Sommer habe man das Gefühl haben können, dass ein Ruck
durch die Gesellschaft gehe, der auf den wachsenden
Rechtsextremismus aufmerksam mache und wachrüttele, sagte Spiegel.
"Nach den Anschlägen der letzten Tage und vor allem auch nach den in
der Zwischenzeit in manchen Führungskreisen dieses Landes geführten
Diskussionen zum Thema 'Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus'
ist meine Zuversicht zugegebenermaßen doch gesunken." Er frage, ob
es wirklich die Bereitschaft gebe, Gewalttaten gegen Asylbewerber
und andere Angehörige von Minderheiten hinzunehmen. Was müsse noch
alles geschehen, "bevor die schweigende Mehrheit aufsteht und sich
diesem braunen Mob wirksam und überzeugend entgegenstellt", fragte
Spiegel. Noch
immer sei unklar, wie man der Gewalt begegnen und welche
Konsequenzen die Politik "aus dem Rechtsruck in der Bundesrepublik
Deutschland und in einigen anderen europäischen Staaten" ziehen
wolle.
Scharfe Kritik an Unionspolitikern
Es sei unverantwortlich, wenn führende Politiker Formulierungen wie "Wunsch
nach nützlichen Ausländern" oder "Kinder statt Inder" verwendeten
oder aus wahltaktischen Gründen eine Kampagne gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft geführt werde. "Dazu gehört auch die für mich
unbegreifliche Ankündigung, im nächsten Wahlkampf die Zuwanderung
zum Thema zu machen", so Spiegel.
Solche Beispiele von "Eliten-Fremdenfeindlichkeit" eigneten sich
ganz bestimmt nicht zum demokratischen Vorbild, sagte Spiegel vor
dem so genannten Rheinischen Rat, der Vollversammlung der von
Städten und Kreisen entsandten Politiker im Landschaftsverband
Rheinland.